Philips Wouwerman, Werkstatt
Jagdszene vor der Ruine von Rijnsburg,
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Philips Wouwerman, Werkstatt

Jagdszene vor der Ruine von Rijnsburg,

Philips Wouwerman, Werkstatt

Jagdszene vor der Ruine von Rijnsburg

Harzen erwarb diese Zeichnung aus der Sammlung des Dirk Versteegh – vielleicht sogar noch zu dessen Lebzeiten. Versteegh wird im Harzen-Inventar auch als Urheber des zusammen mit der Zeichnung montierten Kommentars genannt. Dieses Schriftstück, das sich ursprünglich wohl auf dem alten Untersatzbogen befand, beschreibt die Zeichnung als eigenhändige Skizze Wouwermans und weist auf ein heute im Rijksmuseum verwahrtes Gemälde aus der Zeit um 1650/60, das sich erst in der Sammlung des Antwerpener Bürgermeister Wellens, anschließend im Besitz der Witwe Lormier in Den Haag befand.(Anm.1)
Wenn Versteegh tatsächlich den für die Provenienz des Bildes aufschlussreichen Text verfasste, muss dies in jungen Jahren geschehen sein:(Anm.2) Die Sammlung der Witwe Lormier wurde 1763 versteigert (Lugt, Ventes 1307); erst 1777 – Versteegh war zu diesem Zeitpunkt 26 Jahre alt – war das Bild wieder nachzuweisen auf der Amsterdamer Nachlassauktion des Nicolaas Nieuhoff (Lugt Ventes 2673).(Anm.3) Letztgenannter bleibt in der Hamburger Notiz unberücksichtigt, so dass man unabhängig von der Urheberfrage davon ausgehen kann, dass sie vor 1777 geschrieben wurde.
Darüber hinaus gibt die Beischrift wichtige Hinweise über die Funktion unserer Zeichnung. Diese wird als Skizze beschrieben, wie sie Wouwerman üblicherweise in einem Brief nach Antwerpen zu dem „alten P. van Bloemen“ gesandt hätte, um sie von diesem malen zu lassen. Dass das Blatt tatsächlich per Brief versandt wurde, geht aus der mehrfachen Faltung des Papiers hervor. Mit dem „den ouden P: van Bloemen“ ist allerdings wohl nicht Pieter van Bloemen gemeint, der erst sechs Jahre nach Wouwermans Tod als Meister in die Antwerpener Gilde aufgenommen wurde, sondern Peeter van Bredael (1629–1719), auch „oude Breda“ genannt, Stammvater einer Antwerpener Künstlerfamilie, der in der Tat Werke Wouwermans kopiert haben soll.(Anm.4) In diesem Fall wäre mit Blick auf die einander überschneidenden Lebensdaten sogar die direkte Beteiligung Wouwermans denkbar.(Anm.5)
In jedem Fall handelt es sich bei dem Hamburger Blatt um eine leicht variierende Nachzeichnung des Amsterdamer Gemäldes. Die Motive des Bildes sind sorgfältig, aber nicht ohne Schwung zu Papier gebracht. Von einer vorlagengetreuen Kopie unterscheidet sich die eigenständigere Interpretation, wie sie in Abweichungen von der gemalten Fassung zum Ausdruck kommt: In der Positionierung einzelner Figuren,(Anm.6) oder dem auf unserem Blatt etwas weiter nach rechts verschobenen Refektorium der als Bildmotiv ausgesprochen beliebten Ruine der Abtei von Rijnsburg.(Anm.7)
Mit einer Funktion als Nachzeichnung geht letztlich auch das um 1668 datierende Wasserzeichen konform. In der Funktion finden sich zudem Parallelen zu drei eigenhändigen Gemäldericordi, die früher ebenfalls zusammengefaltet waren, vermutlich um an Kunden des Künstlers geschickt zu werden.(Anm.8) Ein stilistischer Bezug zu diesen Blättern besteht jedoch nicht, und auch Birgit Schumacher bemängelte zu Recht die für eine Wouwerman-Zeichnung zu freie Ausführung des Hamburger Blattes.(Anm.9) Aus diesem Grund soll die Frage nach Eigenhändigkeit oder Werkstattbeteiligung zugunsten der Werkstatt beantwortet werden.(Anm.10)

