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Parmigianino, eigentlich Francesco Mazzola
SchÀferszene (Mythologische Darstellung?), um 1535
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Parmigianino, eigentlich Francesco Mazzola

SchÀferszene (Mythologische Darstellung?), um 1535

Parmigianino, eigentlich Francesco Mazzola

SchÀferszene (Mythologische Darstellung?), um 1535

Die „SchĂ€ferszene“ zĂ€hlt zu Parmigianinos herausragenden Leistungen als Zeichner. Er modelliert die Körper durch geschlossene Konturlinien und gezielte Verwendung von Parallel- oder Kreuzschraffuren. Auffallend ist der Verzicht auf die sonst hĂ€ufig von ihm mit großer VirtuositĂ€t eingesetzte Lavierung.
Parmigianino wurde möglicherweise durch eine Komposition Perino del Vagas mit „Vertumnus und Pomona“ beeinflusst.(Anm.1) Sie fand durch einen Stich Caraglios Verbreitung und weist Ähnlichkeiten in der sorgfĂ€ltigen Ausarbeitung der Körpergestik und bezĂŒglich der Kopfgestalt des Mannes auf.(Anm.2)
Bis heute ist die Szene mit den beiden nackten Hirten und den sie umgebenden Tieren nicht genau zu erklĂ€ren. Denkbar ist, dass der nach einem Lorbeerkranz greifende JĂŒngling das Streben nach Ruhm verkörpert.(Anm.3) Diese Deutung legen auch einige Verse nahe, die Lucas Vorsterman auf einer Reproduktion nach der Hamburger Zeichnung hinzufĂŒgte: „Exstimulat senior blandae ad modulamina cannae: Accendit iuuenem [sic] dulce, corona decus“ (frei ĂŒbersetzt: „Es regt der Greis zum schmeichelnd Spiel der Flöte an; und es entflammt den JĂŒngling die sĂŒĂŸe Zier, die Lorbeerkrone!“).(Anm.4)
In Parmigianinos reichem zeichnerischem Schaffen ĂŒberwiegen die zumeist mit virtuoser Leichtigkeit ausgefĂŒhrten Ideenskizzen. Die „SchĂ€ferszene“ zeigt dagegen den sorgfĂ€ltig arbeitenden KĂŒnstler, der eine gestalterische Idee zu einer endgĂŒltigen PrĂ€sentationszeichnung ausgearbeitet hat.(Anm.5) Die Autorschaft Parmigianinos ist niemals bezweifelt worden, zuletzt haben Carmen Bambach (Anm.6) und Achim Gnann (Anm.7) das Blatt eindeutig dem KĂŒnstler zugeschrieben. Beide datieren die Zeichnung in die SpĂ€tphase von dessen Schaffen. Gnann nimmt eine Entstehung um 1534/35 an.
Die sorgfĂ€ltige Ausarbeitung lĂ€sst vermuten, dass das Blatt als Vorzeichnung fĂŒr einen Stich entworfen wurde, doch lĂ€sst sich keine zeitgenössische graphische Umsetzung nachweisen. Nicht auszuschließen ist, dass diese und vergleichbare Zeichnungen als MusterblĂ€tter beabsichtigt waren, mit denen Parmigianino sein ĂŒberragendes Können demonstrierte. Möglicherweise ging er damit auch direkt auf die WĂŒnsche von Kunstkennern ein.
Die Zeichnung erfreute sich großer Beliebtheit bei bedeutenden Sammlern. Ihre Herkunft lĂ€sst sich bis hin zu Thomas Howard, 2nd Earl of Arundel (1586–1646), zurĂŒckverfolgen. Dieser ließ sie – wie zahlreiche andere BlĂ€tter seiner Sammlung – von Lucas Vorsterman (1595–1675) reproduzieren.(Anm.8) Zudem sind zwei weitere graphische Wiederholungen der „SchĂ€ferszene“ durch Giovanni Antonio Faldoni (1689 – um 1770) und Francesco Rosaspina (1762–1842) nachweisbar.(Anm.9) Aus den Beschriftungen der Graphiken ist ersichtlich, dass sich die Zeichnung im 18. Jahrhundert sowohl im Besitz von Antonio Maria Zanetti als auch von Giovanni Antonio Armano befand.

