#MakartNow

Seit Oktober 2020 eröffnete die Hamburger Kunsthalle eine neue Sammlungspräsentation: MAKING HISTORY – Hans Makart und die Salonmalerei des 19. Jahrhunderts. Im Zentrum dieser  Ausstellung steht das größte Gemälde des Museums, Der Einzug Karls V. in Antwerpen (1878) von Hans Makart (1840–1884). Es misst sage und schreibe 50 Quadratmeter und zählt zu den bekanntesten Bildern der Hamburger Kunsthalle. Dabei wurde und wird darüber bis heute kontrovers diskutiert. Das liegt u. a. an der Darstellung der nackten, den Festeinzug des Habsburger Kaisers Karls V. flankierenden jungen Frauen in Antwerpen am 23. September 1520 – ein historisches Ereignis, das in dieser Weise nicht stattgefunden hat.


Ganz offensichtlich war Makart mehr an der provokanten Inszenierung gelegen als an einer verlässlichen Wiedergabe realer Ereignisse. Seine Strategie ging auf: Das Monumentalgemälde gilt seither als eines der Skandalbilder jener Epoche und markiert einen Höhepunkt der Malerei des Historismus. Zugleich kann es auf eine bewegte Ausstellungshistorie zurückblicken: Zuletzt wurde es 2016 sogar hinter einer Wand versteckt. Seither war es nicht mehr zu sehen. Aus all diesen Gründen hat sich der Direktor der Hamburger Kunsthalle, Prof. Dr. Alexander Klar, dafür entschieden, es zusammen mit rund 60 weiteren Gemälden und Skulpturen des 19. Jahrhunderts wieder zu zeigen. 

Nach thematischen Sektionen gegliedert erzählen die versammelten Arbeiten von der Vielschichtigkeit, Widersprüchlichkeit und Verführungskraft in der Kunst jener Zeit. Einige Werke bieten unserem heutigen Blick eine Gratwanderung zwischen Erotik und Sexismus, Teilhabe und Voyeurismus, Fakten und Fantasie, Kitsch und Sozialkritik sowie Nostalgie und Rückwärtsgewandtheit.

Weil wir der Ansicht sind, dass man diese Werke – allen voran Makarts Skandalbild – zeigen soll, wir solche Werke aber angemessen vermitteln und verhandeln wollen, haben wir neben Katalog, App und einem Dokumentarfilm ein besonderes, partizipatives Vermittlungskonzept entwickelt, das unter dem Motto steht: »Hinterfragen Sie Kunst, machen Sie sich selbst ein Bild und teilen Sie Ihre Meinung mit!« Neben den klassischen Bildschildern vor Ort regen in den sozialen Medien platzierte Fragen zum genauen Hinsehen und Hinterfragen der ausgestellten Werke und zur Diskussion an.

Ein analog ausliegendes und zum Download verfügbares Begleitheft greift eben diese Fragen auf und liefert über eine Informationsebene teilweise Antworten. Im Saal liegen die beiden Bücher Makart Damals und Makart Jetzt aus. Sie lassen die ambivalente Rezeption des Makart-Gemäldes von seinen Anfängen bis heute (Makart Damals) nachvollziehen und fordern die Besucher*innen auf, diese aus unserer heutigen Sicht fortzuschreiben (Makart Jetzt). Dazu kann auch der Hashtag #MakartNow in den sozialen Medien genutzt werden.

Wir haben darüber hinaus bekannte Autor*innen, Feminist*innen und Kunsthistoriker*innen wie Dr. Reyhan Şahin aka Lady Bitch Ray, Mirna Funk, Anne Petersen, Prof. Dr. Wolfgang Ullrich und Prof. Dr. Hubertus Kohle sowie unsere Kolleg*innen nach ihrer Meinung gefragt. Schmökern Sie im Folgenden durch eine kleine, aber feine Auswahl und bilden Sie sich auf dieser Grundlage Ihre eigene Meinung! Auch Sie möchten wir gerne um Ihre Beteiligung bitten. Wir suchen weitere Stimmen, die sich zu unserem Makart äußeren. Schreiben Sie hierzu vor Ort in das Buch Makart Jetzt oder nutzten Sie den Hashtag #MakartNow in den sozialen Medien. 

