Pieter de Hooch, (?) Gabriel Metsu, ehemals zugeschrieben
Ein schlafender Mann wird von einer Frau bestohlen,
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Pieter de Hooch, (?) Gabriel Metsu, ehemals zugeschrieben

Ein schlafender Mann wird von einer Frau bestohlen,

Pieter de Hooch, (?) Gabriel Metsu, ehemals zugeschrieben

Ein schlafender Mann wird von einer Frau bestohlen

Die alte Zuschreibung an Gabriel Metsu wurde erst kürzlich von Adriaan Waiboer und Fred G. Meijer abgelehnt.(Anm.1) Nur sehr wenige Zeichnungen können Metsu selbst zugeschrieben werden, und diese unterscheiden sich in der feinen Ausführung grundsätzlich von dem Hamburger Blatt.(Anm.2) Wohl von gleicher Hand hingegen ist die stilistisch und technisch übereinstimmende Darstellung eines Kartenspielers in Rotterdam, traditionell Pieter de Hooch zugeschrieben.(Anm.3) Auch De Hooch ist als Zeichner nahezu unbekannt.(Anm.4) Dies wird in der Regel durch seine Arbeitsweise erklärt: Vermutlich entwickelte De Hooch seine Kompositionen direkt auf der Leinwand.(Anm.5) Es besteht aber auch die Möglichkeit, den generell geringen Anteil erhaltener Genrezeichnungen auf ihre Zweckgebundenheit zurückzuführen und ihre wenig sorgsame Behandlung durch den Künstler und seine Erben.(Anm.6)
In jedem Fall sind das vorliegende Blatt und sein Rotterdamer „Gegenstück“ gut mit dem thematischen Schwerpunkt des jungen Pieter de Hooch in Einklang zu bringen. In seinen frühen Rotterdamer Jahren waren Bauern und Soldaten, Wirtshausszenen und Wachstuben die bevorzugten Motive.(Anm.7) Diesem Themenkreis ist auch der auf unserem Blatt dargestellte bestohlene Schläfer zuzuordnen. Hierfür gab es eine eigene Bildtradition,(Anm.8) und auch im unmittelbaren Umkreis De Hoochs wurde das Motiv dargestellt: z. B. bei dem ebenfalls aus Rotterdam stammenden Jacob Ochtervelt (1634–1682), mit dem De Hooch zusammen bei Nicolaes Berchem in der Lehre gewesen sein soll, oder dem aus Leiden stammenden Jan Steen.(Anm.9) Steen und De Hooch werden sich zwischen 1654 und 1656 in Delft begegnet sein, und eine gegenseitige Beeinflussung der nahezu gleichaltrigen Künstler erscheint naheliegend.(Anm.10)
Angesichts dieser Zusammenhänge sollte die alte Zuschreibung des Rotterdamer „Kartenspielers“ an De Hooch auf das Hamburger Blatt in Betracht ausgedehnt werden. Mindestens wäre von einer Entstehung im Umkreis des Künstlers auszugehen. Die für szenische Genrezeichnungen ungewöhnliche Verwendung farbig grundierten Papiers ließe sich möglicherweise sogar in Verbindung bringen mit der für De Hooch vermuteten Arbeitsweise: Der gleichmäßig getönte Blattgrund entspricht in seiner Wirkung der präparierten Leinwand. Darüber hinaus wurde mit dem Pinsel eingefärbtes Papier auch von Ludolf de Jongh verwendet, der den jungen De Hooch, Houbraken zufolge, maßgeblich beeinflusst haben soll (vgl. Inv.-Nr. 22867, 22686).(Anm.11)
Unsere Zeichnung wurde mit dem Griffel überarbeitet, gut zu erkennen im Bereich von Konturen und Kreideschraffur. Offensichtlich sollten die hier entworfenen Motive auf einen anderen Bildträger übertragen werden; ein Gemäldebezug erscheint hier am naheliegendsten.(Anm.12)
Zu einem späteren Zeitpunkt, mit Sicherheit nach der Griffelung, wurden einzelne Partien mit dem Pinsel übergangen. Dies betrifft vor allem die Weißhöhungen und die mit bräunlichem Grau lavierten Flächen. Möglicherweise war der Effekt dieser Überarbeitungen ausschlaggebend für die von einigen Autoren vermutete Entstehung im frühen 18. Jahrhundert.(Anm.13)

