Samuel van Hoogstraten, Kopie?
Samuel van Hoogstraten, Kopie?
Dargestellt ist eine auch „Caritas Romana“ genannte antike Legende: Cimon, zum Hungertod verurteilt, wurde von seiner Tochter Pero am Leben erhalten, indem sie ihn bei ihren Besuchen im Gefängnis heimlich mit Muttermilch nährte.(Anm.1) Die Zeichnung ist mit dem Namen Van Hoogstratens bezeichnet und wurde noch von Sumowski (1981) als eigenhändig akzeptiert und in die späten 1640er Jahre gesetzt. In den Corpus der Zeichnungen Van Hoogstratens wurde das Blatt auch von Blanc (2008) aufgenommen.(Anm.2) Zwar erinnert das feine Schraffurgerüst grundsätzlich an eigenhändige Zeichnungen aus dieser Zeit, doch besteht Anlass zu Zweifeln an der Autorschaft. Verglichen mit datierten Federzeichnungen der Jahre 1649 und 1650 wirkt die Schraffur hier ungleich schematischer, gut zu erkennen an den rechtwinklig gegeneinander gesetzten Schraffurbündeln ganz links.(Anm.3) Von sicheren Zeichnungen des Künstlers unterscheidet sich auch die Signatur in Schriftbild und Schreibweise.(Anm.4) Da der Namenszug im Farbton mit der Zeichnung übereinstimmt, es sich also nicht um eine spätere Zutat handelt, sollte man davon ausgehen, dass es sich hier um das auf eine heute unbekannten Zeichnung Van Hoogstratens zurückgehende Werk eines Kopisten oder Nachahmers handelt.
Ungewöhnlich ist darüber hinaus der bekleidet und bartlos, mit langem strähnigen Haar wiedergegebene Cimon, der so gar nicht dem für dieses Thema üblichen Greisentypus entspricht.(Anm.5)
Annemarie Stefes
1 Valerius Maximus: Denkwürdige Fakten und Aussprüche, übersetzt von F. Hoffmann, Stuttgart 1928/29, 9, 4.
2 Der in der Literatur gegebene Verweis auf die Auktion J. G. Cramer, Amsterdam 1769 (Lugt Ventes 1786) kann nicht bestätigt werden; dort sind unter den Nummern 1122 und 1123 lediglich gezeichnete Portraits des Künstlers aufgeführt.
3 Vgl. „Opfer Manoahs“, 1649, Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. Z 87, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 5, Gelder - Horst, hrsg. von Walter L. Strauss, New York 1981, Nr. 1108; oder drei Zeichnungen aus dem Jahre 1650: Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1958-2, ebd. Nr. 1111; Otterlo, Rijksmuseum Kröller-Müller, Inv.-Nr. Gr. I, 384, ebd. Nr. 1112; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstich-Kabinett, Inv.-Nr. C 1456, ebd. Nr. 1113. Vgl. auch das undatierte, diesen Zeichnungen aber stilistisch anzuschließende Blatt in Cambridge (Mass.), Harvard Art Museum, Fogg Art Museum, Sammlung Maida and George Abrams, Inv.-Nr. 2008.254, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 5, Gelder - Horst, hrsg. von Walter L. Strauss, New York 1981, Nr. 1115. Auch die von Sumowski unserem Blatt angeschlossenen Zeichnungen in Dordrecht, Dordrechts Museum, Leihgabe Stadsarchief, Inv.-Nr. 2207, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 5, Gelder - Horst, hrsg. von Walter L. Strauss, New York 1981, Nr. 1193 a und in Lübeck, Museum für Kunst- und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck, St. Annen Museum, Inv.-Nr. AB 210, ebd. Nr. 1193 wirken dynamischer und abwechslungsreicher in den schraffierten Partien.
4 „S. Hoogstraaten“ anstelle von „S v Hoogstraten“; vgl. Inv.-Nr. 22050, 22052.
5 Vgl. Rembrandts durch eine Kopie überlieferte Fassung an unbekanntem Standort, Otto Benesch: The Drawings of Rembrandt, 6 Bde., London 1954-57, Bd. 2, Nr. C 9 a; weitere Vergleichsbeispiele aus dem Rembrandt-Kreis sind erwähnt bei Sumowski 1981, S. 2648
Details zu diesem Werk
Beschriftung
Bez. unten rechts: "S. Hoogstraaten" (Feder in Braun)
Verso unten links Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328); unten rechts nummeriert: "84" (Bleistift)Wasserzeichen / Kettenlinien
Lilienwappen, oberer Abschluß vom Schild wie Heawood 1771 (Amsterdam 1646), Krone ähnlich 1785 (1670); Lilie im Wappen ähnlich 1772 (1646), aber seitliche Blätter stärker geschnörkelt
23-25 mm (h)
Provenienz
Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (NH Ad:01:02, fol. 31: "Salomon von Hoogstraaten Pero ernährt ihren gefangenem Vater Cimon. Feder und Bister bez. S Hoogstraate. Feder u Bister in Rembrants Manier ausgeführt 7.1.7.6"; NH Ad: 02: 01, S. 254); Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle
Bibliographie
Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog I Van Aken-Murant, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.289, Nr.460
Jan Blanc: Peindre et penser la peinture yu XVII.e siècle. La théorie de l'art de Samuel van Hoogstraten, Bern 2008, S.343, Nr.D130
Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000, Nr.37 mit Abb.
Rembrandt als Leermeester, Ausst.-Kat. Stedelijk Museum de Lakenhal, Leiden 1956, Nr.136
Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Gelder - Horst, hrsg. von Walter L. Strauss, Bd. 5, , S.2648, Nr.1194x