- Wie finden Sie Makarts Monumentalgemälde? 
- Ist es heute wieder skandalös?
- Finden Sie das Gemälde provokativ?
- Finden Sie es sexistisch oder ist dies gar eine rhetorische Frage?
- Sind Fakten genauso wichtig wie Fantasie?
- Wie zeigt sich hier Macht?
- Wie sollten Museen Ihrer Meinung nach mit Werken wie diesem umgehen?

Natürlich können Sie auch völlig frei dazu Bezug nehmen! Wir freuen uns über Ihre Meinung, denn der Makart-Saal, als Auftaktsaal des Rundgangs durch die Museumssammlung, soll in Zukunft alle Besucher*innen sensibilisieren, die ausgestellten Werke ebenso genussvoll wie kritisch zu lesen!

Seit 9. September 2021 startet einmal im Monat am Donnerstag Abend die eine neue Führungsreihe zum Thema #MakartNow geplant, in der Mitarbeiter*innen im Dialog mit Andrea Weniger (Leiterin Bildung & Vermittlung) ihren ganz eigenen Blick auf Makart teilen, weitere Lieblingswerke aus der Sammlung vorstellen und Einblicke in ihre Tätigkeit geben.

Dr. Reyhan Şahin aka Lady Bitch Ray

»Hans Makarts Bild steht im wahrsten Sinne des Wortes für imperialistische, cis männliche Dominanz, und das auf 50 Quadratmetern. Wenn dieses Bild sprechen könnte, hätte es uns vielleicht gesagt: Well I'm Makart Me, I got bitches galore/ You may have a lot of bitches but I got much more wie einst der Rapper Easy E., aber der kam zumindest von unten und kannte es als Gangster-Rapper nicht anders. Was aber wollte der privilegierte Hans Makart mit diesem Bild ausdrücken? HERRschaft und Überlegenheit des Mannes über Frauen, queeren und armen Menschen, welche vor dem Pferd des Kaisers Karl dem V. wie Untertanen hinaufschauen? Nieder mit dieser sozialen Ungerechtigkeit!

Es ist zwar gut, alte Gemälde von früher kritisch zu hinterfragen, aber dieses Hinterfragen sollte auch noch stärker sichtbar gemacht werden. Denn allein durch das visuelle Ausstellen reproduziert dieses Gemälde ja trotzdem Sexismus, Klassismus und verherrlicht Kolonialismus. Deshalb fände ich’s besser, wenn die Hamburger Kunsthalle einen Vorhang oder Schild als Trigger-Warnung vor dem Bild hängen würde, vielleicht mit der Aufschrift: Vorsicht, dieses Bild enthält sexistische, klassistische und kolonialistische Elemente!, so können sich Besucher*innen vorher überlegen, wie und ob sie dieses Bild sehen wollen. Das würde auch ein selbstverständliches Hinnehmen dieser Bildszene vermeiden.«

DR. REYHAN ŞAHIN, auch bekannt unter dem Künstler*innen-Namen Lady Bitch Ray, forscht zu den Themenbereichen Sprache, Migration, Islam, Rassismus, Rechtsextremismus und Neue Rechte. Mit ihrer sexpositiv aufgeladenen, feministischen Musik und öffentlichen Auftritten gehört sie zu den Pionierinnen des intersektionellen Feminismus in Deutschland. Zu ihren letzten Veröffentlichungen gehören Yalla, Feminismus! (2019 Tropen/Klett Cotta) und Lady Bitch Ray über Madonna (2020 KiWi). Lady Bitch Ray ist auf Instagram als @dr.bitch_ray und auf Twitter als @LadyBitchRay1 zu finden.