Annemarie Stefes

1 Adriaan Waiboer, briefliche Mitteilung, 3. 4. 2005; Fred G. Meijer mündlich, 3. 10. 2008, beide auf Grundlage einer Digitalphotographie.
2 Nur drei Zeichnungen können sicher als Werke Metsus akzeptiert werden, und zu diesen fehlt der stilistische Bezug: „Auferstehung Christi“, Montpellier, Musée Fabre, Inv.-Nr. 3661, Egbert Haverkamp Begemann: A 'Resurrection of Christ' by Gabriel Metsu, in: Was getekend ... liber amicorum Prof. Dr. E.K.J. Reznicek, Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek, 38, 1987, S. 93-96, Abb. 2; „Studie einer Hände waschenden Frau“, Frankfurt am Main, Städel Museum, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 929, Peter Schatborn: Dutch Figure Drawings from the seventeenth century, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Washington, National Gallery of Art, Den Haag 1981, S. 85, Abb. 1; „Pfannkuchenbäckerin“, Paris, Petit Palais, Sammlung Dutuit, Inv.-Nr. D-Dut 1003, Regards sur l'art hollandais du XVIIe siècle. Frits Lugt et les Frères Dutuit, collectionneurs, Ausst.-Kat. Paris 2004, Nr. 63.
3 Rotterdam, Museum Bojmans Van Beuningen, Inv.-Nr. H 249 (schwarze Kreide, schwarze und weiße Ölkreide oder Ölfarbe, stellenweise überarbeitet mit Ölfarbe in Grau und Ockergelb, 192 x 181 mm), Corpus Gernsheim 36 505 – für die Übermittlung der technischen Daten dieser unpublizierten Zeichnung danke ich Albert J. Elen.
4 Peter C. Sutton: Hendrick van der Burch, in: The Burlington Magazine 122, 1980, S. 315-326, S. 73 akzeptiert keine der traditionell De Hooch zugeschriebenen Zeichnungen, ebensowenig Michiel C. Plomp: Drawing and Printmaking in Delft during the Seventeenth Century, in: Vermeer and the Delft School, Ausst.-Kat. Metropolitan Museum, New York 2001, S. 171-195, S. 171.
5 Vgl. Michiel C. Plomp: Drawing and Printmaking in Delft during the Seventeenth Century, in: Vermeer and the Delft School, Ausst.-Kat. Metropolitan Museum, New York 2001, S. 171-195, S. 183.
6 Ebd.
7 Vgl. die „Zwei trinkenden Soldaten“, um 1650/55, Privatbesitz, Peter C. Sutton: Hendrick van der Burch, in: The Burlington Magazine 122, 1980, S. 315-326, Nr. 9; „Tricktrack-Spieler“, Dublin, National Gallery of Ireland, Inv.-Nr. 322, ebd. Nr. 12 (um 1652/55), „Wirtshausszene“, Privatbesitz, ebd. Nr. 13, oder die „Kartenspielenden Soldaten“, Schweizer Privatbesitz, ebd. Nr. 25 (um 1657/58).
8 In besonderer Weise ausgeprägt in den „Kortegaartjes“ des Jacob Duck,
z. B. im Kunsthandel Otto Naumann Ltd., New York, in Bostoner Privatbesitz sowie in Prag, Národní Gallerie, Inv.-Nr. O 10622, Salomon 1998, Abb. 9–11. Das Thema war im 17. Jahrhundert allgemein beliebt, vgl. die kürzlich von Peter Schatborn publizierte Zeichnung in Paris, Fondation Custodia, Inv.-Nr. 5993, um 1650, in: Festschrift In Arte Venustas. Studies on Drawings in Honour of Teréz Gerszi. Presented on Her Eightieth Birthday, hrsg. von Andrea Czére, Budapest 2007, Nr. 53, mit Verweis auf ein Gemälde gleichen Themas von der Hand des Nicolaes Maes, englischer Privatbesitz, León Krempel: Studien zu den datierten Gemälden des Nicolaus Maes, Petersberg 2000, Nr. D 39, um 1655.