Annemarie Stefes

1 „Hirschjagd“, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. SK-A-480, Birgit Schumacher: Philips Wouwerman (1619-1668). The Horse Painter of the Golden Age. 2 Bde., Doornspijk 2006, Nr. A 147, mit 280 x 340 mm nur unwesentlich größer als das Hamburger Blatt. Ausgehend von dem Hamburger Beiblatt konnte Gerdien Wuestman den hier erwähnten „Bürgermeister Wellens“ mit Peeter Antoon Wellens identifizieren, der in den 1730/40er Jahren als Bürgermeister Antwerpens fungierte, Manuskript des voraussichtlich 2011 erscheinenden zweiten Teils der Bestandskatalogs des Amsterdamer Rijksmuseums, Dutch Paintings of the seventeenth century, Artists born between 1600 and 1620. – Die Datierung des Bildes basiert auf der hier dargestellten Ruine der Abtei Rijnsburg, die im Zustand der Jahre 1650–60 wiedergegeben ist, vgl. Jaap Bolten: Inleiding: De uitbeelding van de ruïne van Rijnsburg in de 17de en 18de eeuw, in: Delineavit et Sculpsit 13, 1994, S. 7-16, S. 11.
2 Der Vergleich mit einem Brief Versteeghs aus dem Jahre 1818 (in Kopie zur Verfügung gestellt durch Robert-Jan te Rijdt) könnte diese Vermutung grundsätzlich stützen; Abweichungen in der Schreibweise der Kapitalen wären durch die zeitliche Differenz zu erklären.
3 Ab 1808 befand es sich bereits im Besitz des Rijksmuseums; die Provenienzangaben folgen dem in Anm. 1 zitierten Katalogeintrag von Gerdien Wuestman.
4 Vgl. Kathrin Bürger: Über Einflus und Nachwirkung von Philips Wouwerman, in: Philips Wouwerman 1619-1668, Ausst.-Kat. Kassel/Den Haag 2009, S. 42-52, S. 45; später, im frühen 18. Jahrhundert, schufen die Enkel Pieter van Bredaels im Auftrag von Kunsthändlern zahlreiche Kopien nach Wouwerman, vgl. ebd. S. 44. Dazu zählte auch eine im Detail abweichende Kopie nach dem Gemälde im Rijksmuseum, Aukt.-Kat. Wien, Dorotheum, 12. 3. 1998, Nr. 323, worauf Gerdien Wuestman in dem unter Anm. 1 zitierten Katalogmanuskript verweist.
5 Anders als bei Kathrin Bürger: Über Einflus und Nachwirkung von Philips Wouwerman, in: Philips Wouwerman 1619-1668, Ausst.-Kat. Kassel/Den Haag 2009, S. 42-52, S. 43–44 beschrieben, die die Aktivitäten der Van Bredaels und anderer Nachahmer maßgeblich auf Initiative flämischer Kunsthändler zurückführte.
6 Der Fischer im Wasser ist in den Vordergrund gerückt, der auf dem Gemälde vom rechten Rand heraneilende Läufer ist weiter von dem Reiter entfernt und dabei vom rechten Blattrand beschnitten – nur Hand und Stab sind zu erkennen sowie der ihn begleitende Hund.
7 Zu der Popularität des im Zuge der niederländisch-spanischen Auseinandersetzungen 1572 zerstörten Klosters vgl. Jaap Bolten: Inleiding: De uitbeelding van de ruïne van Rijnsburg in de 17de en 18de eeuw, in: Delineavit et Sculpsit 13, 1994, S. 7-16.
8 Amsterdams Historisch Museum, Inv.-Nr. TA 10388, Ben Broos, Marijn Schapelhouman: Nederlandse Tekenaars geboren tussen 1600 en 1660, Oude tekeningen in het bezit van het Amsterdams Historisch Museum, waaronder de collectie Fodor, Bd. 4, Amsterdam/Zwolle 1993, Nr. 182; London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1854,0628.6; Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 23159, vgl. Frederik J. Duparc: Leben und Werk von Philips Wouwerman, in: Philips Wouwerman 1619-1668, Ausst.-Kat. Kassel, Den Haag 2009, S. 16-41, S. 39–40, Abb. 32–34.
9 Birgit Schumacher: Philips Wouwerman (1619-1668). The Horse Painter of the Golden Age. 2 Bde., Doornspijk 2006, S. 228.
10 Zu der vermutlich großen Wouwerman-Werkstatt vgl. Kathrin Bürger: Über Einflus und Nachwirkung von Philips Wouwerman, in: Philips Wouwerman 1619-1668, Ausst.-Kat. Kassel/Den Haag 2009, S. 42-52, S. 42–43. – Eine in den auffällig kleinteiligen Kringelstrukturen verwandte Zeichnung in Edinburgh wird heute Barent Gael zugeschrieben, National Gallery of Scotland, Inv.-Nr. D 1295, Keith Andrews: Catalogue of Netherlandish Drawings in the National Gallery of Scotland, 2 Bde., Edinburgh 1985, Bd. 1, S. 30.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Verso auf dem Kaschierpapier unten links L. 1328; bez. auf altem Untersatzbogen (von der Hand des Dirk Versteegh?): "Een Schets van Ph.p Wouwerman zo als hy gewoon / was dezelve in een brief te zenden aan den ouden P: van / Bloemen te Antwerpen, ten einde de ordonnantie beha= / gende, daar na te schilderen. - Het Schildery van deze / Schets beruste eertyds by den Heer Burgem.r Wellens / te Antwerpen en naderhand in't Cabinet van Mevrouw / de Wed.e L'Ormier in't Hage." (Feder in Braun)

