Die Kapitel der Ausstellung

Caspar David Friedrich ist eine Schlüsselfigur der romantischen Kunst. Mit seinen stimmungsvollen und einprägsamen Bildern hat er unsere Vorstellung von dieser Epoche maßgeblich geprägt. Zentrales Thema der Ausstellung ist das neuartige Verhältnis von Mensch und Natur in seinen Landschaftsdarstellungen. Seine Gemälde und Zeichnungen brechen dabei mit den überlieferten Darstellungsmustern. In ihnen verbindet sich ein ungewöhnlich präzises Naturstudium mit klaren kompositorischen Vorstellungen. Auf diese Weise bahnen seine Werke einen neuen Weg, um über die Wechselbeziehung zwischen Subjekt und Natur nachzudenken. Sie führen uns vor Augen, dass der Mensch Teil der Natur ist und ihr zugleich betrachtend und denkend gegenübertritt.

Der Anschlussfähigkeit von Friedrichs Werken für die Kunst der Gegenwart, gerade auch im Hinblick auf die Herausforderungen unserer Zeit, widmet sich der zweite Teil der Ausstellung. Gattungs- und medienübergreifende Arbeiten von 21 Künstler*innen treten in den Dialog mit Friedrichs Bildwelten und den Naturvorstellungen der Romantik. 

Friedrich im Porträt

Das Äußere Friedrichs ist in bemerkenswert vielen und unterschiedlichen Bildnissen überliefert. Sie bieten einen willkommenen Anlass, um vertraute und eingeschliffene Vorstellungen von der Persönlichkeit des Malers zu hinterfragen. Während etwa Georg Friedrich Kerstings berühmte Darstellung von Friedrich im Atelier (1811) den konzentriert und präzise arbeitenden Künstler vor Augen führt, charakterisiert ihn das wenige Jahre zuvor von Gerhard von Kügelgen gemalte Porträt (um 1808) als energische und entschlossene Persönlichkeit. Nochmals andere Facetten erschließen die Porträts, die Alphonse de Labroue 1820 und Pierre Jean David d’Angers 1834 geschaffen haben. Sie führen vor Augen, dass Friedrich später durchaus für Begegnungen mit französischen Künstlern offen war, obwohl er sich während der napoleonischen Besatzung explizit feindlich über Frankreich geäußert hatte.

Friedrichs Selbstporträts bekräftigen diesen Eindruck. In ihnen zeigt sich der Maler überraschend vielschichtig und wandelbar. Das gilt insbesondere für das frühe, um 1800 entstandene zeichnerische Selbstporträt (Kat. 1). Es ist die vielleicht eindrücklichste Warnung davor, Friedrich allzu rasch auf allein einen Charakterzug festzulegen. Der Künstler tritt uns hier als höchst aufmerksamer und zugleich offener Beobachter entgegen, der weniger daran interessiert zu sein scheint, ein bestimmtes Bild seiner Persönlichkeit zu prägen, als vielmehr die Welt um sich herum in den Blick zu nehmen.

Friedrichs Experimentieren in den frühen Jahren

Nachdem Friedrich die ersten künstlerischen Grundlagen von dem Greifswalder Universitäts-Zeichenlehrer Johann Gottfried Quistorp vermittelt bekommen hatte, studierte er von 1794 bis 1798 an der Kopenhagener Akademie. Einzelne Aquarelle, die aus Ausflügen in das Umland entstanden, belegen seine eigenständige Auseinandersetzung mit Landschaftsgärten im englischen Stil, die für eine besondere Naturnähe standen und europaweit verbreitet waren (Kat. 10–13). 1798 ließ sich Friedrich in Dresden nieder. Nun wurde das unmittelbare Naturstudium zu einem zentralen Aspekt seines künstlerischen Schaffens. Die dabei entstandenen Zeichnungen verdeutlichen seinen fokussierenden Blick auf Blatt- und Blütenpflanzen, Bäume und Felsen, verorten die einzelnen Gegenstände aber auch in ihrem natürlichen Kontext (Kat. 14–29). Abgesehen von seiner eindrucksvollen Intensivierung des Naturstudiums griff Friedrich in den Jahren um 1800 verstärkt auch zur Radiernadel, um sich in dieser Technik mit der lokalen künstlerischen Tradition auseinanderzusetzen (Kat. 30–39). Bemerkenswert ist schließlich ein Konvolut an Zeichnungen, in denen Friedrich ein Spektrum von Gefühlen auslotete, das sich von Traurigkeit und Melancholie bis hin zu purer Verzweiflung spannt (Kat. 40–47). Von ausgewählten Motiven fertigte Friedrichs Bruder Christian Holzschnitte an. Nach wie vor ist ungeklärt, ob es sich bei diesen um geplante Illustrationen zu einem bislang noch nicht identifizierten literarischen Werk handelt.

