Philipp Otto Runge
Kopf des Achill im Profil nach links, 1801
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Philipp Otto Runge

Kopf des Achill im Profil nach links, 1801

Philipp Otto Runge

Kopf des Achill im Profil nach links, 1801

Berefelt hatte neben Anregungen von Flaxman und David für die Ausgestaltung des Helmes vor allem auf Tischbeins Radierung „Sieben Helden“ verwiesen, die als fünftes Blatt in dessen „Homer nach Antiken gezeichnet“ 1801 erschienen waren. Deutlich ist dieser konkrete Bezug allerdings erst in Achills Helmzier auf Inv. Nr. 34227 und den folgenden Entwürfen (Inv. Nr. 34229-34231), weshalb Traeger das Vorbild für Inv. Nr. 34226 im Kopf des „Ares Borghese“ vermutete, von dem Runge die Helmdetails übernommen hat. Tatsächlich geht Runges Zeichnung auf eine Büste des „Ares Borghese“ zurück, die sich seit etwa 1725 in den königlichen Skulpturensammlungen in Dresden befand (Anm. 1); die darauf auf Visier und Helm befindlichen Greifen deutete Runge auf seiner Zeichnung nur skizzenhaft an, doch erweist vor allem der den Helm bekrönende, in der Dresdner Fassung beschädigte Löwe, den Runge auf seinem Blatt übernimmt, dass das Vorbild aus der Dresdner Sammlung stammt.
Von Tischbein existieren auch Kopien nach dem „Ares Borghese“ (Anm. 2), die er in einem Kopf für Achill weiterverarbeitete (Anm. 3); insofern ist Berefelts Hinweis auf Tischbein nicht ohne Belang, weil beide Künstler Ares zu Achill umdeuteten. Die Tatsache, dass Runge in seinen frühen Entwürfen zu „Achill und Skamandros“ zunächst den Helm Achills mit einem Löwen nach dem Dresdener „Ares Borghese“ schmückt, danach aber durch die Sphinx ersetzt, erweist, dass Tischbeins 1801 erschienene Radierung Runges Planwechsel ausgelöst haben muss.
In der strengen Profilansicht dürfte das Blatt in unmittelbarem Zusammenhang mit Inv. Nr. 34224 entstanden sein (Anm. 4); auf einem anderen Blatt, das stilistisch den Studien nach dem Dresdner Diskobol entspricht (vgl. Inv. Nr. 1938-69, und Inv. Nr. 34256) hat Runge den Kopf nahezu frontal erfasst (Anm. 5).
Auf der Versoseite befindet sich die Studie eines rechten Beines (Anm. 6) von vorne; es handelt sich um eine Studie zum „Achill“, der von vorne gesehen ist, wie es Runge im Brief vom 7. August an Daniel angekündigt hatte (vgl. Inv. Nr. 34227). Achills Schrittstellung entspricht bereits nahezu den weiteren Fassungen des Themas; das Blatt dürfte ähnlich wie Inv. Nr. 34229 verso die Stellung Achills unter dem Gesichtspunkt der korrekten Anatomie erproben.

Peter Prange

1 Büste des „Ares Borghese“, Marmor, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Skulpturensammlung, Inv. Nr. Hm 091, vgl. auch Traeger 1975, S. 312, bei Nr. 200. Vgl. auch Wilhelm Gottlieb Becker: Augusteum ou description des monuments antiques qui se trouve a Dresden , Tome premier, Leipzig 1804, Taf. 35, und Katalog der antiken Bildwerke I. Idealskulptur der römischen Kaiserzeit 1, Skulpturensammlung Staatliche Kunstsammlungen Dresden, hrsg. von Kordelia Knoll, Christiane Vorster, Moritz Woelk, München 2011, S. 512-518, Nr. 113, Abb.
2 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, Ares Borghese, Pinsel in Braun, weiß gehöht, 323 x 199 mm, Landesmuseum Oldenburg, Inv. Nr. 15.000/2.098; Kopf des „Ares Borghese“, Kohle, 348 x 212 mm, Landesmuseum Oldenburg, Inv. Nr. 15.277, vgl. Wiedergeburt griechischer Götter und Helden. Homer in der Kunst der Goethezeit, Ausst.-Kat. Winkelmann-Museum Stendal, Mainz 1999, S. 116-117, Nr. IV.7, Abb., und Nr. IV.8, Abb.
3 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, Kopf des Achilleus, Feder in Braun, Aquarell, 482 x 346 mm, Landesmuseum Oldenburg, Inv. Nr. 15.296, vgl. Wiedergeburt 1999, S. 117, Nr. IV.9, Abb.
4 Für Jacobs 2000, S. 39, Anm. 58, steht das Blatt an erster Stelle in der Chronologie der Zeichnungen zu „Achill und Skamandros“.
5 Kopf des Achill, schwarze Kreide, 482 x 367 mm, Privatbesitz, vgl. Traeger 1975, S. 312, Nr. 200, Abb. Das Blatt wird von Vagt Hardorff zugeschrieben, vgl. Cornelia Vagt: Gerdt Hardorff d. Ä. und sein Werk. Monographie und Katalog, Diss. Univ. Kiel 1984, S. 112-114, und S. 282, Nr. 271.
6 Traeger 1975, S. 312, Nr. 199, bezeichnet es als „linkes“ Bein