Wasserzeichen / Kettenlinien

Jagdhornwappen, ähnlich Heawood 2725 (Leiden 1668), aber unklar durch Kaschierung
ca. 21 mm (h) oder ca. 31 mm (h) (unklar durch Kaschierung)

Provenienz

Dirk Versteegh (1751-1822), Amsterdam; nicht nachzuweisen auf dessen Auktion, Amsterdam 1823 (Lugt, Ventes 10531); Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (NH Ad:01:02, fol. 80: "[Philipp Wouvermans.] Offene Landschaft mit einer Ruine auf einem Hügel im Mittelgrunde; im Vorgrund rechts wird ein Hirsch von Jägern erlegt, links {sucht} ein Wasserfall über den ein Steg führt. {Eben...} Entwurf in Röthel. 11.0.6.6. Samml. Versteegh. Von der Hand jenes Besitzers ist auf dem Untersatzbogen folgende Notiz unterlegt. [...] das fragliche Bilde befindet sich gegenwärtig im Museum zu Amsterdam"; NH Ad: 02: 01, S. 277: "... In der selben Größe gemalt"); Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog II van Musscher - Zegelaar, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.638-639, Nr.1220

Birgit Schumacher: Philips Wouwerman (1619-1668). The Horse Painter of the Golden Age. Text, Bd. 1, 2 Bde, Doornspijk 2006, S.228, bei A147

Erik P. Löffler: De ruïne van de abdij te Rijnsburg in fantasiegezichten, in: Genootschap Oud Rijnsburg, Jaarboekje 2000,, S.j, Abb.2

Jaap Bolten: Inleiding: De uitbeelding van de ruïne van Rijnsburg in de 17de en 18de eeuw, in: Delineavit et Sculpsit 13, 1994, S. 7-16, S.11 mit Abb.