Mirna Funk

»Jedes Kunstobjekt ist Ausdruck seiner Zeit. Es kann manipulativ, politisch oder einfach nur ästhetisch sein. Es kann alles oder nichts wollen. Aber was auch immer das Motiv des Künstlers war, das Objekt ist eingebettet in eine spezifische Epoche mit ihren Werten, Traditionen, Trends und Tabus. Aktuell leben wir in einer Art Empörungdiktatur, in der vor dem Deckmantel DER großen progressiven Befreiungsbewegung alles verboten und unterbunden werden soll, das nicht den zeitgeistigen Standards entspricht. Dabei wird die Notwendigkeit von Kontextualisierung, Kontinuität sowie Komplexität total ignoriert. Diese Bewegung mit ihren Absolutheitsansprüchen auf Perspektiven, Terminologien und Moraldefinitionen beweist leider vor allem eines: nämlich das völlige Fehlen von Geschichtsbewusstsein. Wir sind Gewordene. Kunst ist geworden. Und das Gewordensein als solches impliziert auch ein Weiter-Werden. Die Welt, die Gesellschaft, der Mensch – niemand und nichts steuert hier auf einen paradiesischen Endpunkt zu, sondern wir alle sind Teil eines Für-Immerwährenden-Werdens. I know it’s a bummer. You gotta learn to live with it.«

MIRNA FUNK ist in Ost-Berlin geboren und lebt zwischen Berlin und Tel Aviv. Sie studierte Philosophie und Geschichte an der Humboldt Universität und arbeitet als Journalistin und Autorin. In ihren literarischen Werken, essayistischen und journalistischen Arbeiten sowie kuratorischen Projekten geht Mirna Funk den Fragen nach der Präsenz jüdischer Kultur in Deutschland heute und einer gegenwartsorientierten Erinnerungskultur nach. Seit 2018 erscheint monatlich ihre Kolumne Jüdisch heute in der deutschen Vogue. Mirnka Funk ist auf Instagram als @mirnafunk zu finden.

Prof. Dr. Alexander Klar

»Das 19. Jahrhundert scheint heute weit zurück zu liegen, in Hans Makarts Gemälde steht es uns aber plötzlich wie aus dem Leben gegriffen gegenüber. In diesem Bild blicken wir nicht nur auf eine lebensgroße, realistisch erscheinende historische Szene, wir blicken auch auf die gesellschaftliche Realität der Zeit Makarts, in der Frauen wahlweise die Rolle des Publikums oder der (ausgezogenen) Ehrenjungfrau zugedacht war.«

ALEXANDER KLAR ist in Waiblingen bei Stuttgart geboren und wuchs in Athen auf. Er studierte Kunstgeschichte, Geschichte und christliche Archäologie in Erlangen. 2000 promovierte er an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen mit einer Dissertation über Friedrich Bürklein. Nach Stationen am Solomon R. Guggenheim Museum in New York (1997), an der Peggy Guggenheim Collection in Venedig (2000) und an der Kunsthalle in Emden (2002-2004) wurde er von 2010 bis Juni 2019 Direktor des Museum Wiesbaden. Seit Juli 2019 ist er Direktor der Hamburger Kunsthalle.

Prof. Dr. Hubertus Kohle

»Eine Folge von Nackedeis als dekorative Begleitung für den männlichen Heros? Dafür, nein dagegen haben wir doch heute #metoo und #cancelculture! Aber sollten wir das Überwundene einfach auslöschen? Nein, denn dann könnten wir die Stellung des Eigenen im großen Ganzen gar nicht mehr ermessen. Hans Makart ist eine Stimme aus der Vergangenheit, auch wenn er in der scheinbaren Herrscherapotheose seines Historienschinkens eigentlich eine Apotheose des Künstlers gestaltet, eine Apotheose Albrecht Dürers, der den Einzug des deutschen Kaisers in die Stadt Antwerpen beobachtet. Wieso dieses Monumentalgemälde nicht mit bescheidenen Evokationen echten weiblichen Lebens begleiten. Mit Käthe Kollwitzens abgearbeiteten und trauernden Müttern aus  dem Weberaufstand? Mit Constantin Meuniers schuftenden Bergarbeiterinnen? Dann kann sich Betrachter*in sein/ihr eigenes Urteil bilden und nicht passives Opfer einer übergriffigen Vorauswahl werden. Immerhin leben wir in einer Gesellschaft selbstverantwortlicher Individuen.«

PROF. DR. HUBERTUS KOHLE studierte in Bonn, Florenz und Paris, seine Dissertation schrieb er 1986 zu Denis Diderots Kunsttheorie und habilitierte 1996 zu Adolph Menzels Friedrichbildern. Er war Assistent an der Universität Bochum und Hochschuldozent an der Universität zu Köln. Seit 1999 ist er Professor an der LMU München mit Schwerpunkten in der deutschen und französischen Kunst des 18. bis 20. Jahrhunderts und in der digitalen Kunstgeschichte. Zurzeit ist er Sprecher des DFG-Schwerpunktprogramms Das digitale Bild. Prof. Dr. Hubertus Kohle ist auf Twitter als @hkohle zu finden.

