Kapitel der Ausstellung

Toyen ist eine der herausragenden Künstlerinnen des 20. Jahr­­hunderts. Schon früh lehnt Marie Čermínová Kategorisierungen ab und legt sich mit 21 Jahren das Pseudonym Toyen zu; dies in Erinnerung an die Französische Revolution und deren freie, gleiche Bürger*innen, die citoyens. Sechzig Jahre lang ist sie ununterbrochen künstlerisch tätig. Immer in engem Austausch mit den führenden Dichter- und Denker*innen ihrer Zeit entwickelt sie ein so facettenreiches wie wegweisendes Œuvre: zunächst als einflussreiches Mitglied der tschechischen Avantgarde in Prag und während Aufenthalten in Paris; dann in den frühen 1930er Jahren als Gründungsmitglied der surrealistischen Bewegung der Tschechoslowakei. Der Kopf des internatio­nalen Surrealismus, André Breton, feiert sie bald als entscheidende Vertreterin Prags, für ihn die »magische Hauptstadt Europas«. Während der deutschen Besatzung realisiert Toyen im Untergrund Werke von erschütternder Kraft. Ab 1947 im Pariser Exil, arbeitet sie im Herzen des Nachkriegssurrealismus.

Bis zu ihrem Tod bleibt sie malend, zeichnend, collagierend, illustrierend aktiv und hoch geschätzt auch von Poet*innen der nächsten Generation, mit denen sie ihre Suche nach Poesie und Revolte teilt. Feiert die Pionierin früh Erfolge und hat bis in die 1960er Jahre hinein Galerie­ausstellungen in Prag und Paris, gerät sie in den letzten 20 Jahren ihres Lebens in Vergessenheit. Wir stellen den »Kosmos Toyen«, ihr Werk in all seinen Medien und Phasen, nun in der ersten Einzelausstellung in Deutschland vor. Der chronologische Parcours zeigt, wie stark Toyens Werk mit ihrem Leben und Umfeld verwoben ist. Zusammenarbeit mit tschechischen Weggefährten wie Jindřich Štyrský, Jindřich Heisler, Karel Teige oder französischen Dichter*innen wie André Breton, Benjamin Péret, Radovan Ivšić und Annie Le Brun ist für sie zentral. Korrespondenzen zu ausgewählten Werken weiterer Zeitgenossen, so Paul Klee, Max Ernst, Yves Tanguy und Salvador Dalí sowie Vorbilder wie Henri Rousseau machen sichtbar, wie stark ihre bildnerischen Untersuchungen auf der Höhe der Zeit und zugleich einzigartig sind.

Die Schau ist in fünf Kapitel gegliedert, die nach einem Werk des jeweiligen Zeitraums benannt sind. Dabei wird anschaulich, dass sich die Leitgedanken Revolte, Erotik, Alchemie und Analogie ebenso wie die Befragung des Verhält­nisses von Wirklichkeit, Imagination und Bild durch das gesamte Schaffen ziehen – wie Kraftlinien, an denen sich Toyens Leben und ihre schöpferischen Ideen treffen und die, Meeresströmungen gleich, immer neu die Richtung ihres Weges bestimmen. Sie gründen auf Toyens Erkundungen von Freiheit und Identität, Themen, die heute besonders relevant sind.

Koralleninseln

Nach kurzer Studienzeit an der Prager Kunstgewerbeschule lernt Marie Čermínová 1922 auf der Insel Korčula, Dalmatien, den Maler Jindřich Štyrský kennen. Er ist bis zu seinem Tod ihr künstlerischer Partner und Freund. Beide schließen sich 1923 der tschechoslowakischen Avantgarde-Bewegung Devětsil (Pestwurzel) an. Zu ihr gehören auch Dichter*innen, Gestalter*innen und Architekt*innen. Auf der Schau Basar der modernen Kunst zeigt die Künstlerin unter anderem dem Konstruktivismus nahestehende, abstrakte Gemälde und verwendet erstmals das geschlechtsunspezifische Pseudonym Toyen.

