Philipp Otto Runge
Die Rahmenkomposition,
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Philipp Otto Runge

Die Rahmenkomposition,

Philipp Otto Runge

Die Rahmenkomposition

Am 27. Juli 1802 teilte Runge Daniel mit, das er jetzt sein Bild der Nachtigall ausführe, „und bin überzeugt, daß es ein schönes in Hinsicht der Composition wird, die ich jetzt erst recht zu verstehen anfange; ich habe mir die Arabeske, die beiden Köpfe, das Gewand, den Baum, jedes besonders aufgezeichnet.“ (Anm. 1) Während des Malprozesses kam Runge zur Klärung von Einzelheiten, der er in gesonderten Studien nachging. Von den erwähnten Studien müssen die beiden Köpfe Psyches und Amors als verloren gelten (Anm. 2); die „Arabeske“ meint eine über Inv. Nr. 34268 hinausgehende Rahmenkomposition, die mit dem vorliegenden Blatt identisch ist. Runge hat es ebenfalls am 27. Juli beschrieben: „Und in das Basrelief kommt oben über wieder Amor mit der Leyer; dann auf der einen Seite der Genius der Lilie, der ruhig in dem Blumenkelche sitzt unter einem Eichenzweige (mit der Nachtigal, die sich ihm auf die Hand gesetzt hat, vertraut), der ihm jedoch den Amor verbirgt; auf der andern Seite der Genius der Rose, der mit Sehnsucht in den Eichenzweig, woraus ihm der Ton entgegenkommt, nach der Nachtigal langt. Auf diese Weise kommt eins und dasselbe dreymal in dem Gemählde vor, und wird immer abstracter und symbolischer, je mehr es aus dem Bilde heraustritt.“ (Anm. 3) Der „wieder“ oben sitzende Amor mit der Leier bezieht sich auf den gleichzeitig entstandenen „Triumph Amors“ (vgl. Inv. Nr. 34239), von dem er leicht variiert direkt übernommen wurde. Sonst entspricht die Rahmenkomposition in der Ornamental-arabesken Anordnung der Pflanzen weitgehend Runges erstem Entwurf (Inv. Nr. 34268), doch wurde unten eine Libelle hinzugefügt, die als Motiv bereits auf Inv. Nr. 34225 vorkam, und oben das Eichenlaub üppiger.
In der Verwendung der weichen Kreide steht das Blatt vor allem den Gewandstudien nahe (vgl. Inv. Nr. 34264-34266), weshalb kein Zweifel bestehen kann, dass es sich um das von Runge erwähnte Blatt handelt. Es diente mit leichten Abwandlungen im Blattwerk als unmittelbare Vorlage für die Rahmung der ersten Gemäldefassung; ob die auf dem Entwurf erkennbaren Linien in Bleistift als Quadratur zur Übertragung auf das Gemälde dienten, oder ob es sich um Konstruktionslinien zur Anfertigung der Zeichnung handelt, muss offen bleiben.
Ob das Blatt jener „Rahm zu dem Bilde“ ist (Anm. 4), den Runge als Weihnachtsgeschenk im Dezember an Caroline Perthes gesandt hatte, lässt sich nicht eindeutig entscheiden (vgl. dazu Inv. Nr. 34268). Schümanns Angabe, es befände sich wie bei der zweiten Gemäldefassung auf der ovalen Rahmenleiste die Umschrift nach Klopstocks Versen (Anm. 5), ist unzutreffend.

Peter Prange

1 Brief vom 27. Juli 1802 an Daniel, vgl. HS II, S. 141.
2 Vgl. Traeger 1975, S. 334-335, Nr. 246-247.
3 HS I, S. 223.
4 Brief an Caroline Perthes vom 13. Dezember 1802, vgl. Philipp Otto Runge. Briefe in der Urfassung, hrsg. von Karl Friedrich Degner, Berlin 1940, S. 75.
5 Schümann, in: Kat. Hamburg 1969, S. 277, Nr. 2.

Details zu diesem Werk

Provenienz

Nachlass des Künstlers; ab 1810 im Besitz des Bruders Johann Daniel Runge (1767-1856), Hamburg; nach dessen Tod am 12. 3. 1856 im Besitz der Witwe Philipp Otto Runges, Pauline Runge (1785-1881), geb. Bassenge; als deren Geschenk an den Kunstverein in Hamburg, 30. 4. 1856 (Hamburger Kunsthalle, Archiv des Kupferstichkabinetts, Archiv Nr. 307, Catalog der Sammlung des Kunst-Vereins in Hamburg, S. 107, Nr. 495 m1/9.: " 1/9 . 9 Bt. Lehrstunde der Nachtigall. Dresden 1801-3. ... 8/9, 2 verschiedene Entwürfe zum Rahmen des Bildes. Tusche und Kreide Royfol"); Geschenk des Kunstvereins in Hamburg an das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, 1891

