Philipp Otto Runge
Fingal, 1805
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Philipp Otto Runge

Fingal, 1805

Philipp Otto Runge

Fingal, 1805

Das Blatt mit der Darstellung Fingals gehört neben den beiden Blättern mit Ossian (Inv. Nr. 34217) und Oscar (Inv. Nr. 34219) zu den drei von Daniel sogenannten „Charakterbildern“ (Anm. 1), die er Stolberg vor dem 22. März 1805 zur Begutachtung zugesandt hatte (Anm. 2). Dem Brief an Stolberg hatte Runge ein ausführliches Konzept seiner Ausdeutung des Ossian-Dichtung beigegeben, in dem er auch die Bedeutung der drei Helden umriss: „Diese drey Gestalten müßten, damit sie so wie ich es wünschte verstanden würden, dorthin gestellt werden, wo in der Reihefolge der Gedichte die Lieder von Selma vorkommen. Sie sollten nach meiner Meynung die vorhergehenden Gedichte in drey große Abschnitte theilen; so daß bey einer vorzunehmenden Bearbeitung des Ossian’s in dieser Art, da die nachfolgenden Gedichte sich auch wieder in drey Abschnitte theilten, das Ganze in sechs Abtheilungen (Hefte) zerfiele […]. Auf diese Art eingetheilt würden die drey Gestalten am Ende der drey ersten Abtheilungen, in welchen die drey Helden, Vater, Sohn und Enkel, sich erheben, erforderlich seyn. In der zweyten Hälfte werden diese Gestalten aufgelöset, und höher bedeutende, diesen analoge Bilder würden hier die drey lezten Abtheilungen schließen.“ (Anm. 3)
Perthes hatte für die Ausgabe Zeichnungen in der Art Flaxmans gewünscht, nach denen er bereits zuvor Radierungen durch Hardorff hatte anfertigen lassen, die Stolbergs Übersetzungen des Aischylos schmückten (vgl. Inv. Nr. 34222). (Anm. 4) Runge gestaltete seine Darstellungen der Helden zwar als Umrisszeichnungen, löste sich aber von dem Typus, den er durch die Stichpublikationen Tischbeins und Flaxmans in Kopenhagen kennengelernt hatte. Im Gegensatz zu Flaxman ist Runges Linie nicht gleichmäßig, sie ist an- und abschwellend, das Liniengerüst wird durch Binnenzeichnung verlebendigt, wodurch Runge der Flächigkeit Flaxmans und Tischbeins eine Verräumlichchung der Darstellung entgegensetzt. Dem Klassizisten Stolberg missfielen Runges von romantischen Geist erfüllten „Charakterbilder“, weshalb er sich weigerte, sie seiner Ossian-Übersetzung beizugeben, wohl auch in der Befürchtung, Runges Illustrationen gegenüber dem Text ein zu großes Gewicht erhalten (Anm. 5).
In einem Brief an Tieck hat Runge wenig später Fingals Bedeutung näher beschrieben: „Die Hauptbedeutung erhebt sich bloß zu den drey Helden, Fingal, Ossian, und Oscar, ohne sich doch in ihnen allein darstellen zu wollen. Ich habe diese drey zu der Ausgabe als Frontispice gezeichnet: […]. Fingal’s Schild ist die Sonne; er tritt mit dem Fuß auf’s Land, die Rehe fahren aus dem Gebüsch.“ (Anm. 6) Daniel gab zu Runge Beschreibung noch eine Ergänzung: „Fingal hat grade hinter sich die volle Sonne, mit wallenden Strahlen rund um sie her. Oben an dem Speer, den er hebt, steht ein Stern. Seine Kopfbedeckung hat Adlerflügel zur Seite. Das Schwert hängt ihm am leichten Riemen. Sein Gewand, um die Mitte gegürtet, geht ihm nur bis zur Hälfte des Schenkels herab, übrigens Bein und Fuß nackt. (Das Costüm in dieser Art ist durchweg bey ihm und seinen Kriegern beobachtet.) Er ist bärtig. Rehe hüpfen vor ihm nach der Wüste.“ (Anm. 7)
Bei den von Daniel erwähnten Rehen handelt es sich bei dem rechts die Felsklippe herunterspringenden Reh um die Kopie aus einer Radierung Tischbeins, die dieser als Schlußvignette für das dritte Heft seines Stichwerks „Homer nach Antiken gezeichnet“ verwendete (Anm. 8).

Peter Prange

1 Vgl. HS I, S. 357, Nr. 1.
2 Vgl. Brief vom 22. März 1805 an Karl, vgl. Philipp Otto Runge. Briefe in der Urfassung, hrsg. von Karl Friedrich Degner, Berlin 1940, S. 263. Vgl. auch HS I, S. 260.
3 HS I, S. 260 und S. 262.
4 Vgl. HS I, S. 257-258.
5 Zu Stolbergs Ablehnung vgl. HS I, S. 263-264, und Inv. Nr. 34222.
6 Brief vom 29. März 1805 an Tieck, vgl. HS I, S. 259.
7 HS I, S. 259.
8 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, Ein von zwei Hunden verfolgter Rehbock, Radierung, vgl. Andreas Andresen: Die deutschen Maler-Radirer (Peintres-Graveurs) des neunzehnten Jahrhunderts nach ihren Leben und Werken, Bd. II, Leipzig 1872, S. 40, Nr. 57.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso unten links von Daniel Runges Hand bezeichnet und datiert: "Original von Philipp Otto Runge 1804/5" (Feder in Grau; die "4" nachträglich mit schwarzer Kreide durchgestrichen); in der Mitte nummeriert: "No. 495 x 1," (Bleistift); unterhalb davon bezeichnet und nummeriert und datiert: "Fingal 1804/5" (Bleistift); unterhalb davon nummeriert: "3533" (Bleistift; alte Inv.-Nr. des Kunstvereins in Hamburg); rechts unterhalb davon nummeriert: 3" (Bleistift)

Wasserzeichen / Kettenlinien

"J Honig & Zoomen JH & Z."