 

Das Rügen-Erlebnis

Im Frühjahr 1801 begab sich Friedrich auf eine längere Reise in seine vorpommersche Heimat, um erst im Sommer des folgenden Jahres wieder nach Dresden zurückzukehren. Auf der Suche nach neuen Motiven besuchte er mehrfach die Insel Rügen, die er sich wandernd erschloss. Dabei beschritt er Neuland, da viele der von ihm erfassten An- und Aussichten als Kunstmotiv noch nicht etabliert waren. Friedrich eignete sich das Gesehene auf eine betont sachliche, fast schon nüchterne Weise an. Weiterhin lässt sich den Zeichnungen sein Anliegen entnehmen, das Erlebnis der Weiträumigkeit auch auf dem Papier wiederzugeben. Er erreichte dies insbesondere durch gedehnte Blickwinkel und panoramahafte Formate.  

Zahlreiche Bleistift- und Federzeichnungen dienten dem Künstler als Grundlage einer weiterführenden Beschäftigung mit bestimmten Motiven. Die großformatige Pinselzeichnung Blick auf Arkona bei aufgehender Sonne (Kat. 51) verdeutlicht Friedrichs besonderes Gespür für die stimmungsvolle Inszenierung bestimmter Tageszeiten. Den beiden einzigen Gouachen, die sich aus dieser frühen Schaffenszeit erhalten haben (Kat. 58 u. 59), lässt sich sein subtiles Farbempfinden entnehmen. Mit derartigen Arbeiten reagierte Friedrich auf das wachsende Interesse an bestimmten Motiven der Insel, das sich als Ergebnis einer zunehmenden touristischen Erschließung fassen lässt.

Frühe Ölgemälde

Bereits in Friedrichs Frühwerk äußert sich das Anliegen, die Natur jenseits eingeschliffener Wahrnehmungsmuster darzustellen. Vor allem die Frage, wie sich das Landschaftsbild so gestalten lässt, dass es zu weitergehenden Gedanken Anlass geben kann, beschäftigte Friedrich in den Jahren ab 1802. Zunehmend reduzierte er die Zahl der potenziell sinnträchtigen Motive, für die er zudem offenließ, ob und wie sie auszudeuten sind.

Als Friedrich sich der Ölmalerei zuwandte, entschied er sich weder für naturgetreue Landschaftsansichten, sog. Veduten, noch für klassische Ideallandschaften mit erzählender Staffage. Vielmehr entwickelte er eine Form der Malerei, die in den Details höchst präzise ist, aber durch ihre Komposition und wenige sinntragende Bildgegenstände zum Denken einlädt. Dabei setzte er auch Staffagefiguren auf eine neue Weise ein. In Friedrichs Bildern erscheinen nicht bloß Repräsentant*innen einer größeren Gruppe, etwa Bäuerinnen und Bauern oder Schäfer*innen, sondern individuell charakterisierte Menschen, deren Identität jedoch unklar bleibt. Diese Figuren wenden sich der Landschaft mit einem konzentrierten Blick zu. Damit bildet sich ein Leitmotiv von Friedrichs weiterem Œuvre heraus: die Darstellung von Betrachter*innen, die dazu anregen, über das Sehen an sich nachzudenken. In den um 1810 vermehrt in Friedrichs Bildern begegnenden Staffagefiguren zeigt sich, dass er nicht allein die Natur, sondern verschiedene Ausprägungen des Verhältnisses zwischen Mensch und Natur zur Darstellung bringt. Dieses Verhältnis lässt sich im Vermittlungsraum KOSMOS CASPAR im 2. OG auf individuelle Weise vertiefen.

