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Fritz Fenzl

Begegnungen mit »Guernica«. Wiederentdeckte Photos von Fritz Fenzl aus der Hamburger Picasso-Ausstellung 1956.

Am 24. Oktober 1955 wurde im Münchner Haus der Kunst die erste groß angelegte Retrospektive des Werks von Pablo Picasso in Deutschland eröffnet. Über den Jahreswechsel war diese umfangreiche Ausstellung dann in Köln und ab 10. März 1956 für über sechs Wochen im Obergeschoss des Altbaus der Hamburger Kunsthalle zu sehen. Mit dieser Retrospektive wurde dem Publikum erstmals ein künstlerisches Werk zugänglich gemacht, das knapp zwei Jahrzehnte zuvor von den Nationalsozialisten als »entartet« gebrandmarkt und aus den Museumssammlungen entfernt und verkauft worden war. Nun stand Picasso schlechthin für die Moderne. Eine moderne Kunst, die aus dem Ausland kam und die in Deutschland verwirrend, aber auch aufklärend wirken musste.

Picasso war sich der Bedeutung dieser Ausstellung für Deutschland und sein Kunstpublikum sicherlich bewusst. Nur deshalb erlaubte er, dass auch sein umstrittenstes Werk, das für den spanischen Pavillon in der Pariser Weltausstellung 1937 gemalte große Wandbild Guernica, ausgeliehen und in Deutschland gezeigt wurde. Es stellt den Schrecken der Zerstörung der Stadt Guernica im April 1937 durch die deutsche Legion Condor dar. Picasso hatte dieses Bild dem spanischen Volk zum Geschenk gemacht, es jedoch wegen der anhaltenden Franco-Diktatur zunächst dem New Yorker Museum of Modern Art als Leihgabe gegeben.

Picassos Guernica in der Hamburger Kunsthalle - das mag heute kaum einer glauben. Einige, ältere Kunstfreunde allerdings können sich noch daran erinnern, das Bild hier gesehen zu haben. Wegen seiner Größe konnte es nicht an eine Wand gehängt werden, sondern stand (im heutigen Max Beckmann-Saal), von einer Konstruktion gehalten, diagonal im Raum. Davor, an der Wand, war eine lange Bank eingebaut, die das intensive Betrachten dieses Bildes ermöglichen sollte.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung beauftragte den renommierten Photographen Fritz Fenzl (geb. 1916) die Picasso-Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle photographisch zu dokumentieren. Fritz Fenzl wollte weniger die Präsentation wiedergeben, als die Besucher der Ausstellung, ihre Reaktionen, die Mimik und Gestik, ihr vorsichtiges Annähern an die moderne Kunst und ihr Unverständnis bis zur offenkundigen Ablehnung festhalten. Fenzl gelang so eine faszinierende Dokumentation der Rezeption von moderner Kunst im Nachkriegs- Deutschland.

Fritz Fenzl machte an einem Nachmittag in der Hamburger Picasso-Ausstellung insgesamt 271 Aufnahmen, von denen nur einige wenige später, aus Anlass eines Geburtstags von Picasso, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung abgedruckt wurden. Vom Gros dieser Negative wurden wohl nie Abzüge hergestellt, und so blieben die Aufnahmen bis heute unbekannt. Fritz Fenzl, der in Süddeutschland lebt, war von der Idee, einen Teil der Negative erstmals abzuziehen und in der Hamburger Kunsthalle im Rahmen der Triennale der Photographie 2005 auszustellen, sofort angetan und unterstützte dieses Projekt, in dem er selbst diese Abzüge von ausgewählten Negativen herstellte.