Anne Petersen

»Was würde heute ein solches Aufsehen erregen wie Makarts Habsburger Kaiser und seine unbekleideten Schönen? Wo finden wir heute eine ähnliche Geschäftstüchtigkeit, gezielt eingesetzte Freizügigkeit, wohl inszenierte Oberflächen und ein begeistertes Publikum? Mir fällt dazu Instagram ein.  Auf optische Attraktivität ausgerichtet, ist der Grund für die Entstehung von Posts allein ihr Publikumserfolg.  Der Besucheransturm im Wiener Kunsthaus, noch bevor Makarts riesige Leinwand in Paris auf der Weltausstellung  1878 ausgestellt wurde, lieferte dem Künstler, was er wollte: Aufmerksamkeit. Nacktheit, Sex, Körperteile, all das haben wir in der Kunst heute viel detaillierter gesehen. Aber das Prinzip funktioniert auch in Zeiten von Me-Too noch genauso: Je mehr nackte Haut, desto mehr likes. Steht sie jetzt am Strand von Dubai oder Ibiza?  Hätte Kaiser Karl V. in Aachen, nicht in Antwerpen so festlich einziehen müssen? Fakten sind hier nicht wichtiger als die Fantasie. Es zählt allein, was gefällt. Lange bevor das Kino erfunden war, hat Makart seinem Publikum atemberaubende Blockbuster geboten, Spektakel, Opulenz, Schönheit und Erotik gezeigt. Das ist sehr viel weniger banal, als die meisten Feeds der einflussreichsten Influencer:Innen dieser Welt.  Trotzdem: Als oberflächlich, ungeistig, allein dekorativ wurde die Salonmalerei des 19. Jahrhunderts kritisiert. Sie war aber nur ein Spiegel ihrer Zeit. Und das ist Instagram ja irgendwie auch.«

ANNE PETERSEN studierte Kunstgeschichte, Politik und Kommunikationswissenschaft in München und Paris. Nach Abschluss der Deutschen Journalistenschule in München Tätigkeit im Stil-Ressort der WELT AM SONNTAG. 2004 wechselte sie zu Gruner + Jahr in die BRIGITTE Redaktion. Seit 2014 leitet sie das SALON Magazin. Im Prestel-Verlag ist ihr Buch Legendäre Dinner erschienen. Sie ist Mutter von vier Kindern. Anne Petersen ist auf Instagram als @anne_petersen und für @salon_magazin zu finden.

 

 

Prof. Dr. Wolfgang Ullrich

»So viel künstlerisches Selbstbewusstsein! Schon das Format von Der Einzug Karls V. in Antwerpen zeugt davon. Außerdem hat Hans Makart sich selbst zwischen den Kaiser und Albrecht Dürer platziert und damit demonstrativ als Künstlerfürst in Szene gesetzt. Seine privilegierte Stellung erlaubte es ihm aber vor allem, Phantasien ganz unbefangen auszudrücken. So malte er sich von leicht bekleideten Frauen umgeben, für die ihm Damen der Wiener Gesellschaft ungefragt als Vorbilder dienten. Der mächtige Mann gefiel sich also darin, über andere nach Belieben zu verfügen und sie gar noch bloßzustellen. Selbstherrlich nutzte er es aus, dass Kunst über die Realität hinauszugehen und schönere Welten zu erfinden vermag. Andere hingegen setzen auf diese Fähigkeit der Kunst, um eine Utopie zu entwickeln – um Menschen, die im realen Leben unterdrückt, marginalisiert und ohnmächtig sind, zu mehr Würde zu verhelfen. Immer wieder in der Geschichte der Kunst gelang es auf diese Weise, Schwache zu stärken. Aber wer so mächtig ist, wie Makart es war, hat kein Interesse am Empowerment anderer.«

