Carl Ferdinand Sprosse
Saal auf der Wartburg, 1840/44
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Carl Ferdinand Sprosse

Saal auf der Wartburg, 1840/44

Carl Ferdinand Sprosse

Saal auf der Wartburg, 1840/44

Diese noch unveröffentlichte und undatierte Zeichnung stellt den Küchenraum im Landgrafenhaus der Wartburg auf der Ostseite dar. Sie zeigt einen Innenraum, der mittig durch eine Säule mit romanischem Adlerkapitell sowie links und rechts davon abgehenden Kreuzgratgewölben gegliedert ist. Aufgebrochene Fußbodenplatten, die Ziegel zum Vorschein bringen und der an den Wänden abfallende Putz, unter dem Bruchstein zu sehen ist, weisen auf einen ruinösen Zustand hin. Zwei geöffnete rechteckige Fenster geben den Blick auf einen Baum frei.
Die Zeichnung selbst wurde besonders in den Gewölbearchitekturen und der Fensterwand mit einer starken Bleistiftschraffur unterlegt. Die zum Teil mit dünner Linie gezogenen Architekturformen werden in der Binnenstruktur von zart aquarellierten Farbverläufen in differenzierten Brauntönen gefüllt. Schwarze Schatten fehlen ganz, so dass starke Kontraste zugunsten einer lichtdurchfluteten Räumlichkeit vermieden wurden.
Zu identifizieren ist der Küchenraum an der besonderen Ausführung der Adlerkapitelle: "In der Hofküche haben die Adler an den Ecken des Capitells der Säule, auf der die Kreuzgewölbe ruhen, in ihrer starren Ruhe eine strenger stilisierte Gestalt als die Adler an den übrigen Capitellen des Gebäudes.“ (P. Lehfeldt, G.Voss: Bau-und Kunst-Denkmäler Thüringens, Jena, 1917, S.28)
Kunsthistorisch interessant ist, dass die Wartburg seit den 1840er Jahren mit zahlreichen Um- und Neubauten versehen wurde. Der Architekt Hugo von Ritgen bekam von Großherzog Alexander von Sachsen-Weimar und Eisenach den Restaurierungsauftrag unter drei Gesichtspunkten: Wiederherstellung des ursprünglichen Charakters, Nutzung der Innenräume für eine moderne Hofhaltung und Ausstattung der Burg zu einem Denkmal großer Kulturepochen.
Zu den ersten nachweisbaren Maßnahmen zählte die Umgestaltung des von Sprosse dargestellten Küchenraumes. Dieser Raum hatte im Spätmittelalter durch Vermauerungen rechteckige Fenster erhalten, die auf Architekturzeichnungen aus dem Jahr 1840 noch zu sehen sind. Durch die 1847 abgeschlossene Freilegung kam nun ihre ursprüngliche Rundbogigkeit wieder zum Vorschein.
Gleichzeitig ist dokumentiert, dass von Sprosse nach 1840 zahlreiche Architekturzeichnungen in Ludwig Puttrichs Buch "Denkmale der Baukunst des Mittelalters in den Herzoglich Anhalt` schen Landen" (1841) abgedruckt wurden. Da außerdem biografisch gesichert ist, dass Sprosse sich vom März 1844 bis 1850 in Rom aufhielt, ist es schlüssig, diese Zeichnung in den Zeitraum von 1840 bis 1844 zu datieren.
Diese bestechend präzise wie malerisch athmosphärische Zeichnung stellt ein einmaliges Zeugnis für die Geschichte der Wartburg dar. Die Tatsache, dass sie eines der wenigen Bilddokumente ist, welches Teile der Wartburg vor ihrem Restaurierungszustand festhält, macht diese zu einem historischen Dokument von unschätzbarem Wert. Michaela Hinsch

Details zu diesem Werk

Provenienz

Erworben 1911 von A. Schult, Hamburg, Schmilinskystraße 44 IV

Bibliographie

Peter Prange, Petra Roettig, Andreas Stolzenburg u. a.: Von Runge bis Menzel. 100 Meisterzeichnungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2003, S.150, Nr.70, Abb.S. 151

Peter Prange, Petra Roettig, Andreas Stolzenburg u.a.: Ideas on Paper. 100 Masterdrawings from the collections of the Hamburger Kunsthalle (in griech. Sprache), hrsg. von Marilena Cassimatis, Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Athen, Nationalgalerie 2003, S.74, Nr.25, Abb.