Religiöse und politische Sinngehalte

Das Verhältnis von Mensch und Natur spielt auch in Bildern Friedrichs eine Rolle, in denen menschliche Eingriffe die Landschaft verändern und einer spezifischen Sinngebung zugänglich machen. Die Klosterruine Oybin regte den Künstler gleich zu mehreren Werken an. Im frühen, um 1812 entstandenen Gemälde Ruine Oybin (Kat. 70) ist die Architektur um ein Kreuz, einen Altar und eine Madonnenskulptur ergänzt. Das Bild lädt daher zum Nachdenken über Glaubensfragen ein. Beim späteren Gemälde Huttens Grab von 1823/24 (Kat. 73) liegt hingegen eher ein Bezug zu politischen Diskussionen nahe. Die Ruine wird nun zum Ort des Gedenkens an den Humanisten Ulrich von Hutten (1488–1523) sowie an Protagonisten der Befreiungskriege, die zwar die napoleonische Fremdherrschaft überwunden, aber nicht zu der von vielen erhofften Demokratisierung geführt hatten.

Eine religiöse Sinnstiftung bietet sich bei den Kreuzlandschaften an, mit denen Friedrich bekannt wurde, aber auch Widerstand provozierte. In ihnen erscheint das Kruzifix häufig auf der Mittelachse einer streng symmetrisch strukturierten Bildkomposition, sodass es sich von gewöhnlichen Weg- oder Gipfelkreuzen abhebt. Damit ging es dem Maler nicht um einen Pantheismus, also die Idee einer Einheit des Göttlichen mit der Natur. Statt die Gegenwart Gottes in der Schöpfung zu suchen, betonte Friedrich die Künstlichkeit seiner in hohem Maße komponierten Bilder. Gott erscheint in der Gestalt des Gekreuzigten, als ein Bild im Bild.

Natur als Übermacht

Das Verhältnis von Mensch und Natur zählt zu den grundlegenden Themen von Friedrichs Kunst. In den Jahren um 1812/13 schuf der Maler eine Gruppe politisch motivierter, sogenannter patriotischer Bilder, die vor dem Hintergrund der Besetzung Sachsens durch die napoleonischen Truppen entstanden (Kat. 85, 89 u. 90). Diese Gemälde zeigen Soldaten, die von einer als subtile Bedrohung erfahrbaren Natur umgeben sind. So stellt sich der Eindruck ein, als würden die Figuren von der Höhle oder dem Nadelwald eingeschlossen und bedrängt.

Mit dem die Betrachtenden zu seiner Entstehungszeit irritierenden Hauptwerk Das Eismeer (Kat. 95) erteilte Friedrich dem menschlichen Entdeckerdrang wie auch jeglichem Überlegenheitsgefühl gegenüber einer vermeintlich beherrschbaren Natur eine deutliche Absage. Inspirieren ließ sich der Maler zu dieser Komposition von Eisschollen auf der zugefrorenen Elbe, die er im Winter 1820/21 mit Ölskizzen festgehalten hatte. Die Regionen des ewigen Eises hatte Friedrich selbst nie bereist, und auch die in jene Jahre fallenden Darstellungen nordischer Landschaften waren Produkte seiner Fantasie.

Entrückt und unerreichbar erscheint die Gipfelpartie des Watzmanns (Kat. 101) auf seinem großformatigen Gemälde. Friedrich kannte den berühmten Berg nicht aus eigener Anschauung, jedoch gelang es ihm, uns dessen überwältigende Größe eindrücklich vor Augen zu führen. Im Gegensatz dazu präsentiert der mit ihm befreundete Carl Gustav Carus die Erschließbarkeit der erhabenen Gletscherwelt der Mont-Blanc-Gruppe, indem er zwei Rückenfiguren an der Abbruchkante zeigt (Kat. 103).