Bibliographie

Edda Hevers: „Ein Gebäude für meine Bilder“. Runges Traum vom (inneren) Raum, in: Kosmos Runge. Das Hamburger Symposium, hrsg. von Markus Bertsch, Hubertus Gaßner und Jenns Howoldt, München 2013, S.56, Taf. 7

Johannes Grave: Runges Poetologie der bildlichen Darstellung. Überlegungen zur Lehrstunde der Nachtigall, in: Kosmos Runge. Das Hamburger Symposium, hrsg. von Markus Bertsch, Hubertus Gaßner und Jenns Howoldt, München 2013, S.163, Taf. 7

Kosmos Runge. Der Morgen der Romantik. Katalogteil, hrsg. von Markus Bertsch, Uwe Fleckner, Jenns Howoldt, Andreas Stolzenburg, München 2010, S.120, 385, Nr.78, Abb.

Thomas Lange: Das bildnerische Denken Philipp Otto Runges, Berlin. München 2010, S.10, 189, Abb., Abb.72 auf S. 189

Pauline Kintz: Alles was wir sehen, ist ein Bild. Philipp Otto Runge in het licht van de vroeg-romantische poezietheorie van Friedrich Schlegel en Novalis, Delft 2009, S.245, Abb., 261, Abb, Abb.13.1, A.. 13.22

Lange, Thomas: Das bildnerische Denken Philipp Otto Runges (1777-1810), München 2006, S.6, 231, Abb.77

Edda Hevers: " ... daß die Elemente der Kunst in den Elementen selbst nur zu finden sind". Innere und äußere Natur in Philipp Otto Runges Lehrstunde der Nachtigall, in: Kunst. Die andere Natur, hrsg. von Reinhard Wegner, Göttingen 2004, S. 34-50, S.36, Abb.5 auf S. 43

Marcel Baumgartner: Goethes Metamorphose der Pflanzen und die Arabeske bei Tischbein, Runge und Goethe, in: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751-1829). Das Werk des Goethe-Malers zwischen Kunst, Wissenschaft und Alltagskultur, hrsg. von Arnd Friedrich, Fritz Heinrich, Christiane Holm, Petersberg 2001, S.213, Abb. 1

Hanna Hohl: Philipp Otto Runge- Der denkende Zeichner, in: Kunsträume. Die Länder zu Gast in der Nationalgalerie Berlin, Berlin 1987, S. 21-52, Nr.1, Abb.S. 30

Philipp Otto Runge Caspar David Friedrich aus der Hamburger Kunsthalle, dem Kunsthistorischen Museum und der Graphischen Sammlung Albertina in Wien, Ausst.-Kat. Oberes Belvedere, Wien 1978, S.99-103, 110, Nr.56, Abb.S. 102

Jörg Traeger: Philipp Otto Runge oder die Geburt einer neuen Kunst, München 1977, S.22, 84, Abb.16 auf S. 19

Runge in seiner Zeit, hrsg. von Werner Hofmann, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1977, S.165, Nr.132, Abb.

Jörg Traeger: Philipp Otto Runge und sein Werk. Monographie und kritischer Katalog, München 1975, S.80, 118, 186, 332-333, Nr.241, Abb.

Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, hrsg. von Hamburger Kunsthalle und Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Bd. 19, 1974, S.13-36

Katalog der Meister des 19. Jahrhunderts in der Hamburger Kunsthalle, bearb. von Eva Maria Krafft, Carl-Wolfgang Schümann, Hamburg 1969, S.277

Philipp Otto Runge: Hinterlassene Schriften, hrsg. von Daniel Runge, Bd. 2, Hamburg 1841 (Reprint: Göttingen 1965), S.141, 195

Philipp Otto Runge 23. Juli 1777 Wolgast - 2. Dezember Hamburg 1810. Zeichnungen und Scherenschnitte. Gedächtnis-Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle aus Anlaß der 150. Wiederkehr seines Todestages, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1960, S.16, Nr.92

Degner, Karl Friedrich: Philipp Otto Runge. Briefe in der Urfassung (Bekenntnisse deutscher Kunst 1), Berlin 1940, S.75

Christian Adolf Isermeyer: Philipp Otto Runge, Die Kunstbücher des Volkes, Bd. 32, Berlin 1940, S.127

Gustav Pauli: Philipp Otto Runges Zeichnungen und Scherenschnitte in der Kunsthalle zu Hamburg, Berlin 1916, S.31, Nr.42

Jahresbericht der Kunsthalle zu Hamburg für 1892, Hamburg 1893, S.44, 48

Philipp Otto Runge: Hinterlassene Schriften, hrsg. von Daniel Runge, Bd. 1, Hamburg 1840 (Reprint: Göttingen 1965), S.33, 223, 224