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Nanne Meyer

Luftblicke

Seit 1997 spielen Wolken in Nanne Meyers umfangreichem zeichnerischen Werk eine besondere Rolle. Sie sind für die Künstlerin eine Metapher des stetig Wandelbaren, das sich in ihren Werken auf phantasievolle und überbordende Weise in immer neuen, überraschenden Formen manifestiert. Die Ausstellung widmet sich daher intensiv dem von ihr auf vielfältige Weise in ihren Zeichnungen gestalteten Thema »Wolken« und dem damit verbundenen Blick vom Himmel auf die Erde.

Zu sehen sind großformatige Zeichnungen von aus dem Flugzeug gesehenen und nach kleinen Skizzen aus der Erinnerung gezeichneten Wolkenformationen. Diese versperren dem Betrachter einerseits den Blick auf die weit darunter liegenden Landschaften, wecken aber andererseits durch die weiten Blicke, die man durch die Wolken hindurch werfen kann, seine Neugier. Die Bandbreite dieser verschiedenen »Luftblicke« reicht von Ansichten traditioneller japanischer Wohnhäuser, die von weißen Wolken regelrecht belagert werden, über bergig anmutende Wolkenlandschaften, deren Duktus der Bleistiftstriche an die eindrückliche Zeichentechnik Vincent van Goghs erinnert. Weiter über von Wolken überlagerte fingierte Karten von Siedlungen, bis hin zu in schräger Aufsicht bei Tag- und Nachtflügen erfassten, panoramaartig angelegten Landschaften. Die verschiedenen Perspektiven überlagern sich gleich dem sich stetig verändernden Blickwinkel des Flugreisenden und verschränken sich kunstvoll ineinander. Die Wolkenformationen, die bei sonnigem, wolkenlosem Himmel selbstverständlich auch abwesend sein können, bieten dem Betrachter eine vermeintliche Möglichkeit der Fixierung von Entfernungen, was aber bekanntermaßen ein Trugschluss ist. Sie machen jedoch vor allem begierig, die durch sie versperrten Gebiete im Geiste zu erkunden.

In weiteren Zeichnungen, die unter dem Titel »Himmel ist Erde« in der Ausstellung präsent sein werden, projiziert Nanne Meyer den blauen Himmel mit seinen weiß bis dunkelgrauen Wolken direkt auf die Erde, in dem sie historische, auf Leinwand aufgezogene Landkarten, vorzugsweise der Schweizer Bergwelt, mit hellblauem Farbstift überzeichnet. Dabei bleiben die auf der Karte verzeichneten Erhebungen teilweise stehen. Auf diese Weise entsteht eine neue, fiktive Topographie, die dem Betrachter reizvolle Ausflüge mit dem Auge erlaubt und ihm in ihrer vermeintlichen Präzision Authentizität vorgaukelt.

Nanne Meyer, die heute in Berlin lebt, wurde 1953 in Hamburg geboren, wo sie zwischen1975 und 1981 an der Hochschule für bildenden Künste studierte. Sie erhielt ab 1982 eine Reihe von Förderungen, u. a. ein DAAD-Stipendium nach London und ein Stipendium an der Villa Massimo in Rom, und ist seit 1994 Professorin an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Seit 1984 hatte Nanne Meyer zahlreiche Einzelausstellungen, u. a. in der Kunsthalle Nürnberg (1989), im Kunstmuseum Bonn (1997), in der Städtische Galerie im Lenbachhaus in München (1998) und zuletzt eine große Retrospektive in der Bremer Kunsthalle (2004). Es sind zahlreiche Publikationen, u. a. auch einige Künstlerbücher, zum Werk Nanne Meyers erschienen.

Zur Ausstellung erscheint ein Künstlerbuch von Nanne Meyer mit dem Titel »Die relative Vermessung der Wolke«, das vom Förderverein des Kupferstichkabinetts »Die Meisterzeichnung. Freunde des Hamburger Kupferstichkabinetts e. V.« anlässlich seines 25jährigen Bestehens ermöglicht wurde (ca. 40 Euro). Die im Buch abgebildeten Zeichnungen sind alle im Jahre 2005 entstanden und bieten einen wunderbaren Überblick zum Motiv der Wolken und des Fliegens in Nanne Meyers Werk.

Ebenfalls erhältlich ist eine Sonderedition des Künstlerbuches in 43 Exemplaren mit je einer handsignierten Zeichnung der Künstlerin (300 Euro).