9 Jacob Ochtervelt, „Schlafender Soldat“, um 1660/63, Manchester City Art Galleries, Inv.-Nr. 1979.483, Senses and Sins. Dutch Painters of Daily Life in the Seventeenth Century, Ausst.-Kat. Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Frankfurt am Main, Städel Museum und Städtische Galerie, Ostfildern-Ruit 2004, S. 260, Abb. 1; zu der gemeinsamen Lehre bei Berchem vgl. Arnold Houbraken: De groote Schouburg der Nederlantsche konstschilders en schilderessen … zijnde een vervolg op het schilderboek van K. van Mander, 3 Bde., ’s Gravenhage 1718-1721, Bd. 2, S. 34–35. Vergleichbare Darstellungen Steens befinden sich beispielsweise in Paris, Musée du Louvre, Inv.-Nr. RF 301, Wilhelm Martin: Jan Steen, Amsterdam 1954, Abb. 47 (um 1665/68). Darüber hinaus erwähnte Hofstede de Groot 1907, Bd. 1, Nr. 840 a, ein thematisch offenbar eng verwandtes Gemälde unbekannten Standorts: „Ein junger betrunkener Mann lehnt, den Kopf auf den Arm aufgestützt, bei einer Tonne. Hinter ihm eine Frau, die ihm seine Börse stiehlt“, zuletzt auf der Auktion D. de Jongh, Rotterdam, 26. 3. 1810.
10 Steen lebte zwischen 1654 und 1656 in Delft, Pieter de Hooch von 1652 oder 1655 bis 1660.
11 Siehe Anm. 9.
12 Dazu wurde vermutlich ein mit schwarzer Kreide bestrichenes Papier unter die Zeichnung gelegt. Ein entsprechendes Gemälde ist bislang nicht bekannt.
13 An eine Entstehung im frühen 18. Jahrhundert dachte beispielsweise Egbert Haverkamp Begemann auf Grundlage einer Digitalphotographie (Mitteilung per E-Mail, 23. 2. 2009). Peter Schatborn zog alternativ eine Entstehung im späten 17. Jahrhundert in Betracht und fühlte sich erinnert an Moses ter Borch (mündlich, 16. 5. 2009), ebenfalls auf Grundlage einer Digitalphotographie. Ter Borchs grundsätzlich verwandte Kopfstudien auf blauem Papier sind indes deutlich nuancierter modelliert, vgl. Alison McNeil Kettering: Drawings from the Ter Borch Studio Estate, Catalogue of the Dutch and Flemish drawings in the Rijksprentenkabinet, Amsterdam, 5, 2 Bde., ’s-Gravenhage 1988, Nr. M 53-M 59, M 67-M 69.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Bezeichnet unten links: "G. Metsu" (schwarze Kreide)

Auf dem Verso unten links Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

Wasserzeichen / Kettenlinien

nicht feststellbar
ca. 25-30 mm (v)

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (NH Ad:01:02, fol. 43: "Gabriel Metzu. Einem schlafenden Bauern zieht ein altes Weib den Geldbeutel aus der Tasche. Geistvolle Zeichnung in Kreide auf grau grundiertem Papier, weiß gehöht. 7.2.8.9. Bez G. Metsu"; NH Ad: 02: 01, S. 257); Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog I Van Aken-Murant, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.284-285, Nr.454