Philipp Otto Runge, Zeichner Timoteo Viti, Zeichner
Merkur und Aglauros, um 1798
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Philipp Otto Runge, Zeichner Timoteo Viti, Zeichner

Merkur und Aglauros, um 1798

Philipp Otto Runge, Zeichner Timoteo Viti, Zeichner

Merkur und Aglauros, um 1798

Die von Berefelt noch erwähnte Aufschrift “Raffael und seine Geliebte”, die dem Blatt seinen bisherigen Titel gab, ist heute nicht mehr erkennbar. Traeger hielt es für denkbar, dass Runge für das Blatt bei Hardorff mehrere aus klassischen Werken entlehnte Motive frei kombinierte, doch konnte er auch eine Stichvorlage nicht ausschließen. Diese Vorlage konnte 1978 John Gere in einer gegenseitigen Radierung des Comte de Caylus nach einer Zeichnung des Raffael-Schüler Timoteo Viti ausfindig machen, die sich im Nationalmuseum in Stockholm befindet (Anm. 1). Caylus‘ Radierung erschien als Nr. 70 im „Recueil Crozat“, einer von dem Sammler Pierre Crozat in Auftrag gegebenen Folge von Reproduktionen der berühmtesten Gemälde und Zeichnungen in Frankreich (Anm. 2).
Dargestellt ist nach Ovids Metamorphosen II, 708-832, wie Hermes versucht, sich Zugang bei Herse, einer der drei Kekropstöchter, zu verschaffen. Aglauros, Herses Schwester, hindert Hermes jedoch am Eintritt und verlangt zuvor goldenen Lohn, was ihr den Zorn Athenas zuzieht, die daraufhin beschließt, Aglauros zu bestrafen. Sie wird vom Neid auf ihre Schwester befallen, und verwehrt Hermes deshalb endgültig den Zutritt, woraufhin sie von ihm in einen Stein verwandelt wird.
Den Moment der Zutrittsverweigerung schildert die Radierung nach Vitis Zeichnung, die Runge genau kopiert hat. Auffallend ist, wie sich Runge den skizzenhaften, flüssigen Duktus Vitis aneignet, der eine Sicherheit ausstrahlt, die im Gegensatz zu seinen bisherigen eigenen zeichnerischen Versuchen steht, und sich anatomischen Details in den Fußstudien unterhalb der Darstellung noch einmal annimmt.
Aufgrund der Liebesthematik hat Traeger das Blatt mit einem Brief Runges an seinen Freund Besser vom 3. Juni 1798 in Verbindung gebracht, in dem Runge von der Liebe zu einer Unbekannten schwärmt (Anm. 3).

Peter Prange

1 Vgl. Otto Sirén: Italienska Handtechnigar från 1400- och 1500-talen i Nationalmuseum. Catalogue raisonné, Stockholm 1917, Nr. 8278.
2 Recueil d'estampes d'après les plus beaux tableaux et d'après les plus beaux desseins qui sont en France. Eine erste Folge mit 140 Tafeln erschien 1729, eine zweite mit 42 Drucken 1740. Zum „Recueil Crozat“ vgl. Benedict Leca: An Art Book and its Viewers: The "Recueil Crozat" and the Uses of Reproductive Engraving, in: Eighteenth-Century Studies 38, 2005, S. 623-649.
3 HS II, S. 9-10.

Details zu diesem Werk

Wasserzeichen / Kettenlinien

"C & J H"

Provenienz

Nachlass des Künstlers; ab 1810 im Besitz des Bruders Johann Daniel Runge (1767-1856), Hamburg; nach dessen Tod am 12. 3. 1856 im Besitz der Witwe Philipp Otto Runges, Pauline Runge (1785-1881), geb. Bassenge; wohl als deren Geschenk an ihren Enkel Paul Runge (1835-1899), Berlin (Sohn des Otto Sigismund Runge (1806-1839); Philipp Otto Runge (1866-1925; Sohn des Vorigen), Berlin; Hans Runge (1900-?; Sohn des Vorigen), Berlin (bis 1938); erworben 1938 von C. G. Boerner, Leipzig

Bibliographie

Edda Hevers: „Ein Gebäude für meine Bilder“. Runges Traum vom (inneren) Raum, in: Kosmos Runge. Das Hamburger Symposium, hrsg. von Markus Bertsch, Hubertus Gaßner und Jenns Howoldt, München 2013, S.53, Abb. 1

Karl Möseneder: Philipp Otto Runge und Jacob Böhme. Über Runges "Quelle und Dichter" und den "Kleinen Morgen", Marburger Ostforschungen, Bd. 38, Marburg/Lahn 1981, S.11, Abb.7

Philipp Otto Runge Caspar David Friedrich aus der Hamburger Kunsthalle, dem Kunsthistorischen Museum und der Graphischen Sammlung Albertina in Wien, Ausst.-Kat. Oberes Belvedere, Wien 1978, S.80, Nr.45, Abb.S. 82

Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, hrsg. von Hamburger Kunsthalle und Museum für Kunst und Gewerbe, Bd. 23, Dr. Ernst Hauswedell & Co Verlag Hamburg; Paul Hartung Verlagsgesellschaft Hamburg 1978, S.73-74, Abb., Abb.1

John Gere: Philipp Otto Runge`s "Raphael and his Mistress", 23, Hamburg 1978, S. 73-74, S.73, Abb.1 auf S. 74

Jens Christian Jensen: Philipp Otto Runge. Leben und Werk, Köln 1977, S.42, 45, 227, Abb.10 auf S. 43

Runge in seiner Zeit, hrsg. von Werner Hofmann, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1977, S.81, Nr.21, Abb.S. 80

Jörg Traeger: Philipp Otto Runge und sein Werk. Monographie und kritischer Katalog, München 1975, S.78, 90, 248-249, Nr.36, Abb.

Gunnar Berefelt: Philipp Otto Runge zwischen Aufbruch und Opposition 1777-1802, Stockholm Studies in History of Art, Bd. 7, Stockholm 1961, S.105

Deutsche Handzeichnungen der Romantikerzeit. Deutsche Graphik des frühen XIX. Jahrhunderts. Deutsche Zeichnungen der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts, Auktion 199, 25. 5. 1938, C. G. Boerner, Leipzig 1938, S.15, Nr.133