Willem van Mieris
Der trunkene Silen, von zwei Faunen gestützt,
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Willem van Mieris

Der trunkene Silen, von zwei Faunen gestützt,

Willem van Mieris

Der trunkene Silen, von zwei Faunen gestützt

Für das Motiv dieser Zeichnung orientierte sich Van Mieris an einem Relief des Flämischen Bildhauers Francis van Bossuit (1635–1709), der sich 1684 in Amsterdam niedergelassen hatte. Dieses Relief (Anm.1) wird auch dokumentiert durch einen Stich Matthys Pools (1676–1722) nach einer Zeichnung des Barend Graat.(Anm.2) Angesichts seines ausgeprägten Interesses an Reliefs und Skulptur ist allerdings anzunehmen, dass Van Mieris direkt nach der plastischen Vorlage arbeitete bzw. nach einem Abguss derselben und nicht nach einem der 1727 veröffentlichten Stiche.(Anm.3) Ein Elfenbeinrelief „Silenis op zyn Ezel“ befand sich in der Sammlung der Petronella de la Court (1624–1707), die zu den erklärten Förderern des Künstlers gehörte.(Anm.4) Ein Gemälde des Künstlers in Dresden aus dem Jahre 1700 zitiert die hier gezeichnete Szene im Gegensinn.(Anm.5) Van Mieris wird das Relief also vor 1700, vielleicht sogar noch zu Lebzeiten Van Bossuits, zwischen 1685 und 1692 gezeichnet haben.(Anm.6)
Elen-Clifford Kocq van Breugel (1992) konnte zwölf weitere Zeichnungen des Künstlers nach Vorlagen Van Bossuits nachweisen, sämtlich auf Pergament gearbeitet und durch Signatur bzw. Monogramm als selbständige Kunstwerke klassifiziert.(Anm.7) Ein in gleicher Technik gearbeiteter Entwurf für eine Gartenvase – mit derartigen Projekten beschäftigte sich Van Mieris zwischen 1702 und 1704 – geht ebenfalls auf ein Relief Van Bossuits zurück.(Anm.8)

1 Englischer Privatbesitz, De Wereld binnen handbereik. Nederlandse kunst- en rariteitenverzamelingen, 1585-1735, Ausst.-Kat. Amsterdam, Historisch Museum, Amsterdam 1992, Nr. 145 ohne Abb., vgl. Emke Elen-Clifford Kocq van Breugel: Sculpturen van Francis van Bossuit getekend door Willem van Mieris, in: Delineavit et Sculpsit 8, 1992, S. 12-24, S.19 und S.24, Anm.28; nicht enthalten im Katalog der Skulpturen und Reliefs von Theuerkauff 1975, S. 167–182.
2 „Cabinet de L’art de Sculpture par le fameux Sculpteur Francis van Bossuit-Gravées d’après les desseins de Barend Graat par Mattys Pool“, Amsterdam 1727, Pl. 31. Zu der Entstehung dieser Ausgabe vgl. Margreet van der Hut: Tekeningen van Barend Graat naar de sculpturen van Francis van Bossuit, in: Delineavit et Sculpsit 32, 2008, S. 37-42.
3 Zu diesem Schluss kam Emke Elen-Clifford Kocq van Breugel: Sculpturen van Francis van Bossuit getekend door Willem van Mieris, in: Delineavit et Sculpsit 8, 1992, S. 12-24, S. 13–15.
4 Emke Elen-Clifford Kocq van Breugel: Sculpturen van Francis van Bossuit getekend door Willem van Mieris, in: Delineavit et Sculpsit 8, 1992, S. 12-24, S. 16; in der Sammlung des Allard de la Court (1688–1755) befand sich ein Metallabguss nach einem Van Bossuit-Relief („1 Silenus sittende op den esel, is van metaal gegooten over ’t origineele door Francies van yvoor konstig gemaakt“).
5 „Der Trompeter“, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. 1769.
6 Emke Elen-Clifford Kocq van Breugel: Sculpturen van Francis van Bossuit getekend door Willem van Mieris, in: Delineavit et Sculpsit 8, 1992, S. 12-24, S. 19. – Elen 1995, S. 1 wies darauf hin, dass Van Mieris erst in der zweiten Hälfte der 1690er Jahre seine größerformatigen Pergamentzeichnungen anfertigte, doch von Inv.-Nr. 22182 und 22181 unterscheiden sich die weniger glatte und detaillierte Ausarbeitung sowie die offen liegenden Kreidestrukturen.
7 Op. cit. Anm. 6, S. 19–20; dieser Liste sind zwei weitere, kürzlich vom Metropolitan Museum of Art, New York erworbene Pergamentzeichnungen hinzuzufügen: „Kindermord von Bethlehem“, Inv.-Nr. 2007.276.1, und „Raub der Sabinerinnen“, Inv.-Nr. 2007.276.2, vgl. Pool 1727, op. cit. Anm. 2, Pl. 13 und 21.
8 Vgl. C. Willemijn Fock: Willem van Mieris als ontwerper en boetseerder van tuinvazen, in: Oud Holland 87, 1973, S. 27-48, S. 43–44, Abb. 19 und 20.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Signiert oben rechts: "W. van Mieris" (schwarze Kreide)

Verso unten rechts L. 1328

Wasserzeichen / Kettenlinien

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Provenienz

Jan Gildemeester Jansz. (1744–1799), Amsterdam; dessen Auktion, Amsterdam 1800 (Lugt Ventes 6156): „Een dronken Sileen op een liggende ezel zittende, verzeld van verscheide jonge saters, uitvoerig met dito [zwart kryt] geteekend op pergament“; Georg Ernst Harzen (1790–1863), Hamburg (L. 1244); HK, KK, A, NH Ad:01:02, fol. 44 (als „Willem van Mieris“): „Silen eine Traube und ein Tambourin in Händen auf einem Esel der unter seiner Last zusammenbricht, wo zwey Satyre ihm unter die Arme greifen. Die allseitige Trunkenheit ist gut ausgebildet. W. van Mieris. Delikat ausge-führte Kreidezeichnung auf Pergament. 5.5. 4.2.“; HK, KK, A, NH Ad: 02: 01, S. 258; Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog I Van Aken-Murant, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.376-377, Nr.654

Thomas Ketelsen: Erigone. EIn phantasmatisches Szenario des Begehrens, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 37, 1998, S. 131-155, S.133, Anm. 9

Emke Elen-Clifford Kocq van Breugel: Sculpturen van Francis van Bossuit getekend door Willem van Mieris, in: Delineavit et Sculpsit 8, 1992, S. 12-24, S.19, Nr.4

Emke Elen-Clifford Kocq van Breugel: Willem van Mieris als Tekenaar. De relatie tussen tekeningen en schilderijen, Diss., Univ., Leiden 1986, S.76, Nr.41