Philipp Otto Runge
Der Tag (Vorlage für die Druckgraphik - Variante A und Variante B), 1803
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Philipp Otto Runge

Der Tag (Vorlage für die Druckgraphik - Variante A und Variante B), 1803

Philipp Otto Runge

Der Tag (Vorlage für die Druckgraphik - Variante A und Variante B), 1803

Am 30. Juli 1803 war Runge mit seinen Zeichnungen „ganz fix und fertig geworden, selbst mit den Änderungen, die ich an einer noch machen mußte.“ (Anm. 1) Die Erwähnung einer Änderung bezieht sich auf die Alternativlösung im oberen Bereich der Rahmenkomposition auf beiden Seiten. Runge sah dort zunächst unterhalb der beiden Engel von Schlangen umgebene Gesetzestafeln mit Gewölk vor, aus dem Blitze nach unten zuckten. Diese Rahmenkomposition hat Runge in den letzten Julitagen im oberen Bereich mit einer neuen Lösung überklebt, die Daniel beschrieben hat: „Eben so, wie diese Glorie sich nach hintenzu in eine endlose Tiefe zu verlieren scheint, ist in dem Rahmen zum Tage unten in die Mitte eine ähnliche Fülle von Rosen, vor welchem Blumenparadiese ein Engel mit hauendem Schwerdte schwebt und das Hineinbringen verwehrt. Nach jeder untern Ecke hin ist ein Kind bemüht, Kornhalmen mit Aehren, so wie Kornblumen zu pflanzen, oder doch zu pflegen. Zu den Seiten aber bis in die Mitte sprießt die Königskerzenblume auf, an welcher wie an einer Leiter ein Kind hinaufklettert, jedoch vergeblich, da die schwache treulose Spitze der Blume sich bald umbiegt. Ein leerer Himmelsraum und Gewölk scheiden diese Scene von dem über denselben schwebenden (von der Schlange umringelten) Kelch der Passionsblume, auf welchem zwey Engel knieend das oben strahlende Symbol der Dreyeinigkeit (Dreyeck) anbeten, über welchem der Bogen des Friedens steht.“ (Anm. 2)
Da die von Runge beschriebene Lösung für die obere Rahmenkonstruktion bereits die Konstruktionszeichnung (Inv. Nr. 34176) zeigt, kann man davon ausgehen, dass Konstruktionszeichnung und Kupferstichvorlage parallel zueinander entstanden, und zunächst verschiedene Rahmenkompositionen vorsahen, bis sich Runge erst ganz zum Schluss für die Lösung der Konstruktionszeichnung entschied. Diese Fassung wurde auch von dem Kupferstecher Ephraim Gottlieb Krüger gestochen (Anm. 3).
Klemm hat darauf hingewiesen, dass die Kinder- und Puttendarstellungen im gesamten Zyklus nicht nur von Runge bereits benutzte Motive wiederholen (Anm. 4), sondern in ihren Proportionen und Haltungen an Variationen ähnlicher Kinderdarstellungen Raffaels, aber auch barocker Künstler wie Reni, Domenichino oder Albani erinnern. Der links hockende Putto zeigt große Ähnlichkeit mit einem Putto in Francesco Albanis Gemälde „Das Feuer“, das Runge durch Francesco Bartolozzis 1796 entstandener Radierung bekannt gewesen sein könnte (Anm. 5). Auch die Mittelgruppe – Mutter Erde und ihre Kinder – geht in ihren Grundzügen gleichermaßen auf die Darstellung der „Caritas“ in Cesare Ripas „Iconologia“ und auf Raffaels dekorative Caritasgruppe in den Loggien des Vatikans zurück (Anm. 6).

