☰
Peter van Lint, Werkstatt Pieter Jacobsz. van Laer, ehemals zugeschrieben
Brustbildnis eines Mannes im Linksprofil, um/vor 1645
ZurĂŒck Bildinfos ➕ ➖ ➕ 🗖 ❭

Peter van Lint, Werkstatt Pieter Jacobsz. van Laer, ehemals zugeschrieben

Brustbildnis eines Mannes im Linksprofil, um/vor 1645

Peter van Lint, Werkstatt Pieter Jacobsz. van Laer, ehemals zugeschrieben

Brustbildnis eines Mannes im Linksprofil, um/vor 1645

Hier handelt es sich um eine nachtrĂ€glich mit Rötel ĂŒberarbeitete Übertragungszeichnung: Ein leeres Blatt wurde auf eine vermutlich gemalte Vorlage gelegt, deren Konturen zuvor mit brĂ€unlicher Ölfarbe nachgezogen worden waren. Auf diese Art erhielt man im Handabdruckverfahren eine gegenseitige Kopie.(Anm.1) Die dank ihrer öligen Farbkonsistenz durchschlagenden Konturen wurden dann rĂŒckseitig – in gleicher Ausrichtung wie die Vorlage – mit roter Kreide nachgearbeitet und modelliert. Möglicherweise zu einem spĂ€teren Zeitpunkt wurde die hellere, feinere Schraffur im Hintergrund hinzugefĂŒgt.
Die alte Beischrift „Bamboots“ bezieht sich auf Pieter van Laer, doch lehnte bereits Janeck (1968) dessen Autorschaft ab auf­grund der „etwas trockenen AusfĂŒhrung“. DarĂŒber hinaus kennt man weder gemalte noch gezeichnete Bildnisse von seiner Hand. Eher sollte man die Möglichkeit der Verwechslung mit einem anderen KĂŒnstler in Betracht ziehen. Ein potentieller Kandidat wĂ€re der flĂ€mische Italianisant Peter van Lint, ein Zeitgenosse Van Laers mit identischen Initialen, dem Lugt zwei ehemals Van Laer zugeschriebene PortrĂ€tzeichnungen in WĂŒrzburg zuweisen konnte.(Anm.2) Ein MĂ€nnerbildnis des Flamen aus dem Jahre 1645 kommt in Kleidung und Barttracht unserer Zeichnung so nahe, dass es als zeitlicher Anhaltspunkt fĂŒr die gemalte Vorlage des Hamburger Blattes gewertet werden sollte.(Anm.3) DarĂŒber hinaus besteht eine stilistische NĂ€he zu den großformatigen Rötelstudien des KĂŒnstlers und den Ă€hnlich krĂ€ftig und kontrastreich gezeichneten WĂŒrzburger SkizzenbuchblĂ€ttern.(Anm.4)
Übertragungszeichnungen wie das Hamburger Blatt sind in der Regel Werkstattprodukte – sie dienten als PrĂ€sentationsvorlage fĂŒr den Auftraggeber oder der Dokumentation eines GemĂ€ldes bzw. GemĂ€ldezustandes –, doch angesichts dieser stilistischen BezĂŒge wĂ€re auch eine Beteiligung des Meisters selbst in Betracht zu ziehen.
Vor diesem Hintergrund ist die alte Identifizierung des Dar­gestellten mit dem ausschließlich in Haarlem, Enkhuizen und Schweden tĂ€tigen Jan van de Velde (1593–1641) sicher auszuschließen.(Anm.5) Die Frage, ob hier ein anderer Vertreter dieses Namens portrĂ€tiert wurde, konnte angesichts fehlender Bezugspunkte bislang nicht beantwortet werden.

1 Zu dieser Technik vgl. Joseph Meder: Die Handzeichnung. Ihre Technik und Entwicklung, Wien 1919, S. 541–542.
2 WĂŒrzburg, Martin-von-Wagner-Museum, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 9363 und Inv.-Nr. 9364, Briganti 1987, Abb. 2.2 und Abb. 2.6; die Zuschreibung an Van Lint folgt einer Notiz von Frits Lugt auf dem Photokarton im RKD.
3 Aukt.-Kat. Amsterdam, Christie’s, 7. 5. 1997, Nr. 62. Das Hamburger Blatt bzw. seine mutmaßliche Vorlage wĂ€re demnach der spĂ€ten römischen oder Pariser Werkphase Van Lints zuzuordnen (1633–40 bzw. 1640–41), oder aber nach der RĂŒckkehr des KĂŒnstlers in seine Heimatstadt Antwerpen (1642) entstanden.
4 Vgl. die 1637 in Rom ‚aux trois crayons‘ gezeichnete „MĂ€nnerstudie“, Paris, Fondation Custodia, Inv.-Nr. 5217 (271 x 388 mm); oder das 1636 datierte „JĂŒnglingsbildnis“, WĂŒrzburg, Martin-von-Wagner-Museum, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 9361 (schwarze Kreide und Feder, 186 x 130 mm), Corpus Gernsheim 143 542; vgl. auch das „MĂ€nnerbildnis“ in den Staatlichen Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 13169, Elfried Bock, Jakob Rosenberg: Die niederlĂ€ndischen Meister. Beschreibendes Verzeichnis sĂ€mtlicher Zeichnungen, Staatliche Museen zu Berlin. Die Zeichnungen alter Meister im Kupferstichkabinett, 2 Bde., Berlin 1930, Bd. 1, S. 177.
5 In Harzens „Catalogue d’une Collection de Portraits“ wird die Zeichnung als Bildnis des Jan van de Velde (II) gefĂŒhrt.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Oben links bezeichnet: "Bamboots fec:" (Graphit); von gleicher Hand oben rechts bezeichnet: "Vande Vel... [beschnitten]" (Graphit); unten links L. 2617; unten rechts L. 2617, darunter L. 2112; auf dem Verso in der Mitte bezeichnet: "20" (Feder in Braun, 17./18. Jh.), dahinter von anderer Hand: "1" (Feder in Braun, fast ausgelöscht); unten links L. 1328; unten Mitte bezeichnet: "Bamboots f. na vande Velde na't leven" (schwarze Kreide, 17./18. Jh.?); l. darunter von der Hand Esdailes: "Sandby's coll. 1811 WE P. 126 [durchgestrichen] 5 No 207" (Feder in Schwarz)

Wasserzeichen / Kettenlinien

Schlange, Àhnlich Heawood 3772 (Köln 1608), aber anderes Wappen, vgl. dessen Konturen mit 3773 (ohne Datum)
24-25 mm (h)

Verso

Titel verso: Brustbildnis eines Mannes im Rechtsprofil

Technik verso: Ölfarbe (Abdruck)

Provenienz

Paul Sandby (1725-1809), London (L. 2112); William Esdaile (1758-1837), London (L. 2617); Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (Catalogue d'une Collection de Portraits, fol. 172, V 81 unter "Van Velde, Jan - Peintre, Graveur" als: "P. de Laer . Buste. Dessin Ă  la sanguine"); wohl Legat Harzen 1863 an die „StĂ€dtische Gallerie“ Hamburg; wohl 1868 der Stadt ĂŒbereignet fĂŒr die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Stefes, Annemarie: NiederlĂ€ndische Zeichnungen 1450-1850. Katalog I Van Aken-Murant, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.353-354, Nr.608

Axel Janeck, Untersuchung ĂŒber den hollĂ€ndischen Maler Pieter van Laer, genannt Bamboccio (Diss.), WĂŒrzburg 1968, S.S. X...