Rembrandt Harmensz. van Rijn, Zeichner, (?)
Der heilige Hieronymus im Gebet,
Zurück Bildinfos ➕ 🗖

Rembrandt Harmensz. van Rijn, Zeichner, (?)

Der heilige Hieronymus im Gebet,

Rembrandt Harmensz. van Rijn, Zeichner, (?)

Der heilige Hieronymus im Gebet

Dieses Blatt gelangte im September 1927 aus der Sammlung Lugt in das Hamburger Kupferstichkabinett, nachdem es nur wenige Monate zuvor von Frits Lugt erworben wurde. Als Gegenleistung für den „Betenden Hieronymus“ und Elsheimers „Verspottung der Ceres“ erhielt Lugt in diesem Tauschgeschäft 13 niederländische Zeichnungen aus altem Besitz der Hamburger Kunsthalle – darunter Werke von Buytewech, Goltzius, Van Ruisdael und Waterloo.(Anm.1)
Im Rückblick war dieser Tausch für die Kunsthalle in erster Linie mit Blick auf die Elsheimer-Zeichnung ein Gewinn. Das vorliegende Blatt hingegen, wenngleich wohl von Lugt als Rembrandt akzeptiert,(Anm.2) lässt sich nicht unbedingt leicht im Œuvre des Künstlers verankern. Während Valentiner, Benesch, Schaar (Eckhard Schaar: Rembrandt und sein Jahrhundert, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1994) und Röver-Kann (Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, bearb. v. Anne Röver-Kann, Anne Buschhoff, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000) zwar an der traditionellen Zuschreibung und einer Datierung in die zweite Hälfte der 1640er Jahre festhielten, sah Stechow (Wolfgang Stechow: Some Observations on Rembrandt and Lastman, in: Oud Holland 84, 1969, S. 148-162) in dem Blatt die Kopie nach einer von Lastman inspirierten Rembrandt-Zeichnung der späten 1640er Jahre. Auch Holm Bevers notierte nach einem Besuch im Hamburger Kupferstichkabinett Zweifel an der Eigenhändigkeit.(Anm.3)
In einzelnen Stilelementen wie den beweglich verschlungenen Vegetationskürzeln und dem breit aufgetragenen Schraffurgitter erinnert das Blatt an Rembrandt-Zeichnungen der mittleren 1640er Jahre, während der Hang zu eckigen Konturen und sperriger Modellierung bei Rembrandt erst in den mittleren 1650er Jahren zu beobachten ist.(Anm.4) Dies gilt auch für den mit wenigen Strichen angedeuteten Hintergrund. Daneben lassen sich auch die von Röver-Kann konstatierten unbeholfen wirkenden Partien beobachten. Dazu gehören der zittrige, mehrfach ansetzende Strich für die Wiedergabe von Zweigen und Felsnische, oder die Haltung des Heiligen mit dem etwas ungelenk nach hinten gestreckten rechten Arm. Rembrandts bei gegenseitiger Ausrichtung verwandte Radierung des betenden Hieronymus aus der Zeit um 1629/30 (H. 106) wirkt in den schlicht vor der Brust gefalteten Händen des Heiligen überzeugender. Gleichzeitig sprechen die Pentimenti in diesem Bereich – als eigenhändige Korrekturen, die die Suche nach der optimalen Form dokumentieren – gegen eine Funktion als Kopie.
Grundsätzlich erinnert der asketische Typus des büßenden Heiligen an Ferdinand Bols Interpretation des Themas (Inv.-Nr. 22415), die auch stilistisch nicht allzu weit von der vorliegenden Zeichnung entfernt ist.(Anm.5)

