Philipp Otto Runge
Geometrische Figur zur "Farbenkugel", Figur 8,
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Philipp Otto Runge

Geometrische Figur zur "Farbenkugel", Figur 8,

Philipp Otto Runge

Geometrische Figur zur "Farbenkugel", Figur 8

Figur acht zur Farbenkugel definiert Punkt „g“, das Grau, als Bezugspunkt aller Mischungsverhältnisse horizontal auf der Scheibe und vertikal auf der Achse, von dem alle Farben ausgehen und in dem alle Mischungen aufgehen: „§20. Dieser Punct ist also, da er in gleicher Differenz mit allen fünf Elementen steht, als der allgemeine
Mittelpunct von allen anzusehen.
§21. Alle Mischungen, welche aus der Neigung irgend eines Punctes von dem ganzen Farbenkreise in Weiß oder in Schwarz hervorgehen, (eine Neigung, die allen diesen Puncten gemein ist) werden sich in allmähligen Abstufungen nach W. und nach S. verlieren, und müssen, (da alle nur das Produkt je zweyer reiner Farben sind, und sich als solche bloß zu Weiß oder zu Schwarz neigen) als ganz frey von Zumischung einer dritten Farbe gedacht werden. Sie sind also in jedem Puncte ihrer Neigung in derselben Differenz von dem
Mittelpuncte g. als der Zusammenwürkung dreyer Farben, (oder vielmehr als der Nichterscheinung aller Individualität der Elemente, im Gegensatze von der deutlichen Zusammenwürkung und Erscheinung in den ebengedachten Mischungen) und bilden mithin, da die Differenzen aller Puncte ihrer Neigungen (zu W. oder S.) mit dem Mittelpuncte g. Radien ausmachen, lauter in die Pole W. und S. ablaufende Bogenlinien oder
Quadranten. Wodurch denn das ganze Verhältniß aller fünf Elemente zu einander, durch ihre Differenzen und durch ihre Neigungen, die vollkommene Kugelfigur formiert, deren Oberfläche alle fünf Elemente, und diejenigen Mischungen derselben enthält, welche in freundlicher Neigung der Qualitäten zu einander erzeugt werden, und nach deren Mittelpuncte zu alle Nuancen der Oberfläche in gleicher Stufenfolge sich in ein völlig
gleichgültiges Grau auflösen: in Verhältnissen, wie ferne sie mit gleicher oder ungleicher Würksamkeit der gesammten Elemente sich berührt haben. So wie überhaupt in jeder Bildung die Größe aus der Differenz, und die Form aus der Neigung der Elemente zu einander hervorgeht.“ (Anm. 1)
Lange hat darauf hingewiesen, dass Runge sein Vokabular von „der Mathematik über das der darstellenden Geometrie zu dem der Geographie“ verändert (Anm. 2), um die Verhältnisse der Mischungen untereinander und ihre „Dreidimensionalität“ als Kugel definieren zu können. Als Runge sein Manuskript 1809 der Patriotischen Gesellschaft übergab, waren auch ein dreidimensionales Modell der Farbenkugel beigefügt, das „Globus“ genannt wurde (Anm. 3).

Peter Prange

1 Farbenkugel oder Construction des Verhältnisses aller Mischungen der Farben zu einander und ihrer vollständigen Affinität; mit angehängtem Versuch einer Ableitung der Harmonie in den Zusammenstellungen der Farben. Von Philipp Otto Runge, Mahler, Hamburg 1810, § 20-22, vgl. auch HS I, S. 121-122.
2 Lange, in: Runge 2010, S. 211.
3 Vgl. HS I, S. 129.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten Mitte bezeichnet: "Fig. 8" (Feder in Schwarz); der Kreis an den Schnittstellen mit den Diagonalen und der Vertikalen bezeichnet: "R / W / Gr / S" (Feder in Schwarz); der innere Kreis an den Schnittpunkten mit den Diagonalen bezeichnet: "O / V / B / G" (Feder in SChwarz); Der Schnittpunkt der Diagonalen und der Vertikalen bezeichnet: "g" (Feder in Schwarz); die Diagonale von links oben nach rechts unten bezeichnet: "Radien / Radien" (Feder in Schwarz)

Provenienz

Nachlass des Künstlers; ab 1810 im Besitz der Witwe Pauline Runge (1785-1881), geb. Bassenge; Geschenk an den Kunstverein in Hamburg, 30. 4. 1856; Geschenk des Kunstvereins in Hamburg an das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, 1891

Bibliographie

Saskia Pütz: "Aufhebung aller Individualität"- Die Farbe Grau bei Philipp Otto Runge im Kontext seiner religiösen Anschauung, in:Die Farben der Romantik. Physik und Physiologie, Kunst und Literatur, hrsg. Walter Pape, de Gruyter, 2014, S.57-72, Abb.

Kosmos Runge. Die Nachtseite der Dinge. Philipp Otto Runges Sehnsucht nach neuen Horizonten und die Gegenwart, hrsg. von Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland e.V., Verlag Ch. Möllmann 2011, Abb.248

Kosmos Runge. Der Morgen der Romantik. Katalogteil, hrsg. von Markus Bertsch, Uwe Fleckner, Jenns Howoldt, Andreas Stolzenburg, München 2010, S.211, 391, Nr.157 h

Thomas Lange: Das bildnerische Denken Philipp Otto Runges, Berlin. München 2010, S.82, 86, Abb.25 auf S. 84

zu: Der Hang zum Gesamtkunstwerk. Liste der ausgestellten Werke und Dokumente, Ausst.-Kat. Zürich 11.2.-30.4.1983, Zürich 1983, S.21

Jörg Traeger: Philipp Otto Runge und sein Werk. Monographie und kritischer Katalog, München 1975, S.473, Nr.509h

Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, hrsg. von Hamburger Kunsthalle und Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Bd. 19, 1974, S.13-36

Runge, Philipp Otto: Farben-Kugel oder Construction des Verhältnisses aller Mischungen der Farben zu einander und ihrer vollständigen affinität; mit angehängtem Versuch einer Ableitung der Harmonie in den Zusammenstellungen der Farben in der Natur, hrsg. von Steffens, Hendrik, Halle 1810, S.4 ff., Nr.1-8

Philipp Otto Runge: Hinterlassene Schriften, hrsg. von Daniel Runge, Bd. 1, Hamburg 1840 (Reprint: Göttingen 1965), S.116 ff., Abb.1-8