Anonym (niederländisch, 17. Jh.) Daniël Schellinks, ehemals zugeschrieben
Das "Belvedere" bei Nimwegen,
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Anonym (niederländisch, 17. Jh.) Daniël Schellinks, ehemals zugeschrieben

Das "Belvedere" bei Nimwegen,

Anonym (niederländisch, 17. Jh.) Daniël Schellinks, ehemals zugeschrieben

Das "Belvedere" bei Nimwegen

Die topographische Bestimmung der Landschaft geht zurück auf eine undatierte Kartonnotiz von Frits Lugt: Aufgenommen vom Valkhof, fällt der Blick auf den sogenannten „Hoenderturm“ der Stadt Nimwegen, dem Alexander Farnese 1585 den Beinamen „Belvedere“ gab und der 1646/49 seine markante Brüstung erhielt.(Anm.1) Hier ist der bauliche Zustand vor der Eroberung durch die Franzosen 1672/73 wiedergegeben, gut zu erkennen an dem noch fehlenden Zeltdach.(Anm.2) Das links auf der unteren Brüstung angebrachte Ecktürmchen wurde um 1700 entfernt.(Anm.3) Aus diesen Daten ergibt sich ein zeitlicher Ansatz zwischen 1672/73 und 1700 – vorausgesetzt, es handelt sich um eine vor Ort aufgenommene Studie und nicht um die Kopie nach einem älteren Blatt.
Vermutlich aufgrund des verwandten Motivs wurde das Blatt von Harzen im Anschluss an Inv.-Nrn. 22501 und 22502 Daniël Schellinks zugeschrieben. Dem stehen stilistische Unterschiede zu den wenigen Schellinks zugewiesenen Zeichnungen entgegen, es sei denn, man erklärt die auffallend breite, flüchtige Handschrift durch abweichende Funktion („Naturstudie vs. autonome Zeichnung“).(Anm.4)
Ein zeitlich späterer Ansatz des Blattes wurde von Robert-Jan te Rijdt vertreten, der es versuchsweise mit dem in Nimwegen tätigen Waffenhändler und Stecher Mattheus Berckenboom (1667–1722) in Verbindung brachte.(Anm.5) Zu einigen Zeichnungen dieses Künstlers finden sich in der Tat stilistische Bezüge,(Anm.6) doch sprächen die Lebensdaten gegen eine Entstehung vor Ort. Gerade dies wäre jedoch schwer zu akzeptieren mit Blick auf die flüchtige Ausführung und die „Blindzone“ im rechten Vordergrund, die als typische Merkmale einer Aufnahme ‘in situ’ interpretiert werden sollten, ungeachtet der dramatisch übersteigerten Höhenunterschiede.(Anm.7) Auch der eher nachlässige Umgang mit dieser Zeichnung, wie er durch die zweifache Faltung dokumentiert wird, ginge mit einer Funktion als Vor-Ort-Aufnahme konform.
Kürzlich wies G. Th. M. Lemmens auf die stilistische Nähe zu einigen gezeichneten Valkhof-Ansichten, die – unter Vorbehalt – dem wenig bekannten J. Honig (tätig zwischen 1600 und 1699) zugeschrieben werden.(Anm.8) Sie wirken disziplinierter in der Architekturwiedergabe, stehen aber in der unruhigen Gestaltung von Gelände und Vegetation unserem Blatt so nahe, dass mindestens von einer Entstehung im 17. Jahrhundert ausgegangen werden sollte.

Annemarie Stefes

1 Vgl. Holländische Zeichnungen der Rembrandt-Zeit, ausgewählt aus öffentlichen und privaten Sammlungen in den Niederlanden, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1961, Nr. 100 zu einer Darstellung des „Belvedere“ von Lambert Doomer in Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1888-A-1600; vgl. auch Wolfgang Schulz: Lambert Doomer. Sämtliche Zeichnungen, hrsg. von Matthias Winner, Disegno. Studien zur Geschichte der Europäischen Handzeichnungen, 2 Bde., Berlin 1974, Nr. 179 und 181–182.
2 Darauf verwies G. Th. M. Lemmens in einer mündlichen Mitteilung an Robert-Jan te Rijdt 2009; vgl. Darstellungen des „Belvedere“ aus der Zeit nach 1672, z. B. Adam Frans van der Meulen, Paris, Collection Manufactures de Gobelins, 1672/73, G. Th. M. Lemmens, Het Valkhof te Nijmegen, Nijmegen 1980, Abb. S. 165, oder Josua de Grave, 1679, Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1888-A-1611, ebd. Abb. 40.
3 Mitteilung von Robert-Jan te Rijdt, 30. 12. 2009.
4 Vorgeschlagen von der Autorin und Stijn Alsteens auf dem Symposium „Niederländische Altmeisterzeichnungen 1500 bis 1800“ am 21. und 22. 2. 2008 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle.
5 Mitteilung vom 24. 10. 2009.
6 Z. B. Nimwegen, Gemeente Nimwegen, Inv.-Nr. XV C 3d, Lemmens 1980, Nr. 50; vgl. die ebd. abgebildeten Radierungen Berckenbooms, Nr. 51 a, 52 a.
7 Diese Eigenschaften veranlassten Harzen zu seiner Fehlinterpretation des Motivs als „Rheinlandschaft mit der Burg Stolzenfels“.
8 Siehe Anm. 2; Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts, Sammlung De Grez, Inv. Nr. 4060/1626, Inv. Nr. 4060/1615, Inv. Nr. 4060/1618, Inv. Nr. 4060/1624, Lemmens 1980, Nr. 19*–22*. Im Dossier zu diesen Zeichnungen ist eine Alternativzuschreibung an den holländischen Künstler Michiel van Overbeek (tätig um 1663–1709) erwähnt. Für diese Informationen danke ich Jana Teuscher, Brüssel (E-Mail, 7. 5. 2010).

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso auf dem Kaschierkarton unten links: "Daniel Schellincx f. Burg Stolzenfels? 13.9 7.5" (Bleistift, 19. Jh.?); unten Mitte Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

Wasserzeichen / Kettenlinien

nicht feststellbar
nicht feststellbar

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (NH Ad:01:02, fol. 61: "Daniel Schellincx Rheinlandschaft mit unermesslicher Aussicht, von der Höhe des Berges gesehen, auf dessen Abhang die Burg Stolzenfels aus einem Walde emporragt. Kreide und Seppia. 13.6.7.5."; NH Ad: 02: 01, S. 299); Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog II van Musscher - Zegelaar, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.666-667, Nr.1275