Während einer mehrmonatigen Reise durch Frankreich ab Ende 1924 verändert sich ihr künstlerischer Stil grundlegend: Begeistert von Spektakeln, Zirkusszenen und Volksfesten hält sie diese detailliert in Skizzenbüchern fest. Ihre Eindrücke verarbeitet sie im Atelier mit bühnenhaften Kompositionen in poetischem, scheinbar «naivem» Stil. Dieser erinnert an die Werke eines ihrer künstlerischen Vorbilder, Henri Rousseau (1844-1910), und enthält zugleich oft einen ihr eigenen humorvollen und erotischen Grundton.

Fata Morgana

Im Herbst 1925 ziehen Toyen und Štyrský für drei Jahre nach Paris. Dort begründen sie eine eigene künstlerische Strömung – den Artifizialismus. Dessen zentrale Forderung ist die Poesie und die von beiden beschworene »Identifikation des Malers mit dem Dichter«. Zwar distanzieren sie sich in ihrem Manifest von den aktuellen Strömungen – der ungegenständlichen Malerei und dem Surrealismus – doch tatsächlich handelt es sich um eine Form der Synthese aus beiden. Der zeitgleichen Erneuerungen der Malerei durch Künstler wie Paul Klee oder Max Ernst sind sie sich bewußt. 

Um, wie Toyen und Štyrský festhalten, »Erinnerungen an Erinnerungen« im Bild zu fassen, erarbeiten sie ihre Werke ab 1926 in beispiellos freier Maltechnik: Erfinderisch im Umgang mit Schablonen, Airbrush-Pistolen, beim Auftrag der – teils mit Sand angedickten – Farb-Räume und -Schichtungen sowie in der Strukturierung der Oberflächen mit Spachteln schafft insbesondere Toyen Bilder von großer sinnlicher Präsenz. Der Dichter Philippe Soupault (1897-1990) beschwört 1927 anlässlich der Präsentation artifizialistischer Gemälde in einer Pariser Galerie eine neuartige, beunruhigende Tiefe in Toyens Werken.

Eine Nacht in Ozeanien

Anfang der 1930er Jahre widmet sich Toyen immer stärker der Nacht als Ort des Traumes, des Unbewussten und der Erotik. Aus den pastosen Strukturen der artifizialistischen Gemälde scheinen wie aus einem Urgrund so beunruhigende wie verführerische Motive »aufzutauchen«. Diese ähneln Muscheln, Blumen, Korallen und schweben in den Bildern wie in Unterwasserwelten. Toyens Einbeziehen von (Meeres-)Pflanzen und Früchten mag inspiriert worden sein durch ihre Begegnung mit den Texten des Marquis de Sade (1740-1814)  und dem Konzept der Pansexualität der Natur. Dies beschreibt sexuelles Begehren ohne geschlechtsspezifische Priorität sowie die Verherrlichung natürlicher Überfülle und Erregung.

Diese Vorboten des Surrealismus in Toyens Œuvre werden in der Prager Ausstellung Poesie 1932 neben Werken der internationalen Surrealisten wie Salvador Dalí, Max Ernst oder Yves Tanguy präsentiert. Diese erste, gemeinsame Schau war für die tschechische Avantgarde eine wichtige Etappe auf ihrem Weg zum Surrealismus.

Die Magnetische Frau

Im März 1934 formiert sich die erste Surrealist*innen-Gruppe der Tschechoslowakei. Toyen ist Gründungsmitglied und präsentiert 24 Gemälde auf deren erster Ausstellung 1935 (siehe Film). Sie hängen neben solchen von Jindřich Štyrský und von dem Bildhauer Vincenc Makovský (1900-1966). Allesamt im für sie enorm produktiven Jahr 1934 entstanden, weisen die Leinwände auf einen bedeutenden Wandel in ihrem Œuvre hin: Aus den seeartigen Landschaften bilden sich Objekte und Körper, die selbst felsartig und zerklüftet scheinen. Tiefe Risse suggerieren Verfalls- und Übergangsprozesse. Die (meist weibliche) Körperform wird zur erstarrten leeren Hülle. Mit dem surrealistischen Blick auf das Unbewusste, auf verborgene Leidenschaften des Menschen, wird die Darstellung seines Äußeren in Frage gestellt. Die Leerung der Körperform lässt Larven, Gespenster auftreten: Toyen spielt in der Darstellung der brüchig werdenden Formen und Bildgründe letztlich auch mit derem mehrdeutigen  Verhältnis zueinander. Dadurch verwirrt sie nicht zuletzt die Wahrnehmung derjenigen, die das Bild betrachten.