WOLFGANG ULLRICH, lebt als freier Autor und Kulturwissenschaftler in Leipzig. Davor war er rund ein Jahrzehnt Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Ursprünglich kommt er aus München, wo er Philosophie und Kunstgeschichte studierte. Er forscht und publiziert zur Geschichte und Kritik des Kunstbegriffs, zu bildsoziologischen Themen sowie zu Konsumtheorie. Er ist Mitherausgeber der Buchreihe Digitale Bildkulturen im Verlag Klaus Wagenbach.- Mehr auf: www.ideenfreiheit.de. Wolfgang Ullrich ist auf Twitter als @ideenfreiheit zu finden.

 dr. Markus Bertsch

»Eine Kunsthalle ohne Salonmalerei, ohne Orientalisten, ohne akademische Kunst, ohne Makart – schwierig.Mit dem neugestalteten Makart-Saal erhalten unsere Besucher*innen eine plastische Vorstellung, wie vielstimmig und zugleich widersprüchlich der Gemäldechor des 19. Jahrhunderts aufgestellt war. Es ist im besten Sinne Aufklärung, diese – für manche Augen gewöhnungsbedürftigen – Werke wieder zu zeigen. Hurra!«

DR. MARKUS BERTSCH ist Leiter der Sammlung 19. Jahrhundert an der Hamburger Kunsthalle.

Gesa Huget

»Ich finde es gut, dass das Bild wieder enthüllt ist. Bei mir sind es zuallererst die Größe und das Lichtspiel, die mir auffallen und mich genauer hinschauen lassen. Die Frage, inwiefern hier das historische Ereignis faktisch wiedergegeben wird, habe ich mir nie gestellt. Die pompöse Inszenierung, der Herrscher, umringt von nackten Frauen, lassen mich sofort an Show denken und zeigen deutlich: Makart übertreibt, er malt sich eine imposante Geschichte aus, die er auf die Leinwand bringt. Klar ist Makart hier sexistisch, wenn er die nackten Frauen als Trophäen des männlichen Herrschers darstellt. Aber bis heute ist es ein wirksames und viel eingesetztes Motiv, ich denke z.B. sofort an Musikvideos.«

GESA HUGET ist Leitung Engagement & Patnerschaften an der Hamburger Kunsthalle.

dr. Jan Metzler

»Macht, Sexismus, Gewalt… Wie wollen wir als Museum mit dieser Kunst umgehen? Was wollen wir darüber erzählen? Wie zeigen wir sie? Da ich dafür noch keine mich selbst überzeugende Antwort habe, ist meine ganz persönliche Antwort erst einmal ein Innehalten und eine erneute Lektüre von Klaus Theweleits großartigem Buch MÄNNERPHANTASIEN. Auch nach 40 Jahren ist es so aktuell und genial wie zum Zeitpunkt seines Erscheinens. Denn die Frage nach Macht, Gewalt, Klasse und Geschlecht stellen sich noch immer genauso drängend.«

DR. JAN METZLER ist Leiter Kommunikation & Marketing an der Hamburger Kunsthalle.

Amelie Baader

»Den Würde ich mir das ins Wohnzimmer hängen-Test würde Makarts Koloss nicht nur wegen der Größe bei mir nicht bestehen. Aber kaum ein anderer Künstler dieser Zeit verstand es, sich so brillant zu inszenieren und ins Gespräch zu bringen! Makart ist ein Phänomen und darf in einer Sammlungspräsentation, die das 19. Jahrhundert in seiner ganzen Widersprüchlichkeit und seinen Facettenreichtum zeigen will, nicht fehlen!«

AMELIE BAADER ist kuratorische Assistenz der Sammlungspräsentation Making History und bearbeitet den Bestandskatalog 19. Jahrhundert an der Hamburger Kunsthalle.

Jasper Warzecha

»Ich empfinde das Werk als schwierig und durchaus unbequem, vor allem weil Makarts bewusst gewählte (über)präsente Darstellung der nackten Frauen als sexistisch verstanden werden kann. Aber deswegen das Werk nie wieder zeigen? Ich finde das ist keine Option. Viel lieber sollte auf das Schwierige verwiesen und es thematisiert werden. Denn im besten Fall regt es zu Diskussionen an, die manchen vielleicht sogar die Augen öffnen.«

JASPER WARZECHA ist wissenschaftlicher Volontär an der Hamburger Kunsthalle.

