Rembrandt Harmensz. van Rijn
Baumallee mit einem Bauernhaus, um 1650
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Rembrandt Harmensz. van Rijn

Baumallee mit einem Bauernhaus, um 1650

Rembrandt Harmensz. van Rijn

Baumallee mit einem Bauernhaus, um 1650

Dieses Blatt ist einer Gruppe von Landschaftsskizzen aus den frühen 1650er Jahren anzuschließen (Anm.1) und wurde wahrscheinlich in der Umgebung von Amsterdam aufgenommen.(Anm.2) Der informelle Charakter des topographisch nicht eindeutig zu bestimmenden Motivs könnte durchaus als Merkmal einer Vor-Ort-Aufnahme bewertet werden.(Anm.3) In jedem Fall gelang dem Künstler eine überzeugende Illusion der natürlichen Fokussierung des Blickes durch die unterschiedlich intensive Ausarbeitung einzelner Partien:(Anm.4) Während links die Holzplanken des Gehöfts konzentriert mit spitzer Feder angegeben werden, werden die Konturen zur rechten Blatthälfte hin zusehends freier und luftiger, und die Windmühle am Horizont ist nur noch mit wenigen kurzen Strichen markiert.
Bei den grauen Pinselstrichen in der rechten Blatthälfte handelt es sich nicht um oxidierte Deckweißkorrekturen, wie in jüngeren Publikationen behauptet wurde,(Anm.5) sondern um Ergänzungen von fremder Hand. Dies wurde bereits vorgeschlagen von Frits Lugt in seiner 1925 verfassten Rezension von Paulis Tafelband (1924). Mit etwas schwerfälligem Pinselstrich in grauer Farbe wurden die Konturen der Baumstämme gefestigt und mit kurzen Schlagschatten versehen.(Anm.6) Auch die größtenteils unbearbeitet gelassenen Felder rechts wurden in dieser Weise abschattiert, und die ursprünglich menschenleere Szenerie um die beiden Figuren am Ende der Allee ergänzt. Ein ähnliches Schicksal blieb auch anderen Rembrandt-Landschaften in Feder nicht erspart: Offensichtlich wurden das vom Künstler beabsichtigte „Non-finito“ der kühnen Kompositionen zu späterer Zeit komplett missverstanden.(Anm.7)

Annemarie Stefes

1 Röver-Kann, in: Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, bearb. v. Anne Röver-Kann, Anne Buschhoff, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000 verwies auf die Zeichnungen in Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Inv.-Nr. R 11, Otto Benesch: The Drawings of Rembrandt, 6 Bde., London 1954-57, Bd. 6, Nr. 1272, Cynthia P. Schneider: Rembrandt's Landscapes. Drawings and Prints, Ausst.-Kat. National Gallery of Art, Washington 1990, Nr. 26 und Chatsworth, Devonshire Collection, Inv.-Nr. 1033, Otto Benesch: The Drawings of Rembrandt, 6 Bde., London 1954-57, Bd. 6, Nr. 1232 u. 1265.
2 Vgl. Peter van der Coelen: Everyday Life in Holland's Golden Age - the complete etchings of Adriaen van Ostade, Ausst.-Kat. Amsterdam, Museum Het Rembrandthuis, Amsterdam 1998, S. 348, Abb. 11.
3 Martin Royalton-Kisch: Rembrandt's Landscape drawings, in: Drawing: Masters and Methods - Raphael to Redon. Papers presented to the Jan Woodner Master Drawings Symposium at the Royal Academy of Arts, London 1992, S. 122 zählte diese Eigenschaft zu den Kriterien von Naturstudien.
4 Bisanz-Prakken bewertete dieses Vorgehen als wichtiges Indiz für eigenhändige Landschaftszeichnungen Rembrandts, in: Die Landschaft im Jahrhundert Rembrandts. Niederländische Zeichnungen des 17. Jahrhunderts aus der Graphischen Sammlung Albertina, Ausst.-Kat. Wien, Graphische Sammlung Albertina, Wien 1993, S. 82.
5 Schaar, in: Eckhard Schaar: Rembrandt und sein Jahrhundert, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1994–95; Röver-Kann, in: Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, bearb. v. Anne Röver-Kann, Anne Buschhoff, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000.
6 Der hierbei verwendete Farbton wurde von Gerlinde Römer und der Verfasserin mikroskopisch untersucht (Juni 2001) und unterscheidet sich deutlich von dem oxidierten Deckweiß der eigenhändigen Korrekturen auf Inv..-Nr. 22411.
7 Z. B. Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 5266, Otto Benesch: The Drawings of Rembrandt, 6 Bde., London 1954-57, Bd. 6, Nr. 1251, vgl. Holm Bevers: Rembrandt. Die Zeichnungen im Berliner Kupferstichkabinett, Ostfildern 2006, S. 147; vgl. ebd. S. 144 zu KdZ 3116, Otto Benesch: The Drawings of Rembrandt, 6 Bde., London 1954-57, Bd. 3, Nr. 835.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso unten links Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

