Archiv

Femme Fatale

Blick – Macht – Gender
John William Waterhouse, Circe offering the cup to Ulysses, 1891, oil on canvas, © Gallery Oldham

Presseinformation

Mit der epochenübergreifenden Ausstellung FEMME FATALE. Blick – Macht – Gender widmet sich die Hamburger Kunsthalle erstmalig dem vielfältig bearbeiteten, schillernden wie klischeebehafteten Vorstellungsbild der Femme fatale. Das Stereotyp der erotisch-verführerischen und begehrenswerten Frau, die Männer in ihren Bann, aber letztendlich auch in ihr Unglück zieht, war lange von männlichen Blickmustern und einem binären Verständnis von Geschlecht geprägt. Im Fokus der Schau stehen die künstlerischen Erscheinungsformen des Themas vom frühen 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Zugleich soll der Mythos in seinen Ursprüngen und Wandlungen kritisch befragt werden: Welche historischen Transformationen und späteren Aneignungsprozesse hat das Vorstellungsbild der Femme fatale durchlaufen? Welche Rolle spielt es heute? Wie verhandeln aktuelle Künstler*innen dessen Blick-, Macht- und Gender-Konstellationen und verändern damit die Perspektive darauf? Um diesen Fragen nachzugehen, versammelt die Ausstellung medienübergreifend etwa 200 Exponate. Zu sehen sind Gemälde präraffaelitischer Künstler*innen (Evelyn de Morgan, Dante Gabriel Rossetti, John William Waterhouse) ebenso wie Werke des Symbolismus (Fernand Khnopff, Gustave Moreau, Franz von Stuck), des Impressionismus (Lovis Corinth, Max Liebermann), des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit (Dodo, Oskar Kokoschka, Jeanne Mammen, Edvard Munch, Gerda Wegener). Mit Positionen der frühen feministischen Avantgarde (VALIE EXPORT, Birgit Jürgenssen, Maria Lassnig, Betty Tompkins) sowie aktuellen Arbeiten mit intersektionalen und (queer-)feministischen Ansätzen (Jenevieve Aken – Fellow der Philipp Otto Runge Stiftung – Nan Goldin, Mickalene Thomas, Zandile Tshabalala) wird der Bogen in die Gegenwart geschlagen. Zu den Gemälden, Zeichnungen, Druckgrafiken, Fotografien, Skulpturen, Installationen und Videoarbeiten zählt eine Fülle hochrangiger internationaler Leihgaben ebenso wie Hauptwerke der Hamburger Kunsthalle. Highlights sind unter anderem Gustave Moreaus symbolistisches Hauptwerk Ödipus und die Sphinx (1864), Edvard Munchs Gemälde Vampir im Wald (1916–1918), Sonia Boyces vieldiskutierte Videoinstallation Six Acts (2018) sowie Nan Goldins aktuelle Videoarbeiten Sirens (2019–2021) und Salome (2019).

Das »klassische« Bild der Femme fatale speist sich vor allem aus biblischen, mythologischen und literarischen Frauenfiguren (wie Judith, Salome, Medusa, Salambo oder die Sirenen), die in der Kunst zwischen 1860 und 1920 als »verhängnisvolle Frauen« vielfältig rezipiert wurden. Zwischen Ideal- und Angstbild changierend, sind die Bilder oftmals geprägt von der Stilisierung ihrer Protagonistinnen und einer gleichzeitigen Dämonisierung weiblicher Sexualität. Dieses Frauenbild wurde um 1900 vermehrt auch auf reale Personen, insbesondere Schauspieler*innen, Tänzer*innen oder Künstler*innen (wie Sarah Bernhardt, Alma Mahler oder Anita Berber) projiziert. Auffallend ist die Gleichzeitigkeit einer voranschreitenden Frauenemanzipation und dem verstärkten Auftreten des Bilds der Femme fatale. Als ein Gegenbild, das Aspekte der Femme fatale subtil aufgreift, nimmt die Ausstellung daher auch das in den 1920er-Jahren aufkommende Ideal der Neuen Frau in den Blick. Ebenso entscheidend ist die Zäsur, die ab den 1960er-Jahren von feministischen Künstler*innen mit ihrer radikalen Dekonstruktion des Mythos – und damit auch den entsprechenden Blickweisen und Bildtraditionen – gesetzt wurde. Aktuelle künstlerische Positionen wiederum widmen sich Fragen nach Genderidentitäten, weiblicher Körperlichkeit und Sexualität ebenso wie der #MeToo-Bewegung und dem male gaze. Sie verhandeln Spuren und Anverwandlungen des Bildes oder etablieren explizite Gegenerzählungen.

Die Ausstellung wird durch ein besonders umfangreiches Vermittlungsprogramm begleitet:

Neben einem diversen Angebot an Führungen inkl. Livestreams von Kurator*innengesprächen gibt es erstmalig ein Chatbot Modul, mit dem Besucher*innen in einen Dialog mit sechs Femme fatale-Figuren aus den Kunstwerken der Ausstellung treten können. Ein textbasiertes Dialogsystem auf Basis künstlicher Intelligenz ermöglicht dabei spielerisch die Vermittlung von Hintergrundgeschichten zu den Werken oder Künstler*innen. Das gemeinsam mit der Stadtteilschule am Hafen entwickelte Modul spricht speziell eine jüngere Zielgruppe an. Ebenso bietet die Hamburger Kunsthalle zum ersten Mal Audiodeskriptionen an. Zu ausgewählten Exponaten werden ergänzend Tastkopien bereitgestellt, die über das Fühlen von Konturen Menschen mit Blindheit und Seheinschränkungen eine zusätzliche Möglichkeit geben, sich die Ausstellung eigenständig zu erschließen. In der App der Hamburger Kunsthalle stehen weitere Audiotouren zur Verfügung: Für Erwachsene in deutscher und in englischer Sprache, für Kinder ab 8 Jahren und in Leichter Sprache (jeweils deutsch). Am 4. Donnerstag jeden Monats widmet sich der Salon fatal als Lesung, Performance, Podiumsdiskussion, Konzert oder Workshop mit wechselnden Gästen gesellschaftsrelevanten Themen wie Sexualität oder der Konstruktion von Schönheitsidealen und knüpft damit an die Inhalte der Ausstellung an. Das Metropolis Kino zeigt in Kooperation mit der Hamburger Kunsthalle eine Filmreihe zum Thema der Femme fatale – von Stummfilmen bis zu aktuellen Produktionen.

Ein kostenloses Begleitheft, das in Zusammenarbeit mit dem MISSY MAGAZINE entstanden ist, eröffnet intersektionale und (queer-)feministische Perspektiven auf die Ausstellung. Zudem wird das Ausstellungsthema in dem begleitenden Katalog (Kerber Verlag), der voraussichtlich Anfang 2023 erscheint, interdisziplinär vertieft. Die Publikation ist zum Preis von 39 Euro im Museumsshop oder über www.freunde-der-kunsthalle.de zum Buchhandelspreis von 50 Euro erhältlich.

 

Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien: »Das Frauenbild der Femme fatale zeigt, wie sehr die Kunstwelt über lange Zeit vom männlichen Blick dominiert war. In diesem Bild vereinten sich über Jahrhunderte Ansichten, die mit dem gegenwärtigen Verständnis von einer freien und gleichberechtigten Gesellschaft wenig zu tun haben. Die Kunsthalle möchte dieses Klischee dekonstruieren, indem sie sich kritisch mit dem Bild der Femme fatale auseinandersetzt und ihm einen feministischen Blick entgegensetzt. Mit dieser Ausstellung und dem vielfältigen Programm unterstreicht die Kunsthalle einmal mehr ihren Anspruch, gesellschaftlich relevante Themen zu behandeln.«

Dr. Ekkehard Nümann, Vorsitzender der Freunde der Kunsthalle e. V.: »Ein hochspannendes Ausstellungsprojekt, das die Freunde der Kunsthalle gerne und mit großer Überzeugung gefördert haben.«

Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung: »Das schillernde sowie klischeebehaftete Bild der Femme fatale in einer Ausstellung zu beleuchten und zu hinterfragen, ist ein spannender sowie progressiver Ansatz. FEMME FATALE regt mit ihren epochalübergreifenden Ausstellungsobjekten zum Nachdenken über wechselnde Frauenbilder und ihre (De)Konstruktion an.«

Vorstand der Philipp Otto Runge Stiftung: »Jenevieve Akens Arbeit The Masked Woman ist eine vielschichtige Aktualisierung der Femme fatale-Figur. In der Serie nutzt sie fotografische Selbstdarstellungen als emanzipatorisches Mittel und schafft zugleich ein Identifikationsangebot für andere. Ihre Inszenierung als – wie sie es nennt – »Super Femme fatale« ist ebenso kritisch wie aneignend und schließt an aktuelle, drängende Diskurse an.«

Gefördert von: Freunde der Kunsthalle e.V., Ernst von Siemens Kunststiftung, Rudolf-August Oetker-Stiftung, Philipp Otto Runge Stiftung, Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg und Herbert-Plumplün-Stiftung

Im Rahmen der Ausstellung wurde von der Hamburger Kunsthalle gemeinsam mit der Wüstenrot Stiftung als Kooperationspartner ein Chatbot für Jugendliche entwickelt.

Verena Krubasik, Leiterin des Themengebiets Kunst und Kultur der Wüstenrot Stiftung: »Erfolgreiche Vermittlung gelingt nur, indem sich kulturelles Erbe mit den Lebenswelten der Menschen heute verbindet. Dazu muss es kritisch transformiert werden und das erfordert Mut zu neuen Wegen! Wir freuen uns sehr über die hervorragende Kooperation mit der Hamburger Kunsthalle, die nicht nur mit einem Chatbot belohnt wurde, sondern auch zur Vielfalt von Lösungsansätzen beiträgt, mit denen kulturelles Erbe neu erlebt werden kann.«

Das Vermittlungsprogramm zur Ausstellung wird maßgeblich gefördert von Fürst Bismarck Quelle.

Annette Kreidler, Leitung Marketing Fürst Bismarck Quelle: »Mit unserer Marke Fürst Bismarck möch­ten wir generations- und gesellschaftsübergreifend kulturelle Bildung fördern. Uns ist wichtig, dass dies nicht rückwärtsgewandt und passiv passiert, sondern dialogfördernd und mit Blick auf aktuell gesell­schaftlich relevante Themen. Deshalb unterstützen wir mit Freude das wegweisende Bildungs- und Ver­mittlungsprogramm zur Ausstellung FEMME FATALE

Kulturpartner: NDR Kultur

Medienpartner: Hamburger Abendblatt, Arte

Mobilitätspartner: MOIA

»Haspa-Galerie«:
Seit vielen Jahren engagiert sich die Hamburger Sparkasse für die Hamburger Kunsthalle. Als Zeichen des Dankes für diese großzügige Unterstützung heißt das 2. Obergeschoss der Galerie der Gegenwart, in der die Ausstellung gezeigt wird, »Haspa-Galerie«.