Peter Prange

1 Brief vom 31. Juli 1803 an Daniel, vgl. HS II, S. 230.
2 Vgl. HS I, S. 228.
3 Zu den beiden Auflagen der Kupferstiche vgl. Traeger 1975, S. 359-361, Nr. 280a-283b.
4 Berefelt 1961, S. 205.
5 Klemm 2012, S. 269, Abb. 23.
6 Berefelt 1961, S. 209.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso von der Hand Daniel Runges nachträglich bezeichnet und datiert: "Original von Philipp Otto Runge 1802/3" (Feder in Schwarz; die "2" nachträglich mit schwarzer Kreide durchgestrichen und ergänzt durch "1803")

Provenienz

Nachlass des Künstlers; ab 1810 im Besitz der Witwe Pauline Runge (1785-1881), geb. Bassenge; Geschenk an den Kunstverein in Hamburg, 30. 4. 1856; Geschenk des Kunstvereins in Hamburg an das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, 1891

Bibliographie

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Andreas Gruschka: So nah und doch so fern. Philipp Otto Runges gesteigerte Wirklichkeit der Kinder. Eine Entdeckungsreise durch die Bilderwelten Runges und seiner Zeit., Wetzlar 2008, S.190, Abb.33 auf S. 79

Scholl, Christian: Romantische Malerei als neue Sinnbildkunst, Berlin, München, 2007, S.163-165, 284

Lange, Thomas: Das bildnerische Denken Philipp Otto Runges (1777-1810), München 2006, S.6, 100, 107, 202, 212, 217, 224, 226, Abb.22b

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Anette Haas: Von einem der „Leimruthe“ auslegt – „aber in aller Ehrlichkeit“. Über einen Aspekt der Zeiten Philipp Otto Runges, in: Zwischen Askese und Sinnlichkeit. Festschrift für Norbert Werner zum 60. Geburtstag, Giessener Beiträge zur Kunstgeschichte 10, 1997, S.136, Abb. 43

Carola Schneider: Pathos und Ironie. Studien zur Graphik und Malerei Max Klingers, Philosphische Fakultät der Rheinisch-Westphälischen Hochschule Aachen 1996, S.102-103

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Sigrid Hinz: Philipp Otto Runge, Berlin 1973, S.16

Heinz Matile: Die Farbenlehre Philipp Otto Runges. Ein Beitrag zur Geschichte der Künstlerfarbenlehre (Berner Schriften zu Kunst, 13), Bern 1973, S.122 ff

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Philipp Otto Runge: Hinterlassene Schriften, hrsg. von Daniel Runge, Bd. 2, Hamburg 1841 (Reprint: Göttingen 1965), S.230

Gunnar Berefelt: Philipp Otto Runge zwischen Aufbruch und Opposition 1777-1802, Stockholm Studies in History of Art, Bd. 7, Stockholm 1961, S.205, Anm. 8, S.209, Anm. 9

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The Romantic Movement. Fifth Exhibition to Celebrate the Tenth Anniversary of the Council of Europe, Ausst.-Kat. Tate Gallery, London in Zusammenarbeit mit Arts Council of Great Britain, London 1959, S.392, Nr.836

Stephan Waetzoldt: Philipp Otto Runges "Vier Zeiten", Hamburg 1951, S.9-12, 58, Abb.2

Christian Adolf Isermeyer: Philipp Otto Runge, Die Kunstbücher des Volkes, Bd. 32, Berlin 1940, S.127, Abb.20

Theodor Bohner: Philipp Otto Runge. Ein Malerleben der Romantik, Berlin 1937, Abb.XII

Otto Böttcher: Philipp Otto Runge. Sein Leben, Wirken und Schaffen, Hamburg 1937, S.299

Meisterwerke der deutschen Romantik. Sonderausstellung der Freunde der Kunsthalle e. V., Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1935, Nr.2

Meisterwerke der Romantik, Ausst.-Kat. Kunsthalle Hamburg 2. November- 31. Dezember, Hamburg 1935, Nr.2

Arno Mehnert: Philipp Otto Runge und der "Morgen", in: Unser Pommerland, Stettin 1924, S.338

Gustav Pauli: Ausstellung von Hamburgischen Zeichnungen der guten alten Zeit, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1922, S.11, Nr.31

Gustav Pauli: Philipp Otto Runge. Bilder und Bekenntnisse, Berlin 1918, S.8

Max Semrau: Zum Gedächtnis Philipp Otto Runges, in: Pommersche Jahrbücher Sonderdruck, Greifwald 1910, S. 219-264, S.239-240, 243-245

Jahresbericht der Kunsthalle zu Hamburg für 1892, Hamburg 1893, S.48

Philipp Otto Runge: Hinterlassene Schriften, hrsg. von Daniel Runge, Bd. 1, Hamburg 1840 (Reprint: Göttingen 1965), S.228 Anm.