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Helene Schjerfbeck

In Finnland ist sie eine Nationalheldin, in Skandinavien gilt sie als Mythos, in Europa ist sie dagegen weitestgehend unentdeckt. Die Hamburger Kunsthalle widmet nun Helene Schjerfbeck (1862-1946) eine umfassende Retrospektive, die erste große in Europa außerhalb von Skandinavien. Die Ausstellung wird im Anschluss im Gemeentemuseum, Den Haag, und im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris gezeigt. 90 Jahre nach der ersten Einzelausstellung präsentiert die Schau über 120 Ölbilder, Aquarelle und Zeichnungen aus dem umfangreichen Oeuvre der einflussreichen Malerin. Zu sehen sind Selbstportraits, Portraits, Landschaften und Stilleben, die den höchst eigenwilligen Stil Schjerfbecks zeigen und ihre herausragende Stellung in der Moderne offenbaren. Frühe Studienaufenthalte in Paris, Reisen nach Florenz, St. Petersburg, Wien, in die Bretagne und nach England prägten den künstlerischen Weg der früh erfolgreichen Malerin. Für ihr impressionistisch beeinflusstes Werk Die Genesende wurde der damals 27-Jährigen 1889 auf der Weltausstellung in Paris die Bronzemedaille verliehen.

Vom Realismus kommend und impressionistische Einflüsse aufgreifend, löste sich Schjerfbeck mit der Jahrhundertwende bewusst von der Nationalromantik ihrer nordischen Kollegen und ging einen ganz eigenen Weg, der eher internationale Einflüsse erkennen lässt. Sie folgte selbstbewusst einer modernen Auffassung von freiem Farbauftrag und reduzierter Formensprache und nahm in einigen Bildern bereits Momente der Abstraktion vorweg. Als sie 1902 aus Krankheitsgründen ihr weltoffenes Leben aufgeben musste, galt sie bereits als eine der wichtigsten Vertreterinnen einer Generation finnischer Künstlerinnen.

In den folgenden knapp 50 Jahren selbst gewählter Isolation in finnischen Dörfern entwickelte Schjerfbeck einen eigenen expressiven Stil, der in seiner Strenge, Stille und Intensität tief beeindruckt und gleichzeitig Kraft und Sensibilität ausstrahlt. Fern von Historismus und Nationalromantik schilderte die Künstlerin das einfache Leben der Frauen und Kinder. In den Bildern wie Das Schulmädchen, Die Näherin oder Meine Mutter tritt das szenische Umfeld hinter der von einer inneren Kraft getragenen Haltung der Figuren zurück. Schjerfbeck reduzierte das Erzählerische zu einer höchst ausdrucksstarken Formensprache.

Im Mittelpunkt der Retrospektive stehen die Selbstportraits Schjerfbecks, die mit einer Serie von späten, sehr reduzierten Selbstbefragungen ihren Höhepunkt finden. „Wo ich jetzt selten Kraft habe zu malen, habe ich mit einem Selbstportrait begonnen, weil mein Modell dann stets verfügbar ist, nur ist es nicht immer so lustig, sich selber zu sehen“, schreibt die Künstlerin, die Zeit ihres Lebens von Krankheit gezeichnet war, 1921 an eine Freundin. Unerschrocken zeigt hier eine so verletzliche wie starke Frau schonungslos und mit steigender Intensität ihr Altern und schließlich den eigenen körperlichen Verfall.

Die Ausstellung umfasst Leihgaben von finnischen Museen (Ateneum, Helsinki, Finnische Nationalgalerie, City Art Museum, Didrichsen Art Museum, Helsinki, und vielen anderen) und schwedischen Museen (Moderna Museet, Stockholm) sowie von vielen Privatsammlungen besonders aus Finnland und Schweden. So können Werke zusammengetragen werden, die nach Schjerfbecks Tod selbst in Skandinavien noch nicht gezeigt wurden.

Es erscheint ein umfangreicher Ausstellungskatalog, erhältlich als deutsche, englische, holländische und französische Ausgabe zum Preis von 25 Euro. Das Rahmenprogramm bietet zahlreiche Führungen, Gespräche, Workshops, eine Lesung skandinavischer Literatur und ein Konzert mit finnischem Tango: Trio Soledad spielt in der Hamburger Laeiszhalle.

Mit freundlicher Unterstützung durch unseren Medienpartner Brigitte