Rückenfiguren

Friedrich ist nicht der erste Künstler, der Menschen gemalt hat, die den Bildbetrachter*innen konsequent den Rücken zukehren, sodass ihr Gesicht und ihre Blickrichtung verborgen bleiben. Aber er setzt diesen Figurentyp ungewöhnlich häufig und konsequent ein. Auch dort, wo er mehrere Menschen darstellt, sind seine Rückenfiguren in der Regel in eine stille Betrachtung vertieft. Durch Kleidung, Körperbau und Haltung werden sie zwar als Individuen gekennzeichnet, und doch erweist sich ihre Identität als unzugänglich. Woher sie kommen und was sie in die Landschaft geführt hat, bleibt offen.

Umso stärker tritt hervor, was die Rückenfiguren im dargestellten Augenblick tun: Sie betrachten die Natur. Oft sind sie als Identifikationsfiguren verstanden worden, und tatsächlich scheinen wir auf den ersten Blick eingeladen zu sein, uns in die dargestellte Figur hineinzuversetzen. Doch wird eine solche Identifikation nie restlos gelingen. Vielmehr bleibt die Figur im Bild präsent, sie verstellt uns den Blick, je mehr wir versuchen, ihre Position einzunehmen.

Mit seinen Rückenfiguren versetzt uns Friedrich nicht in die Lage, vollkommen in die dargestellte Natur einzutauchen. Nicht allein die Natur, sondern die Beziehung zwischen Mensch und Natur steht im Zentrum. Dabei tritt nicht zuletzt die Ambivalenz dieses Verhältnisses hervor: Mit den Rückenfiguren im Bild ist der Mensch Teil der Natur, zugleich tritt er ihr in einer distanzierten, betrachtenden Haltung gegenüber.

 

Seestücke und Fischer

Dem Meer kommt in Friedrichs Bildwelten eine zentrale Bedeutung zu. Insbesondere in den Jahren ab 1816 entstanden zahlreiche Seestücke, in denen der Maler das Verhältnis des Menschen zur Natur variantenreich auslotete. Mit dem charakteristischen Dreiklang aus Ufer, Meer und Himmel stehen diese Werke zudem für ein elementares Erleben der Natur. Oftmals finden sich in den Gemälden Figuren, die in der dargestellten Natur heimisch sind. Dabei zeigt Friedrich die Tätigkeiten der Fischer im Verhältnis zur jeweils dargestellten Tageszeit. Mitunter halten diese auch betrachtend inne, um auf die besondere Stimmung der Natur am Abend und in der Nacht zu reagieren.

Nicht immer laufen die in Friedrichs Seestücken dargestellten Schiffe geordnet ein oder aus. Auch der Schiffbruch – und damit das Scheitern des Menschen an den Naturgewalten von Wind und Wasser – wird gelegentlich zum Thema seiner Malerei. So sind Schiffe zu sehen, die im Sturm an den Klippen zerschellten oder aber im seichten Wasser auf Grund liefen und die Besatzung in exponierter und existenzieller Lage zeigen.

Ganz aus dem Rahmen des Erwartbaren fällt schließlich Friedrichs Gemälde Segelschiff (Kat. 119). Verfügen seine Seestücke fast durchgängig über einen Uferstreifen im Vordergrund, der unseren Standpunkt vor dem Bild definiert, sehen wir uns hier einem Hochseemotiv gegenüber, das uns keinen vergleichbaren Halt bietet.

Zeichnerische Naturstudien

Die Zeichnungen, die Friedrich in der Natur angefertigt hat, weisen einen beeindruckenden Grad an Präzision auf. Spätestens einige Jahre nach seiner Ankunft in Dresden hatte er seine zeichnerischen Fertigkeiten so perfektioniert und routiniert eingeübt, dass er einen Baum, eine Pflanze oder einen Felsen mit allen noch so zufällig erscheinenden Eigenschaften festhalten konnte. Ihm scheint es wichtig gewesen zu sein, die jeweiligen Naturerscheinungen getreu und gewissenhaft in ihrer Individualität wiederzugeben.

