Philipp Otto Runge
Philipp Otto Runge
Die drei Blätter Inv.-Nr. 1938-54 bis 1938-56 zeigen verschiedene Ansichten des „Torso vom Belvedere“, eines hellenistischen Originals, das aufgrund der großen Bewunderung durch Michelangelo Berühmtheit erlangte (Anm. 1). Abgüsse des Torsos befanden sich seit 1789 in Kopenhagen (Anm. 2) und in Dresden (Anm. 3). Stubbe hat für Inv. Nr. 1938-56 unter Hinweis auf das Wasserzeichen des verwendeten Papiers, das sich auf anderen in Dresden verwendeten Blättern findet, und auf die zeichnerische Qualität die Entstehung in Dresden glaubhaft machen können (Anm. 4). Tatsächlich steht das Blatt in dem die Plastizität betonenden Einsatz der Kreide den Nachzeichnungen nach Domenichino und Raffael nahe.
Eine Entstehung auch der anderen Zeichnungen nach dem „Torso vom Belvedere“ erst in Dresden ist anzunehmen, doch könnte zumindest Inv. Nr. 1938-56 aufgrund seiner Nähe zum dortigen Akademiestil auch bereits in Kopenhagen entstanden sein, während die beiden Rückenansichten auf Inv. Nr. 1938-54 stilistisch dem Öleingießer (Inv. Nr. 1938-42) und anderen in Dresden entstandenen Antikennachzeichnungen ähneln.
Peter Prange
1 Zur Rezeption vgl. Francis Haskell/Nicolas Penny: Taste and the Antique. The Lure of classical Sculpture 1500-1900, New Haven-London 1981, S. 311-314, Nr. 80, Abb.
2 Jan Zahle: Wiedewelt and Plaster Casts in Copenhagen, in: Johannes Wiedewelt. A Danish Artist in Search of the Past, Shaping the Future, hrsg. von Marjatta Nielsen/Annette Rathje, Kopenhagen 2010, S. 152. Auf einem Gemälde von Martens, das den Blick auf die Nordostecke des Gipssaales zeigt, ist der „Torso“ an der Ostseite aufgestellt, vgl. Zahle 2010, S. 161, Abb. 7.
3 Bildwerke des Altertums in Abgüssen aus dem Albertinum zu Dresden, Dresden 1953, S. 131, Nr. 237, Abb.
4 Stubbe 1974, S. 20.
verso:
Die bisher nicht näher bestimmte Zeichnung zeigt einen Wettkämpfer in weitausschreitender, nach vorn gebeugter Haltung mit gesenkten Armen, dabei einen potenziellen Gegner mit zur Seite geworfenen Kopf beobachtend. In Dresden befanden sich im Japanischen Palais von 1786-1894 im sogenannten „Saal der Sphäristen“ insgesamt vier antike Kämpferstatuen, die 16732 in Acqua Santa bei Rom gefunden und 1728 aus der Sammlung Flavio Chigis erworben wurden (Anm. 1). Die genaue Bestimmung der Zeichnung Runges ist aufgrund der komplexen Restaurierungsgeschichte der Statuen, die durch barocke Ergänzungen und Purifizierungen am Ende des 19. Jahrhunderts bestimmt ist, nicht eindeutig möglich, doch handelt es sich wahrscheinlich um die Kopie nach der Statue eines jugendlichen Wettkämpfers, dessen Arme heute fehlen, die zu Runges Zeiten jedoch von Guiseppe Mazzuoli ergänzte Arme hatte (Anm. 2).
Einer der vier antiken Kämpferstatuen aus Dresden ist auch auf einem Blatt in Privatbesitz dargestellt (Anm. 3).
Peter Prange
1 Vier Kämpferstatuen, Skulpturensammlung Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Inv. Nr. Hm 233-235, vgl. Katalog der antiken Bildwerke II. Idealskulptur der römischen Kaiserzeit 2, Skulpturensammlung Staatliche Kunstsammlungen Dresden, hrsg. von Kordelia Knoll, Christiane Vorster, Moritz Woelk, München 2011, S. 728.
2 Statue eines jugendlichen Kämpfers, Skulpturensammlung Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Inv. Nr. Hm 233, vgl. Bildwerke 2011, S. 730-734, Nr. 169, Abb. Kordelia Knoll, Dresden, vermutet dagegen eine Zeichnung nach einem der beiden bärtigen Kämpfer Inv. Nr. Hm 236 oder Hm 235 (email vom 27. April 2015), vgl. Bildwerke 2011, S. 738-749, Nr. 171 und 172, Abb.
3 Studien zu einem nackten Kämpfenden, schwarze Kreide, 401 x 279 mm, Privatbesitz, vgl. Traeger 1975, S. 316-317, Nr. 211, Abb.
Details zu diesem Werk
Beschriftung
Verso
Titel verso: Skizze eines männlichen Akts, von rechts gesehen
Technik verso: Schwarze Kreide
Provenienz
Nachlass des Künstlers; ab 1810 im Besitz des Bruders Johann Daniel Runge (1767-1856), Hamburg; nach dessen Tod am 12. 3. 1856 im Besitz der Witwe Philipp Otto Runges, Pauline Runge (1785-1881), geb. Bassenge; wohl als deren Geschenk an ihren Enkel Paul Runge (1835-1899), Berlin (Sohn des Otto Sigismund Runge (1806-1839); Philipp Otto Runge (1866-1925; Sohn des Vorigen), Berlin; Hans Runge (1900-?; Sohn des Vorigen), Berlin (bis 1938); erworben 1938 von C. G. Boerner, Leipzig
Bibliographie
Jörg Traeger: Philipp Otto Runge und sein Werk. Monographie und kritischer Katalog, München 1975, S.316, Nr.210a, Abb.
Gunnar Berefelt: Philipp Otto Runge zwischen Aufbruch und Opposition 1777-1802, Stockholm Studies in History of Art, Bd. 7, Stockholm 1961, S.158, Anm. 5
Deutsche Handzeichnungen der Romantikerzeit. Deutsche Graphik des frühen XIX. Jahrhunderts. Deutsche Zeichnungen der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts, Auktion 199, 25. 5. 1938, C. G. Boerner, Leipzig 1938, S.15, Nr.132