Provenienz

Nachlass des Künstlers; ab 1810 im Besitz der Witwe Pauline Runge (1785-1881), geb. Bassenge; Geschenk an den Kunstverein in Hamburg, 30. 4. 1856; Geschenk des Kunstvereins in Hamburg an das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, 1891

Bibliographie

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Markus Bertsch: Jenseits der Illustration. Runge als Ossian-Interpret, in: Kosmos Runge. Das Hamburger Symposium, hrsg. von Markus Bertsch, Hubertus Gaßner und Jenns Howoldt, München 2013, S.211, Taf. 36

Kosmos Runge. Der Morgen der Romantik. Katalogteil, hrsg. von Markus Bertsch, Uwe Fleckner, Jenns Howoldt, Andreas Stolzenburg, München 2010, S.304, 394, Nr.230, Abb., Abb.S. 305

Prange, Peter: "...ich weiß nicht, ich muss ihn kennen lernen" im Eutiner Jahrbuch 2010, Abb.S. 108

Thomas Lange: Das bildnerische Denken Philipp Otto Runges, Berlin. München 2010, S.10, 13, 15, 18, 22, 27, 30, 32, 36, 120, 201, Abb.Taf. 1 auf S. 138

Julie Ramos: „Il cherchait à en faire surgir quelque chose qui ne s’y trouvait pas“. De l’iconographie au paysage musical dans les illustrations des Poèmes d’Ossian par Philipp Otto Runge, in: Revue de l'Art 164 2009, S.22-23, Abb. 1

Julie Ramos: Nostalgie de l`unité. Paysage et musique dans la peinture de P. O. Runge et C. D. Friedrich, Rennes 2008, S.71, Abb., Abb.15

Lange, Thomas: Das bildnerische Denken Philipp Otto Runges (1777-1810), München 2006, S.7, 12, 15, 20-21, 25, 34, 38, 41, 47, 172, 247, Abb.1

Inge Grolle: Die Geburt der Romantik aus dem Geist der Klassik. Zur künstelerischen Entwicklug von Philipp Otto Runge, 2004, S.86-87, Abb.S. 86

Thomas Lange: Tischbeins Homer, nach Antiken gezeichnet und Runges Ossian, in: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751-1829). Das Werk des Goethe-Malers zwischen Kunst, Wissenschaft und Alltagskultur Petersberg 2001, S.204-205, Abb. 7

Eberhard Roters: Malerei des 19. Jahrhunderts. Themen und Motive, Bd. 1, 2 Bde, Köln 1998, Abb.S. 168

Susanne Strasser-Klotz: Runge und Ossian. Kunst, Literatur, Farbenlehre, Diss., Regensburg 1995 (http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?idn=975068997&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=975068997.pdf), S.14, 28, 73, 97, 110, 103 (Anhang)

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Jörg Traeger: Philipp Otto Runge und sein Werk. Monographie und kritischer Katalog, München 1975, S.58, 67-71, 74-75, 86, 94, 109, 132, 136, 140, 144, 153, 178, 195, 393, Nr.333, Abb.

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Ossian, Ausst.-Kat. Grand Palais, Paris, Paris 1974, S.62, 64, Nr.56, Abb., Abb.S. 65

Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, hrsg. von Hamburger Kunsthalle und Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Bd. 19, 1974, S.13-36

Deutsche Romantik. Handzeichnungen. Band 2: Johann Friedrich Overbeck (1798-1869) bis Christian Xeller (1784-1872), hrsg. von Marianne Bernhard, München 1973, S.1991, Abb.S. 1554

Gunnar Berefelt: Philipp Otto Runge zwischen Aufbruch und Opposition 1777-1802, Stockholm Studies in History of Art, Bd. 7, Stockholm 1961, S.171, 205, Anm. 8

Philipp Otto Runge 23. Juli 1777 Wolgast - 2. Dezember Hamburg 1810. Zeichnungen und Scherenschnitte. Gedächtnis-Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle aus Anlaß der 150. Wiederkehr seines Todestages, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1960, S.18, Nr.105

Christian Adolf Isermeyer: Philipp Otto Runge, Die Kunstbücher des Volkes, Bd. 32, Berlin 1940, S.128

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Gustav Pauli: Philipp Otto Runges Zeichnungen und Scherenschnitte in der Kunsthalle zu Hamburg, Berlin 1916, S.40, Nr.103

Nagler, Georg Kaspar: Neues allgemeines Künstler-Lexicon, 22 Bde., München 1845, S.51

Philipp Otto Runge: Hinterlassene Schriften, hrsg. von Daniel Runge, Bd. 1, Hamburg 1840 (Reprint: Göttingen 1965), S.258-259, 261