Nach und nach hat Friedrich ein ausdifferenziertes Repertoire an Hilfsmitteln entwickelt, mit dem sich dieses Anliegen besonders gut umsetzen ließ: Striche, Markierungen, Kürzel und Beschriftungen dienten ihm dazu, Größenverhältnisse, Distanzen und die Höhe des Augenpunktes festzuhalten. All diese Notate beziehen sich nicht allein auf Eigenschaften der Bäume, Pflanzen oder Felsen, sondern vor allem auf das Verhältnis zwischen dem Dargestellten und dem betrachtenden Menschen. Es ist daher nicht die Natur als solche, sondern die durch einen Menschen wahrgenommene Natur, die Friedrich in seinen Zeichnungen erfasst hat. Wenngleich die Studienzeichnungen in der Regel keine Figuren zeigen, erscheint die Natur in ihnen keineswegs völlig unberührt. Indem ihre Bindung an ein wahrnehmendes Subjekt unaufdringlich, aber doch unverkennbar angezeigt wird, zeugen sie stets von der Präsenz eines menschlichen Betrachters der Natur.

Wolken, Nebel, Licht und Farbenspiel

Um 1830 verwendet Friedrich in einem Text mit dem Titel Äußerungen bei Betrachtung einer Sammlung von Gemählden ein Wort, das erst kurz zuvor in der Kunsttheorie Konturen erhalten hatte: den Begriff der Stimmung. Sein Text zeugt davon, dass er sowohl darüber nachdachte, wie Bilder Stimmungen anregen können, als auch ein Bewusstsein davon hatte, dass die Betrachtung ihrerseits von Stimmungen abhängig ist. Mit dem Stimmungsbegriff erschließt sich ein weiterer Aspekt des Verhältnisses zwischen Mensch und Natur. Denn Stimmungen sind weder allein auf das Subjekt beschränkt noch ausschließlich eine objektive Eigenschaft eines Gegenstands.

Friedrich war ausgesprochen gut gerüstet, um stimmungshafte Qualitäten in seinen Werken zur Geltung zu bringen. Seine Zeichnungen, einige Ölstudien und viele seiner Gemälde führen vor Augen, wie genau und nuanciert er Erscheinungen zu erfassen vermochte, die Stimmungen hervorrufen können: Licht und Schatten, das Farbenspiel des Himmels, Wolken, Nebel und weitere atmosphärische Effekte. Der Künstler scheint verstärkt darüber nachgedacht zu haben, wie sich solche Stimmungen mit sinnträchtigen Bildmotiven, mit Stadtansichten ebenso wie mit Bäumen, Büschen oder Hünengräbern, verknüpfen lassen. In seinen Äußerungen hat Friedrich selbst formuliert, dass es »ein großer Verdienst und vielleicht das größte eines Künstlers« sei, »geistig anzuregen und in dem Beschauer, Gedanken, Gefühle und Empfindungen zu erwecken, und wären sie auch nicht die seinen«. 

Friedrich weiterdenken

Mit seinen einprägsamen Landschaftsdarstellungen verlieh Caspar David Friedrich der romantischen Landschaftsmalerei maßgebliche Impulse. Insbesondere in Dresden, wo er vier Jahrzehnte lebte, wurde sein spezifischer Blick auf die Natur vielfach aufgegriffen. Doch neben den Bezugnahmen auf sein Werk vertraten die ihm nachfolgenden Künstler auch Positionen, die eine wirklichkeitsnahe und weniger bedeutungshaltige Natursicht beförderten. Darin unterscheiden sie sich von Friedrich.

Zu den Künstlern, die sich in den 1820er-Jahren noch eng an Friedrich anschlossen, zählte der Universalgelehrte Carl Gustav Carus. Er verarbeitete in seinem Werk dessen prägende Rückenfiguren und ließ sich auch hinsichtlich der landschaftlichen Inszenierung von dem fünfzehn Jahre älteren Maler inspirieren. Ernst Ferdinand Oehme wurde ebenfalls wesentlich von Friedrichs Kunst beeinflusst, verstand es jedoch auch, mit detaillierten wie ausschnitthaften Kompositionen eigene Akzente zu setzen. Der mit Oehme befreundete Friedrich-Schüler August Heinrich spürte den sichtbaren Dingen auf eine fast schon obsessive Weise nach, um sie mit einer staunenswerten Wirklichkeitstreue umzusetzen. Mit seinen virtuosen Wolkenölskizzen revolutionierte schließlich der in Dresden lebende norwegische Landschaftsmaler Johan Christian Dahl die unmittelbare Wiedergabe des Gesehenen. Während sich Friedrich lediglich kurzzeitig von dieser Technik begeistern ließ, wurde die Ölskizze und -studie zu einem festen Bestandteil des Werkprozesses von Carus und Georg Heinrich Crola.

