Timoteo Viti
Jüngling im Mantel an einem Tische sitzend, nach rechts gewandt,
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Timoteo Viti

Jüngling im Mantel an einem Tische sitzend, nach rechts gewandt,

Timoteo Viti

Jüngling im Mantel an einem Tische sitzend, nach rechts gewandt

Das Blatt weist eine traditionelle Zuschreibung an Timoteo Viti auf, die bereits früh von Oskar Fischel bestätigt wurde und seitdem nicht bezweifelt worden ist.(Anm.1) Zuletzt hat Achim Gnann die Attribution nachdrücklich bekräftigt.(Anm.2) Der Zeichenstil des Blattes lässt sich sehr gut mit gesicherten Blättern Vitis vergleichen. Charakteristisch für den Künstler sind breite Kreidestriche in Verbindung mit kräftigen Weißhöhungen. Vitis Zeichnungen überzeugen weniger durch eine verfeinerte Binnenzeichnung als durch eine in den Proportionen und der Anlage der Komposition sicheren Gestaltung. Eine ähnliche Technik findet sich auf Vitis Entwurf für sein Heiligenbild in der Brera in Mailand.(Anm.3) Sehr gut vergleichbar sind zudem die Studien für einen sitzenden Bischof und einen knienden Geistlichen in Pesaro.(Anm.4)
Fischel sah in den Gesichtszügen eine gewisse Ähnlichkeit mit Giuliano de’Medici, erhob aber nicht den Anspruch, dass es sich hier um ein Porträt handelt. Wagner wollte dagegen in dem Dargestellten ein Bildnis Raffaels erkennen. Diese Ansicht wurde offensichtlich durch Marcantonio Raimondis Darstellung des Künstlers angeregt.(Anm.5) Tatsächlich gibt es Übereinstimmungen hinsichtlich der Kleidung und der lagernden Haltung. Und so reizvoll die Idee sein mag, dass Viti hier ein Porträt seines Freundes hinterlassen hat, so wenig stichhaltig sind die an der Figur erkennbaren Argumente, die dafür sprechen könnten. Letztlich muss sogar offen bleiben, womit sich der dargestellte Mann beschäftigt. Davon abgesehen besteht auch keine zwingende physiognomische Ähnlichkeit zu gesicherten Porträts Raffaels.
Die von Fischel beschriebene Herkunft aus der Sammlung Marchetti (Lugt 2911) ist zumindest durch das Kreuz auf dem Blatt nicht eindeutig begründbar. Dieses entspricht viel stärker einem Zeichen, das Lugt einem anonymen Sammler zugewiesenen hat (Lugt 2903 b; vgl. hierzu auch Inv.-Nr. 21498).(Anm.6)

David Klemm

1 Noch vor der Publikation der „Zeichnungen der Umbrer“ hat Fischel der Zuschreibung an Timoteo 1915 brieflich zugestimmt. Vgl. Notiz im Archiv des Kupferstichkabinetts.
2 Anlässlich des Symposiums „Italienische Altmeisterzeichnungen 1450 bis 1800“ am 27. und 28.10.2005 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle.
3 Rom, Istituto Nazionale per la Grafica, Gabinetto Nazionale delle Stampe, Inv.-Nr. FC 127633; vgl. Fischel 1917, S. 171, Nr. 187.
4 Pesaro, Biblioteca Oliveriana, Inv.-Nr. 137 u. Inv.-Nr. 20; Anna Forlani Tempesti, Grazia Calegari: Da Raffaello a Rossini. La Collezione Antaldi. I disegni ritrovati, Ausst.-Kat. Pesaro, Palazzo Montani-Antaldi, o. O. 2001 , S. 24–27.
5 The Illustrated Bartsch 27 (14), 496 (369).
6 Zweifel an der Deutung als Marchetti-Zeichen hat auch Anna Forlani Tempesti geäußert. Vgl. Anna Forlani Tempesti: Disegni di Timoteo Viti alla Biblioteca Oliveriana, in: Festschrift Grassi 1998, S. 64-81, S. 72, Anm. 4; Anna Forlani Tempesti, Grazia Calegari: Da Raffaello a Rossini. La Collezione Antaldi. I disegni ritrovati, Ausst.-Kat. Pesaro, Palazzo Montani-Antaldi, o. O. 2001 , S. 12.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Oben links: "Kreuz" (Zeichen eines anonymen Sammlers; Feder in Schwarz); unten rechts bezeichnet: "J." (Feder in Braun); auf dem Verso bezeichnet: "Tim. delle Viti 8.6 10.9" (Bleistift); Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

Provenienz

Möglicherweise Timoteo Viti (1469/70-1523), Urbino (L. 2463); möglicherweise Viti-Antaldi (16.-19. Jh.), Antaldo Antaldi (1774-1847); Urbino und Pesaro (L. 2245-2246); wohl anonymer Sammler (L. 2903b); wahrscheinlich Samuel Woodburn (1786-1853), London (L. 2588); wahrscheinlich auf dessen Nachlaßauktion 1854 in London (Lugt Ventes 21988) von Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) als Viti erworben; NH Ad : 02 : 01, S. 223 (als Timoteo Viti); NH Ad : 01 : 03, fol. 117 (als Timoteo Viti): "Ein Mann in weitfaltigem Gewand, ein Barett auf dem Kopf ist beschäftigt[?] eine horizontal vor ihm liegende Bild Tafel zu grundiren. Vollendete Kreidestudie. gehöht."; am Rand: "? / Portr."; Legat Harzen 1863 an die "Städtische Gallerie" Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.358-359, Nr.547

Giovanni Moroni: Timoteo Viti nell'ambiente artistico urbinate tra Quattrocento e Cinquecento, Urbino 2007, S.226, Abb.226

Anna Forlani Tempesti: Disegni di Timoteo Viti alla Biblioteca Oliveriana, in: Disegno e Disegni. Per Luigi Grassi Rimini 1998, , S.72, Fußnote 4

Hugo Wagner: Raffael im Bildnis, Berner Schriften zur Kunst, hrsg. v. Hans R. Hahnloser, Band XI, Bern 1969, S.85-86, Abb.58

[Wolf Stubbe]: Italienische Zeichnungen 1500-1800. Ausstellung aus den Beständen des Kupferstichkabinetts, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1957, S.14, Nr.44

Wilhelm Stein: Raffael, Berlin 1923, S.161-162

Oskar Fischel: Die Zeichnungen der Umbrer, in: Jahrbuch der Königlich Preußischen Kunstsammlungen 38, Beiheft, Berlin 1917, , S.180, 184, Nr.200, Abb.332

Wilhelm Koopmann: Einige weniger bekannte Handzeichnungen Raffaels, in: Jahrbuch der Königlich Preußischen Kunstammlungen 12, 1891, S. 40-49, S.43