Martina Gschwilm

»Es gibt so viele Fragen, die das Werk von Makart erzeugen und das macht das Bild auch so spannend. Ist das Werk provokativ? Ja hoffentlich … oder haben sich unsere Sehgewohnheiten von heute schon so daran gewöhnt es als normal, da überall präsent zu erachten, es nicht als provozierend zu deuten? Die Frage, ob das Werk sexistisch ist? Ist schon falsch gestellt, denn objektiv betrachtet sollte das schon gar nicht mehr verhandelt werden müssen. Ich freue mich dennoch, dass das gigantische Werk mit seinen 50 qm wieder ausgestellt und neu präsentiert wird und genügend Raum gibt für all die Fragen, die hierzu noch gestellt werden können. Es ist die Aufgabe eines Museums all den Denkanstößen, Überlegungen, auch dem heutigen Blick ein Forum zu geben und das scheint sich auch bei dem angedachten Rahmenprogramm einzulösen.«

MARTINA GSCHWILM ist Leiterin Digitale Medien an der Hamburger Kunsthalle.

Ute Klapschuweit

»Im Hintergrundrauschen habe ich so viele Worte gelesen und gehört, die dieses Bild in der Luft zerreißen. Welch ein Fanfarenton aus einer vergangenen Zeit! Nun also ist der ganze Raum auf diese Tonart gestimmt. Wenn es nun sexistisch genannt wird ­– da klingt so viel neue Moral ist – So viel Enge und so wenig Großzügigkeit! Warum nicht sinnlich, opulent, prächtig, großartig – Um dann auch wieder nachdenklich-provokativ im Nachteil oder in der Form der Präsentation zu werden. Das ist in meinen Augen die große Stärke der Kunsthalle. Alles ist da – alles ist möglich – alles ist gleichzeitig! Die Geister aus der Vergangenheit – wie spannend mit ihnen heute noch in Dialog treten zu können!«

UTE KLAPSCHUWEIT ist Mitarbeiterin in der Abteilung Bildung & Vermittlung

Hausmeisterteam

»Unser Makart

Wir finden es eine tolle Sache, dass unser größtes Bild aus dem 4-jährigen Winterschlaf erweckt wurde. Es ist ja auch ein beeindruckend großes Bild mit viel Diskussionspotenzial. Ganz egal aus welchem Alter, Gesellschaftsschichten, oder Epochen, die Besucher kommen. Dieses Bild erweckt auf jeden unterschiedlichen Blickwinkel, freudige, aber auch harte Diskussionen. Dieses Bild ist eine tolle Anregung (Provokation) und unterstreicht, wie unterschiedlich Moral und Werte bewertet werden können.«

HAUSMEISTERTEAM der Hamburger Kunsthalle

Larissa lange

»Die Frage, ob der Makart sexistisch ist oder nicht lässt sich meiner Meinung nach nur sehr schwer und wohl überlegt beantworten. Zum einen sollte man beachten, dass man solche Werke in ihren jeweiligen (historischen) Kontext betrachten muss. Wie hat ein Betrachter/ eine Betrachterin das Werk zu seinen Entstehungszeiten aufgefasst? Da es schon damals viel Kritik abbekommen hat, ist wahrscheinlich schon etwas an dem Sexismusvorwurf dran und wir empfinden es nicht nur heute so. Gleichzeitig darf man aber auch nicht vergessen, dass Nacktheit und vor allem nackte Frauen in der gesamten Kunstgeschichte allgegenwärtig sind. Sind jetzt all diese Werke auf ihre eigene Art und Weise sexistisch? Wäre der Makart hier weniger sexistisch, wenn er mythologische Figuren eingebaut hätte? Wahrscheinlich würde man das Werk dann anders auffassen, meiner Meinung nach. Naja, trotz all dieser Fragen finde ich vor allem eines wichtig: dass Kunstwerke, vor allem welche von diesem Wert und dieser künstlerischen Bedeutsamkeit gezeigt und nicht versteckt werden. Also danke, dass wir es wieder betrachten dürfen.«

LARISSA LANGE ist studentische Hilfskraft der Abteilung Kommunikation im Besucherbüro der Hamburger Kunsthalle.