Phantom-Objekte

Das Volumen vieler Formen, die Toyen Mitte der 1930er Jahre erfindet, wirkt verführisch. Doch mutet es im Inneren leer an. Das unter der Hülle Verborgene wird unheimlich. Toyen sucht scheinbare Paradoxe bildnerisch zu fassen: Wie kann die Präsentation einer Hülle das Verhüllte, wie kann ein Bild Abwesendes ahnen lassen? Ein solches Denken in Analogien ist verbunden mit einem Sehen, das in einer Sache eine andere erkennen und scheinbar Bekanntes verwandeln kann: Toyen fordert bislang verbindliche Grenzziehungen heraus.

Der historische, persönliche und konzeptuelle Kontext für ihre bildnerischen Untersuchungen liegt bei surrealis­tischen Positionen in Prag und Paris. Besonders Salvador Dalí stellt zeitgleich die beschwörende Kraft des Verborgenen und ein aktiviertes Sehen durch phantomartige Formen in seinen Werken und Theorien heraus. Auch in Yves Tanguys Œuvre wird ein ganzes Spektrum permanenter Veränderungs­prozesse sichtbar.

Ende der 1930er Jahre thematisiert Toyen in Werken, die wie Vorboten der Kriegsjahre wirken, Schrecken und die Erstarrung eines eben solchen imaginierenden, lebendigen Sehens.

Erotische Revue

Erotische Vorstellungskraft ist von Anfang an wesentlicher Bestandteil von Toyens künstlerischem Schaffen. Entsprechende Motive ziehen sich durch ihr gesamtes Œuvre. Mit nur 20 Jahren zeigt die Künstlerin in Kissen bereits eine Szene, in der sich eine Vielzahl kleiner Paare sexuell vergnügt. Der Humor ist ein zentrales Kennzeichen, durch das sich ein Großteil von Toyens Erotika von den viel­zähligen entsprechenden Erkundungen ihrer männ­lichen Kollegen unterscheidet. In Skizzen und Zeichnungen entwickelt sie eine entwaffnend offene erotische Welt, die sie zwischen 1931 und 1933 teils in der von Jindřich Štyrský herausgegebenen Zeitschrift Erotická revue veröffentlicht. Ebenso illustriert sie in den 1930er Jahren erotische Literatur, so Justine oder Vom Missgeschick der Tugend des Marquis de Sade (1740-1814).

Toyen fächert eine breite Palette des Liebeslebens auf, zwischen Feinfühligkeit und Gewalt, Leidenschaft, Spiel und Traum. Auch Tiere, Früchte, Muscheln gesellen sich hinzu, die – wie die Poetin und künstlerische Weggefährtin Toyens, Annie Le Brun, es fasst – «allesamt in eine Welt entführen, in der allein das Begehren herrscht».

Verstecke dich, Krieg!

Während der deutschen Besatzung der Tschechoslowakei müssen die Surrealist*innen in den Untergrund gehen. Ab 1941 versteckt Toyen ihren Künstlerfreund Jindřich Heisler in ihrer Einzimmerwohnung, wodurch das nun geteilte Risiko der Entdeckung steigt, sich aber auch weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit ergeben.

Neben Gemälden, die wie Aufschreie im Kriegstrauma wirken, schafft Toyen mit präzise gezeichneten, mehrteiligen Zyklen eindringliche Zeugnisse einer neuen Welt: Hier ist das zuvor von ihr als metamorphotisch inszenierte Sehen zum Stillstand gekommen. In Der Schießplatz wird deutlich, wie der Krieg auf der physischen und psychischen Ebene Wunden hinterlässt, sich sogar die Welt der Jahrmärkte in einen militärischen Schießplatz verwandelt. Einen solchen hatte die deutsche Wehrmacht unter dem Fenster ihrer Wohnung errichtet. In Verstecke dich, Krieg! verbildlicht Toyen mit umherrirrenden Tierskeletten den Schlag gegen die Natur, gegen die Existenz selbst.

