Anonym, Mittel- oder Oberitalien, 2. Hälfte 16. Jahrhundert
Gottvater als Weltenschöpfer,
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Anonym, Mittel- oder Oberitalien, 2. Hälfte 16. Jahrhundert

Gottvater als Weltenschöpfer,

Anonym, Mittel- oder Oberitalien, 2. Hälfte 16. Jahrhundert

Gottvater als Weltenschöpfer

Die Darstellung des schwebenden Gottvaters ist unverkennbar von Michelangelos Bilderfindung in der Sixtinischen Kapelle in Rom beeinflusst worden. Gleichwohl handelt es sich keineswegs um eine getreue Kopie, sondern um eine eigenständige Anverwandlung. Als wesentlicher Unterschied ist die Ausrichtung des Körpers auszumachen, denn im Gegensatz zur Lösung in der Sixtina ist Gottvater hier eindeutig auf die Welt unterhalb von ihm ausgerichtet. Zudem ist der Zeigegestus Michelangelos hier mit den beiden leicht gespreizten Fingern stärker einem Segensgestus angenähert. Denkbar ist auch, dass Raffaels Komposition von Gottvater in den Loggien anregend wirkte. Dort findet sich der stärker nach unten gewandte Blick. Für Carel van Tuyll ist es vorstellbar, dass das Hamburger Blatt aufgrund der präzisen Ausführung ohne deutlich erkennbare Pentimenti eine Kopie darstellt.(Anm.1) Allerdings ließ sich bislang kein exaktes Vorbild ausmachen. Ähnliche Lösungen finden sich relativ häufig in der venezianischen Kunst des 16. Jahrhunderts, so bei Palma il Giovane oder Tintoretto. Carel van Tuyll zog eine Entstehung im Kreis um Giorgio Vasari, möglicherweise nach einer Komposition des Meisters in Betracht.(Anm.2) Kompositorisch gut vergleichbar wäre die Darstellung Gottvaters auf dem Gemälde „Madonna mit dem Christuskind und sechs Heiligen“ in Arezzo.(Anm.3)

David Klemm

1 Briefliche Mitteilung, 15.11.2006.
2 Ebd.
3 Arezzo, Museo Statale di Arte Medievale e Moderna, Depositi, in: Giorgio Vasari. Principi, letterati e artisti nelle carte di Giorgio Vasari, pittura vasariana dal 1532 al 1554, Ausst.-Kat. Arezzo, Casa Vasari, Sottochiesa di S. Francesco, Florenz 1981, Abb. 244. Auf dem Gemälde erscheint Gottvater seitenverkehrt.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Oben rechts bezeichnet: "Si" (Feder in Braun); auf dem Verso in der Mitte Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1233); unten rechts bezeichnet: "Michelangelo Buonarotte (Voute de la Chapelle Sistine) Rome." (Bleistift)

Provenienz

Ludwig Hermann Philippi (1848-1908), Hamburg (L. 1335); Legat Philippi an die Hamburger Kunsthalle 1908

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.401, Nr.610