Kapitel der Ausstellung

Flandrische und Wallonische Motive

Rops unternahm gemeinsam mit dem Fotografen Nadar 1857 eine Reise an die belgische Küste nach Ostende. Hier, bei Blankenberghe, sowie in der Umgebung seines Geburtsortes Namur entdeckte er, inspiriert durch den französischen Realisten Gustave Courbet  und die Maler der Schule von Barbizon, abseits seiner sonst bevorzugten erotischen Motive die Arbeitswelt der Bevölkerung als Themengebiet für sein graphisches Werk. Es entstanden in der Zeichnung und der Radierung zahlreiche eindrucksvolle Darstellungen von Fischern, Näherinnen, Wäscherinnen, Milchmädchen, Köchinnen und Landarbeiter*innen, die auch Eingang in seine Ölmalerei fanden.

Frauenbilder

Im Laufe des 19. Jahrhunderts führten Industrialisierung und Urbanisierung zu einem gefühlten Zusammenbruch der alten bürgerlichen Ordnung. Moderne, arbeitende Frauen wurden dafür zu einem Sinnbild. Im Zuge diverser Emanzipationsbewegungen entstandenen auch Ängste, vornehmlich von Männern. Diese führten zu zunehmend starren Geschlechterrollen und dem Mythos der Frau als verführerisches, dämonisch-gefährliches Wesen, der sogenannten Femme fatale. Deren Ziel war vermeintlich die Vernichtung des Mannes und der Gesellschaft mit Hilfe ihrer Sexualität. Auch Krankheiten wie die Syphilis wurden so Frauen angelastet. Dies steigerte sich noch einmal in exotisierenden Darstellungen, die die Frau als sexuell ungezähmtes, animalisches Wesen brandmarkten. Ein sozial akzeptiertes Gegenbild stellte lediglich die gehorsame und still-zufriedene Ehefrau und Mutter dar.

Titelblätter und Illustrationen

Von großer Bedeutung für die Entwicklung von Rops Pariser Motivwelt war seit 1863 die intensive Zusammenarbeit mit dem Verleger Poulet-Malassis. Zum Teil unter Pseudonym radierte Rops zwischen 1864 und 1870 insgesamt 34 Frontispize für den Verleger, die motivisch von erotisch bis explizit sexuell reichen, darunter u. a. zu Alfred Delvaus Dictionnaire érotique (1864). Auch für Pariser Verlage schuf er ungezählte Titelblätter, u. a. zu Les Cousines de la Colonelle von Guy de Maupassant (1881) und zu Le Vice suprême von Joséphin Péladan (1884). Rops benutzte den weiblichen Körper, um den erotischen Inhalten der Literatur Ausdruck zu geben. Er verdichtete dabei die Inhalte zu hochkomplexen Ikonographien voller Anspielungen und Doppeldeutigkeiten.

Gesellschaft, Satire, Bordell

Mit Rops‘ Umzug in die Großstadt Paris rückten Darstellungen von Frauen, besonders der Halbwelt, mehr und mehr in den Mittelpunkt. Da sexuelle Aktivitäten lediglich der Fortpflanzung, nicht aber der sexuellen Erfüllung dienen sollten, wurde Sinnlichkeit verdammt. Ihre Unterdrückung und Tabuisierung führte zu einer um sich greifenden Doppelmoral im Bürgertum. Prostitution, Affären und Geschlechtskrankheiten wie die Syphilis waren in der Folge allgegenwärtig. Mit sexualisierten Darstellungen klar zeitgenössischer Figuren konfrontiert Rops die bürgerliche Gesellschaft mit ihrer eigenen Scheinheiligkeit: Trotz gespieltem Schock und Empörung angesichts seiner expliziten Darstellungen werden sie als Voyeur*innen positioniert, die der eigenen, zu gern totgeschwiegenen Sexualität und den daraus resultierenden Missständen nicht entgehen können.

Diaboliques & Sataniques

Rops illustrierte Jules Barbey d’Aurevillys Sammlung von Kurzgeschichten namens Diaboliques zwischen 1883 und 1886. Die Kurzgeschichten und deren Illustrationen verbindet, dass sie Grenzen überschreiten und damit gesellschaftliche Ängste abbilden. Rops‘ eigenständiges Projekt der Sataniques beginnt denn auch mit einem riesenhaften Satan, der Frauen als Unkraut in das nächtliche Paris sät. Frauen, Erotik und Tod verquicken sich in Rops‘ Darstellungen des Satanismus zu einer Einheit. In den hochsexualisierten, objektifizierenden Darstellungen lässt sich eine Schwarze Messe verfolgen, in der eine Frau (als Stellvertreterin für alle Frauen) mit dem Teufel in Bunde tritt. In der Umkehrung und Sexualisierung christlicher Symbolik findet sich Kritik an der Doppelmoral und Dekadenz von Kirche und Gesellschaft, während gleichzeitig die Frau als Wurzel allen Übels gezeichnet wird.