Nach der Befreiung 1945 wendet sie sich mit Der Mythos des Lichts auch im übertragenden Sinne dem Licht zu, und nimmt in Briefen ihre Kontakte zu den Pariser Surrealisten wieder auf.

Alle Elemente

Nach dem Krieg nimmt Toyen wieder Kontakt zu André Breton auf. Die von ihm arrangierte Galerieausstellung in Paris 1947 ist Vorwand für ihre Reise nach Frankreich,
von der sie nie mehr nach Prag zurückkehren wird. Der Austausch mit der Surrealist*innen-Gruppe und die neue Freiheit spiegeln sich auch in ihren Gemälden wider.

Inspiriert von vielen gemeinsamen Aufenthalten in der Bretagne beschäftigt sie sich mit der Alchemie und den ihr zugrundeliegenden Prinzipien von Veränderungsprozessen. So ist der Titel ihrer Serie Weder Flügel noch Steine. Flügel und Steine eine Anspielung auf ein Nicolas Flamel zugeschriebenes Alchemie Traktat, das die unaufhörliche Bewegung der Elemente schildert. Von deren Zusammen­treffen an der bretonischen Küste, den von Meer und Wind umspülten Klippen, um die kreischende Möwen kreisen, ist Toyen fasziniert. Sie sucht visuelle Analogien und schafft poetische Bilder, die auf dem Zusammentreffen von Fragmenten von Lebewesen (wie Federn, einem Profil Bretons) und »unbelebter« Natur (wie Wasserströmungen, Kieselsteine) basieren. Ihr Interesse an Alchemie verbindet sich zudem mit der Erinnerung an das alte Prag in Gemälden zu Hausschildern der gleichnamigen »Alchemistengasse« in der Prager Burg.

Die sieben gezogenen Schwerter

In den 1950er Jahren kommt die Surrealist*innen-Gruppe in Kontakt mit der Tachismus-Bewegung, einer Richtung abstrakter Malerei, bei der Empfindungen durch spontanen Farbauftrag ausgedrückt werden. Unter deren Einfluss bewegt sich Toyens Werk an den Rand der lyrischen Abstraktion. Diese setzt im Gegensatz zur zeitgleichen abstrakten Malerei statt auf Konstruktion auf Empfindungen und die Erforschung des Unbewussten. Aus ihren nur scheinbar ungegenständlich bemalten Leinwänden tauchen pflanzliche und mineralische Elemente oder Details mysteriöser Wesen auf, so auch in dem sieben hochformatige Leinwände umfassenden Zyklus Die sieben gezogenen Schwerter.

Für jedes Bild verfasst ein Pariser Surrealist ein Gedicht: Den Obertitel erfindet Georges Goldfayn (1933-2019) angelehnt an Guillaume Apollinaires Dichtung »Die sieben Schwerter«, in dem Apollinaire (1880-1918) sieben Klingen mit sieben Frauennamen assoziierte. Durch die Ergänzung von »gezogen« entstehen weitere Assoziationsketten. Toyen konzentriert sich auf die Darstellung einer Kleid-ähnlichen Hülle, unter welcher der Körper – ähnlich wie in
rüheren Gemälden der 1930er Jahre – abwesend scheint. Doch wirken die Kompositionen nun beunruhigend und verführerisch zugleich. Weibliche Körper lassen sich an Details – einer Fußspitze, einem Finger – erahnen. Als könnten sie daran metaphorisch aus dem Traumraum »heraus­gezogen« werden.

Wahlverwandtschaften

Als eine wesentliche Voraussetzung für ihr künstlerisches Schaffen sieht Toyen Zeit ihres Lebens Freundschaft. Sie pflegt ihre Freundschaften, sei es zu Jindřich Štyrský, Karel Teige, Jindřich Heisler, André Breton oder Benjamin Péret und ab den 1960er Jahren zu Radovan Ivšić, Georges Goldfayn und Annie Le Brun. Es sind vorrangig Dichter und eine Dichterin. Sie illustriert zahlreiche ihrer Texte, während diese wiederum in die Titelfindung von Toyens Werken einbezogen sind.