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Rechts in der Mitte am Rand von der Hand Daniel Runges bezeichnet und datiert: "Von P O Runge 1801." (Feder in Grau); oben in der Mitte am Rand nummeriert: "N. 495. i, 8" (Bleistift; Inv.-Nr. des Kunstvereins in Hamburg; auf dem Verso rechts unten nummeriert: "3600" (Bleistift; Inv.-Nr. des Lichtwark-Inventars)

Verso

Titel verso: Rechtes männliches Bein

Technik verso: Schwarze Kreide

Provenienz

Nachlass des Künstlers; ab 1810 im Besitz des Bruders Johann Daniel Runge (1767-1856), Hamburg; nach dessen Tod am 12. 3. 1856 im Besitz der Witwe Philipp Otto Runges, Pauline Runge (1785-1881), geb. Bassenge; als deren Geschenk an den Kunstverein in Hamburg, 30. 4. 1856 (Hamburger Kunsthalle, Archiv des Kupferstichkabinetts, Archiv Nr. 307, Catalog der Sammlung des Kunst-Vereins in Hamburg, S. 106, Nr. 495 i 1/9: "9 Bt. Achilles und Skamandros. Dresden 1801. ... 7/8, Studie dazu, Tusche, Kreide, fol."); Geschenk des Kunstvereins in Hamburg an das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, 1891

Bibliographie

Stephanie Jacobs: Auf der Suche nach einer neuen Kunst. Konzepte der Moderne im 19. Jahrhundert. Runge - Goethe, Grandville - Delord, Schwind - Mörike, Manet - Mallarmé, Weimar 2000, zugl. Berlin, Univ., Diss. 1998, S.39, Anm. 58

Susanne Strasser-Klotz: Runge und Ossian. Kunst, Literatur, Farbenlehre, Diss., Regensburg 1995 (http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?idn=975068997&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=975068997.pdf), S.168, 114 (Anhang)

Hermann Mildenberger: J. H. W. Tischbein - Philipp Otto Runge - Friedrich Overbeck. Apekte des künstlerischen Austauschs, in: Jahrbuch des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums Schloss Gottorf 1, 1986-87, Neumünster 1988, S. 31-87, S.43-44, Abb.17 auf S. 43

Jörg Traeger: Philipp Otto Runge und sein Werk. Monographie und kritischer Katalog, München 1975, S.119, 312, Nr.199, Abb.

Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, hrsg. von Hamburger Kunsthalle und Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Bd. 19, 1974, S.13-36

Jörg Traeger: Gerdt Hardorff, ein früher Lehrer Runges, in: Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen 18, Hamburg 1973, S. 125-154, S.137, Anm. 44

Gunnar Berefelt: Philipp Otto Runge zwischen Aufbruch und Opposition 1777-1802, Stockholm Studies in History of Art, Bd. 7, Stockholm 1961, S.230, 233, Anm. 5, Abb.151

Gustav Pauli: Philipp Otto Runges Zeichnungen und Scherenschnitte in der Kunsthalle zu Hamburg, Berlin 1916, S.30, Nr.29

Jahresbericht der Kunsthalle zu Hamburg für 1892, Hamburg 1893, S.48