Wasserzeichen / Kettenlinien

-
ca. 30 mm (h)

Verso

Titel verso: Kindliche Skizze eines Bauernhauses

Technik verso: Feder in Braun

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (NH Ad:01:02, fol. 53: "[Rembrant Verfolg.] Eine natürliche Allee, die zu einem von Baumgruppen umgebenen Bauernhause führt. Feder Bister. 7.2.4.2"; NH Ad: 02: 01, S. 266); Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Peter Schatborn, Erik Hinterding: Rembrandt. Sämtliche Zeichnungen und Radierungen, Köln 2019, Nr.Z590, Abb.376

Annemarie Stefes, Leonore van Sloten, Leonoor van Oosterzee: Tekenen in Rembrandts tijd. Meesterwerken uit de Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Museum Het Rembrandthuis, Amsterdam 2012, S.124, Nr.82, Abb.S. 78

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog II van Musscher - Zegelaar, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.456-457, Nr.848

Christiaan Vogelaar, Gregor J. M. Weber: Rembrandt's Landscapes, Ausst.-Kat. Leiden, Stedelijk Museum de Lakenhal, Kassel, Staatliche Museen, Zwolle 2006, S.211, Nr.38 mit Abb.

Petra Roettig, Annemarie Stefes, Andreas Stolzenburg: Von Dürer bis Goya. 100 Meisterzeichnungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2001, S.112-113, Nr.51, Abb.

Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000, Nr.65

Anne Röver-Kann: Rembrandt als Zeichner - Rembrandt als Lehrer, in: Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000, S. 11-17, S.11, 12

Rembrandt und sein Jahrhundert, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1994, Nr.98, Abb.S. 95

Rembrandt's Landscapes. Drawings and Prints, Ausst.-Kat. National Gallery of Art, Washington 1990, Nr.42?

Rembrandt Zeichnungen, Ausst.-Kat. Staatliche Graphische Sammlung, München 1957, Nr.24a

Rembrandt. Ter herdenking van de geboorte van Rembrandt op 15 Juli 1606, Ausst.-Kat. Museum Boymans-van Beuningen, Rotterdam 1956, Nr.170

Otto Benesch: The Drawings of Rembrandt. First complete Edition in six volumes, London 1954-1957, S.Bd. 6, 352, Nr.1231a

Gustav Pauli: Zeichnungen alter Meister in der Kunsthalle zu Hamburg. Niederländer, hrsg. von Hamburger Kunsthalle, Veröffentlichungen der Prestel-Gesellschaft., Bd. 8, Frankfurt a. M. 1924, Abb.Taf. 19

Ausstellung von Zeichnungen Alter Meister aus den Sammlungen der Kunsthalle zu Hamburg, Ausst.-Kat. Kunstverein in Hamburg 1920, Nr.129

Frits Lugt: Rezension zu Pauli 1924, in: Onze Kunst 41, 1925, Nr. 22, S. 162-165, S.163

Otto u. Eva Benesch: The Drawings of Rembrandt, London 1973, S.Bd. 6, 340, Nr.1231a

Otto Benesch: Rembrandt. Werk und Forschung, Wien 1935, S.57

Cornelis Hofstede de Groot: Die Handzeichnungen Rembrandts. Versuch eines beschreibenden und kritischen Kataloges, Haarlem 1906, S.85, Nr.354

Joseph-Emile Muller: Rembrandt, London 1968, Abb.78