Schon in den 1920er und 1930er Jahren hatte Toyen – größten­teils mit Štyrský gemeinsam – Buchumschläge und Illustrationen geschaffen. Diese standen ihren «freien» Werken vielfach in nichts nach, obwohl sie damit ihren Lebensunterhalt verdienen musste.

1966 bittet sie Radovan Ivšić ein Gedicht für einen ihrer Zeichnungszyklen zu verfassen. Gemeinsam entsteht das Buch-Objekt Der Brunnen im Turm – TraumtrümmerFür den von ihr mit Ivšić, Le Brun und Goldfayn gegründeten Verlag Éditions Maintenant schafft sie ihren letzten Collage-Zyklus, Vis-à-vis. Hier erfindet sie ihre Formensprache wiederum neu und macht einmal mehr deutlich, dass sie «hohe» und «angewandte Kunst» als stets zusammen­gehörig auffasste.

Mitternacht, die gewappnete Stunde

Die seit den 1950er Jahren in Toyens Œuvre zu findenden Silhouetten oder Körperdetails zeigen sich nach und nach als Gespenster. Sie tauchen immer konkreter aus ungewissen, fast informell, ungegenständlich gestalteten Landschaften auf – ähnlich wie Bilder, die in nächtlichen Träumen erscheinen. Ab den 1960er Jahren kehrt Toyen zudem verstärkt zur Collage-Methode zurück. Auch in ihre Gemälde fügt sie – wie schon 1946 erprobt – Realitätsfragmente direkt ein, so in Der Paravent.

Zudem erforscht sie verstärkt die Nacht und ihre Magie. Dabei lässt sie sich von literarischen Texten anregen, wie von Gaspard de la nuit (Schatz­hüter der Nacht, 1842) des Aloysius Bertrand (1807-1841). Hier beschreibt der Erzähler das körperliche Erscheinen einer Prozession grotesker, beängstigender Wesen am Rande seines Schlafs. In Mitternacht, die gewappnete Stunde zeigt Toyen ebendiese nächtliche Welt als eine Bühne, die von einer Theaterloge aus beobachtet wird: Ursprüngliches, Angst und Begehren bringt sie in Verbindung mit einer bezaubernden und luxuriöse Theaterwelt.

Das Fest der Analogien

In den späten 1960er Jahre untersucht Toyen die Grenzen des Raumes und des Körpers sowie seine Schatten darin. Damit befragt sie weiter die Darstellbarkeit des Realen zwischen Präsenz, Präsentation, Repräsentation und Absenz. Ihr letztes, 1971 geschaffenes Ölbild trägt den bezeichnenden Titel Die Falle der Wirklichkeit. Ihr Augenmerk richtet sie verstärkt auf Analogien, Überein­stimmungen zwischen Menschen und der Pflanzen-, Tier- oder Objektwelt. Sie geht davon aus, dass in einer zusammen­gehörigen Welt ein Wesen oder Objekt die Eigen­schaften eines anderen repräsentieren kann.

Schon 1954 charakterisierte sich die Künstlerin selbst in dem surrealistischen Gemeinschaftsspiel »Objekte der Identität« durch fünf Lieblingsgegenstände, die sie zudem definierte: Eine Leinwand, eine Peitsche, ein Stiletto-Absatz, ein Koffer und eine Jalousie. Zusammen erschaffen sie eine Art poetisches Selbstporträt, in dem Toyens Sehnsüchte zu erahnen sind: Imagination, Freiheit, Reisen, Erotik, Geheimnis.

Neben Graphiken schafft sie Collagen. Für Radovan Ivšićs Theaterstück König Gordogan entwirft sie Masken, die anhand weniger Details die Eigenschaften der dahinter verborgenen Figuren enthüllen. So stellt Toyen bis zu ihrem Lebensende der Wahrnehmung Fallen und hinterfragt damit auch unsere grundsätzliche, vereinfachende Annahme einer Gesamtheit unserer diverser Selbstbilder, die Prämisse von Identität.