 

Das Spätwerk

Friedrichs spätes Schaffen zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Bandbreite aus. Dabei griff der Künstler Themen und Motive auf, die ihn in den Jahrzehnten davor immer wieder beschäftigt hatten. Als Folge eines am 26. Juni 1835 erlittenen Schlaganfalls sah sich Friedrich nun gezwungen, immer häufiger vom Malen abzusehen. Stattdessen setzte er verstärkt auf zeichnerische Techniken, womit er gleichsam zu seinen künstlerischen Anfängen zurückkehrte. Zahlreiche auf ein großes Format gebrachte Sepiazeichnungen verdeutlichen seine Ambitionen in diesem Medium.

Zieht sich die Todes- und Vergänglichkeitsthematik wie ein Leitmotiv durch sein gesamtes Werk, so offenbart sie sich in seiner letzten Schaffensphase in auffälliger Verdichtung. Mehrfach behandelte er das Motiv des offenen Grabes auf Friedhöfen, dem er durch verschiedene sinnstiftende Gegenstände eine symbolische Aufladung verlieh. Gebirgsdarstellungen sind ein weiteres Thema, das uns in Friedrichs spätem Schaffen mehrfach begegnet. Auch die Küste blieb für den Künstler ein wichtiger motivischer Bezugspunkt. So fertigte er mehrere Sepiazeichnungen an, die unter Verzicht auf die Wiedergabe von Menschen und Schiffen stille, stimmungsvolle nächtliche Blicke auf die Weite des Meeres präsentieren. Dass sich Friedrich dennoch in der Lage sah, vereinzelt Großformate zu bewältigen, belegt sein Meeresufer im Mondschein (Kat. 197) – eines der letzten, wenn nicht sogar das letzte von ihm geschaffene Gemälde.

Zeitgenössische Bildrezeptionen

Caspar David Friedrichs Werke inspirieren Künstler*innen bis heute. Vor allem Friedrichs Landschaftsbilder, in denen er sich mit dem Individuum und seiner Beziehung zur Natur beschäftigte, ermöglichen eine Fülle von Anknüpfungspunkten für künstlerische Auseinandersetzungen. Diese reichen von konkreten Bildzitaten bis hin zu vollständigen Abstraktionen.

Hiroyuki Masuyama widmet sich Friedrichs Werken auf vielschichtige Weise: Über das Medium der Fotografie fühlt er sich in Friedrichs Bilder an ihren tatsächlichen Entstehungsorten oder vergleichbaren Landschaften ein, um auch mehr über sich selbst zu erfahren. Die daraus resultierenden Fotomontagen überführt er in LED-Leuchtkästen und lässt dabei die Grenzen zwischen Rekonstruktion und Neuschöpfung verschwimmen.

Der Atmosphäre von Friedrichs Naturbildern nähert sich Olafur Eliasson in seinem Colour experiment no. 86 (Kat. 200) auf analytische Weise an: Indem er das Farbspektrum des Eismeers in einen Farbkreis überträgt, untersucht und verdichtet er die Stimmung des ikonischen Bildes in der Abstraktion.

Ulrike Rosenbach erweitert aus einer feministischen Perspektive der 1970er-Jahre und mit Blick auf außereuropäische Kulturen Friedrichs Landschaftsmalerei. In ihrer Performance Die einsame Spaziergängerin (Kat. 205), die auf einer auf dem Boden ausliegenden Reproduktion der Gebirgslandschaft mit Regenbogen stattgefunden hat, reflektiert sie die Suche nach einer Einheit von Mensch und Natur und positioniert sich dabei zur männlich dominierten Kunstwelt.