1 Zu der Elsheimer-Zeichnung, Inv.-Nr. 1927–105, vgl. Peter Prange: Deutsche Zeichnungen 1450-1800. Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, 2 Bde., Köln u.a. 2007, Nr. 314; zu diesem Tauschgeschäft siehe S. 5 und S. 788; zusätzlich erhielt die Kunsthalle 2000 Mark. Für diese Informationen danke ich Stijn Alsteens (Mitteilung per E-Mail, 11. 11. 2009).
2 Dieser Ansicht ist Stijn Alsteens, siehe Anm. 1.
3 Mündliche Mitteilung nach Studium des Originals, 29. 10. 2004: „Kein Rembrandt“.
4 Z. B. „Noli me tangere“, Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1961-80, Peter Schatborn: Tekeningen van Rembrandt, zijn onbekende leerlingen en navolgers, Catalogus van de Nederlandse Tekeningen in het Rijksprentenkabinet, Rijksmuseum, Amsterdam, Bd. 4, Amsterdam 1985, Nr. 22; für die 1650er Jahre vgl. Inv.-Nr. 22411 und 22413 oder „Joseph, die Träume seiner Mitgefangenen deutend“, Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1901-A-4529, Peter Schatborn: Tekeningen van Rembrandt, zijn onbekende leerlingen en navolgers, Catalogus van de Nederlandse Tekeningen in het Rijksprentenkabinet, Rijksmuseum, Amsterdam, Bd. 4, Amsterdam 1985, Nr. 42.
5 Auch Peter Schatborn sah eine gewisse Nähe zu Bol (Mitteilung per E-Mail, 4. 3. 2010). Als Schöpfer des vorliegenden Blattes ist Bol aber auszuschließen, wie von Jan Leja mit Blick auf das zerfurchte Gesicht und die Pentimenti am rechten Arm hervorgehoben wurde (Mitteilung per E-Mail, 7. 3. 2010).

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso auf dem Kaschierkarton: Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. deest; neuer Stempel der Kunsthalle)

Wasserzeichen / Kettenlinien

nicht feststellbar
ca. 25-26 mm (v)

Provenienz

Aukt.-Kat. London, Sotheby’s, 26. 4. 1927 (1); Frits Lugt (1884–1970), Martensdijk bei Amsterdam, Inv.-Nr. 2883 (2); Ankauf im Tausch von diesem, 20.9.1927 (3)

1)
2)
3) Mit angekauft wurde das Blatt "Die Verspottung der Ceres" von Adam Elsheimer (Inv. Nr. 1927-205). Abgegeben wurden Graphische Blätter von: Buytech, de Bray, Everdingen, Kessel I, Goltzius (2), van Uden, J. van Ruisdael (2), Achtschellings, Troost, den Uly, Waterloo). Die Ankaufssumme für das Blatt von Elsheimer wurde auf 1500,00 RM festgelegt. Siehe HAHK: Slg 623 Verkäufe aus dem Kupferstichkabinett und der Bibliothek, 1.1.1922 bis 31.12.1948, 117.

Bibliographie

Annemarie Stefes, Leonore van Sloten, Leonoor van Oosterzee: Tekenen in Rembrandts tijd. Meesterwerken uit de Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Museum Het Rembrandthuis, Amsterdam 2012, S.124, Nr.91, Abb.S. 60

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog II van Musscher - Zegelaar, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.461-462, Nr.854

Ring, Christian: Gustav Pauli und die Hamburger Kunsthalle. Reisebriefe, Deutscher Kunstverlag 2010, Abb.661

Peter Prange: Deutsche Zeichnungen 1450-1800. Katalog, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 1, Köln u.a. 2007, S.11, 22, Anm. 72

Anne Röver-Kann: Rembrandt, oder nicht? Zur Sammlungsgeschichte dieser Zeichnungen in Hamburg und Bremen, in: Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000, S. 24-29, S.27

Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000, S.27

Rembrandt und sein Jahrhundert, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1994, Nr.97, Abb.S. 94

Otto Benesch: The Drawings of Rembrandt. First complete Edition in six volumes, London 1954-1957, S.Bd. 3, 164-165, Nr.583, Abb.714

Wilhelm R. Valentiner: Rembrandt. Des Meisters Handzeichnungen, Bd. 2, Stuttgart, Berlin 1933, S.119, Nr.559

Gustav Pauli: Die Kunsthalle zu Hamburg 1927. Jahresbericht der Verwaltung, Hamburg 1928, S.10

Wilhelm R. Valentiner: Rembrandt. Des Meisters Handzeichnungen, Bd. 2, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1925-34, Nr.559

Otto u. Eva Benesch: The Drawings of Rembrandt, London 1973, S.Bd. X...

Otto Benesch: Rembrandt. Werk und Forschung, Wien 1935, S.42