Philipp Otto Runge
Heilige Familie mit dem Johannesknaben, heiliger Anna und zwei Putten, 1799
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Philipp Otto Runge

Heilige Familie mit dem Johannesknaben, heiliger Anna und zwei Putten, 1799

Philipp Otto Runge

Heilige Familie mit dem Johannesknaben, heiliger Anna und zwei Putten, 1799

Die beiden Blätter mit Darstellungen der Hl. Familie gehören zu mehreren Studien des Themas, die Daniel für die Jahre 1797 bis 1799 erwähnt hat (Anm. 1). Wie bei Inv. Nr. 1938-138 sind beide Zeichnungen von italienischen Vorbildern inspiriert, ohne dass sich bisher eine konkrete Vorlage benennen ließe. Klemm hat für das Haltungsmotiv des Christusknaben auf Diana Scultoris Kupferstich nach Francesco Salviatis Gemälde „Die Heilige Familie mit einer jungen Frau und einem Kind“ hingewiesen (Anm. 2), auf dem der Christusknabe in ähnlicher Weise auf Marias Schoß sitzt, das zentrale Motiv der Zuwendung der beiden Knaben allerdings fehlt.
Im Mittelpunkt der beiden Blätter steht aber die Begegnung zwischen Christus und Johannes, die Daniels Beschreibung entspricht, dass Christus Johannes „mit beiden Händchen an den Kopf faßt, und ihm mit unbeschreiblicher Lieblichkeit in die Augen blickt.“ (Anm. 3) Es hat den Anschein, dass Runge das Thema der Hl. Familie mehrmals darstellt, um das Motiv der sich einander zuwendenden Kinder, das zu seinen grundlegenden Themen werden sollte, variieren zu können. Dabei gibt Runge anscheinend verschiedene Modi vor: Während Inv. Nr. 34253 in seinem intim-familiären Charakter an eine Genreszene erinnert, ist Inv. Nr. 34254 durch die Anordnung der Figuren – Johannes ist als Rückenfigur gegeben – insgesamt geschlossener in der Komposition im Sinne eines repräsentativen Heiligenbildes – eine Intention, die durch die über der Heiligen Familie erscheinenden Engel noch unterstrichen wird. Auch dass Runge das Blatt noch mit dem Pinsel ausgemalt und damit finaler behandelt hat, spricht für eine insgesamt anspruchsvollere Variante, in der er den Familiengedanken sakralisiert.
Gegenüber der unbeholfenen Zeichenweise auf Inv. Nr. 1938-138 sind beide Blätter insgesamt sicherer, weshalb ihre Entstehung erst 1799 anzunehmen ist. Allerdings zeigen auch sie noch kompositorische Schwächen, die an Details, wie etwa Maria ihren Arm um den Christusknaben legt, ablesbar sind.
Die intensive Beschäftigung mit dem Thema der hl. Familie in der Frühzeit geht wahrscheinlich auf Runges Lehrer Hardorff zurück, der sich in Zeichnungen und Lithographien wiederholt dem Thema gewidmet hatte (Anm. 4).

Peter Prange

1 Vgl. HS I, S. 248-249.
2 Klemm 2013, S. 265, Abb. 8.
3 HS I, S. 249.
4 Vgl. Traeger 1973, S. 136, und Vagt 1984, S. 217-219, Nr. 139-142.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso unterhalb der Mitte datiert: "(1799)" (Blesitift); links daneben bezeichnet: "P 3" (Bleistift)

Provenienz

Nachlass des Künstlers; ab 1810 im Besitz des Bruders Johann Daniel Runge (1767-1856), Hamburg; nach dessen Tod am 12. 3. 1856 im Besitz der Witwe Philipp Otto Runges, Pauline Runge (1785-1881), geb. Bassenge; als deren Geschenk an den Kunstverein in Hamburg, 30. 4. 1856 (Hamburger Kunsthalle, Archiv des Kupferstichkabinetts, Archiv Nr. 307, Catalog der Sammlung des Kunst-Vereins in Hamburg, S. 105, Nr. 495 c: "3 Blt. heilige Familien, eines bezeichnet P. O. Runge 1799 Feder und Tusche. Hamburg (?) und Copenhagen 1799 8° & 4to"); Geschenk des Kunstvereins in Hamburg an das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, 1891

Bibliographie

David Klemm: Runge und die italienische Kunst, in Kosmos Runge. Das Hamburger Symposium, hrsg. von Markus Bertsch, Hubertus Gaßner, Jenns Howoldt, München 2013, S.265, Abb. 7

Kosmos Runge. Der Morgen der Romantik. Katalogteil, hrsg. von Markus Bertsch, Uwe Fleckner, Jenns Howoldt, Andreas Stolzenburg, München 2010, S.72, 383, Nr.24, Abb.

David Klemm: Runges Kopien nach Graphiken und Zeichnungen, in: Kosmos Runge. Der Morgen der Romantik, hrsg. von: Markus Bertsch, Uwe Fleckner, Jenns Howoldt, Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2010, S.72

Jörg Traeger: Aus Philipp Otto Runges Anfängen als Maler. Eine frühe Fassung der "Ruhe auf der Flucht". Mit Bemerkungen zu Otto Sigismund Runge, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 55, 1992, Nr. 4, S. 463-482, S.471-472

Cornelia Vagt: Gerdt Hardorff d.Ä. und sein Werk. Monographie und Katalog, Kiel, Univ., Diss. 1984, S.99

Runge in seiner Zeit, hrsg. von Werner Hofmann, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1977, S.150, Nr.111, Abb.

Jörg Traeger: Philipp Otto Runge und sein Werk. Monographie und kritischer Katalog, München 1975, S.26, 83, 257, Nr.58, Abb.

Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, hrsg. von Hamburger Kunsthalle und Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Bd. 19, 1974, S.13-36

Jörg Traeger: Gerdt Hardorff, ein früher Lehrer Runges, in: Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen 18, Hamburg 1973, S. 125-154, S.136

Gunnar Berefelt: Philipp Otto Runge zwischen Aufbruch und Opposition 1777-1802, Stockholm Studies in History of Art, Bd. 7, Stockholm 1961, S.105, 157

Otto Böttcher: Philipp Otto Runge. Sein Leben, Wirken und Schaffen, Hamburg 1937, S.140, 290, 297, Nr.1, Abb.Taf. 2

Charlotte Hintze: Kopenhagen und die deutsche Malerei um 1800, München 1937, S.50

Gustav Pauli: Philipp Otto Runges Zeichnungen und Scherenschnitte in der Kunsthalle zu Hamburg, Berlin 1916, S.27, Nr.3

Philipp Otto Runge: Hinterlassene Schriften, hrsg. von Daniel Runge, Bd. 1, Hamburg 1840 (Reprint: Göttingen 1965), S.248-249