David Klemm

1 Vgl. Philip Pouncey, John A. Gere: Italian Drawings in the Department of Prints and Drawings in the British Museum. Raphael and his Circle, 2 Bde., London 1962, I, S. 95,–96, Nr. 163.
2 The Illustrated Bartsch 28 (15), 16 (74). Frdl. Hinweis von Thomas Ketelsen.
3 Im Katalog der Lawrence Gallery wird die Szene als „Adam und Eva unter einem Baum sitzend“ bezeichnet. Vgl. A Catalogue of One Hundred Original Drawings by Il Parmigiano [!] and Ant. A Da Correggio collected by Sir Thomas Lawrence (...) At. Messrs. Woodburn’s Gallery, The Lawrence Gallery, Fourth Exhibition, London 1836, Nr. 50. Eine weitere nicht zutreffende Deutung ist laut Karteikarte des Kupferstichkabinetts „Pan unterrichtet Daphnis“ (Ovid Metamorphosen IV, 2.77). Popham vermutete eine Illustration zu Vergil.
4 Die Herkunft der lateinischen Verse ist nicht bekannt.
5 Hinweis von Carmen Bambach, New York, April 2004.
6 MĂŒndliche Mitteilung, April 2004.
7 Achim Gnann: Parmigianino. Die Zeichnungen, 2 Bde., Studien zur internationalen Architektur und Kunstgeschichte, Bd. 58, Petersberg 2007, I, S. 503, Nr. 951.
8 Vgl. Arianne Faber Kolb: The Arundel’s Printmakers. Four approaches to the Reproduction of Drawings, in: Apollo 144, 1996, Nr. 414, S. 57-62, S. 58; Parmigianino tradotto. La fortuna di Francesco Mazzola nelle stampe di riproduzione fra il Cinquecento e l’Ottocento, hrsg. v. Massimo Mussini, Grazia Maria De Rubeis, Ausst.-Kat. Parma, Biblioteca Palatina, Mailand 2003, S. 137, Nr. 246.
9 Vgl. Arthur Ewart Popham: Catalogue of the Drawings of Parmigianino. Volume I. Introduction and Catalogue, New Haven, London 1971, S. 82.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten links: Stempel der Sammlung Lawrence (L.2445); auf dem Verso oben in der Mitte bezeichnet: "N" (Bleistift); unterhalb davon rechts nicht entzifferbare Paraffe (roter Stift); in der Mitte Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328); unten links bezeichnet: "C"; unterhalb davon bezeichnet: "TL Lawrence" (Signet der Sammlung Lawrence, aber gezeichnet); unten rechts bezeichnet: "Parmigia...[Rest verdeckt]" (Bleistift)

Provenienz

Thomas Howard, 21nd Earl of Arundel (1585-1646), London (nicht bei Lugt); Anton Maria Zanetti (1680-1767), Venedig (nicht bei Lugt); Giovanni Antonio Armano (gest. um 1829), Venedig (nicht bei Lugt); Thomas Dimsdale (1758-1823), London (L. 2426) [nach Angaben der Lawrence Gallery]; Sir Thomas Lawrence (1769-1830), London (L. 2445); William Coningham (1815-1884), Brighton (L. 476); Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244); NH Ad : 02 : 01, S. 217 (als Parmigianino): "SchĂ€fer und SchĂ€ferin..."; NH Ad : 01 : 03, fol. 101 (als Parmigianino): "Zwey Hirten Ein bĂ€rtiger Mann und ein JĂŒngling unter einem Baum sitzend, letzterer eine Flöte in HĂ€nden, begehrt den Krantz den ersterer ihm vorhĂ€lt. Im Hintergrund mehrere Ziegen und Schaafe nebst einer Kuh. Vortrefflich, und höchst vollendete Federzeichnung, welche auch A. M. Zanetti besaß und durch J. A. Faldoni 1724 in Kupfer stechen ließ, mit Dedication an seinen Freund Crozat. SpĂ€ter in der Sammlung T. Lawrence. 5.8. 7.7."; am Rand: "Virgil"; Legat Harzen 1863 an die "StĂ€dtische Gallerie" Hamburg; 1868 der Stadt ĂŒbereignet fĂŒr die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.260, Nr.367, Abb.Farbtafel S. 27

David Klemm: Von Leonardo bis Piranesi. Italienische Zeichnungen von 1450 bis 1800 aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Hubertus Gaßner, David Klemm und Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Bremen 2008, S.68-69, Abb, S. 224, Nr.28

Achim Gnann: Parmigianino. Die Zeichnungen. Band 1: Text; Band 2: Katalog. Studien zur internationalen Architektur und Kunstgeschichte 58, Petersberg 2007, S.303, 503, Nr.951, Abb.Bd. 2, 667

David Franklin: The Art of Parmigianino, Ausst.-Kat. National Gallery of Canada, Ottawa, New Haven, London 2003, S.264, Nr.84, Abb.267

Parmigianino tradotto. La fortuna di Francesco Mazzola nelle stampe di riproduzione fra il Cinquecento e l'Ottocento, hrsg. von Massimo Mussini, Grazia Maria De Rubeis, Ausst.-Kat. Parma, Biblioteca Palatina, Mailand 2003, S.137, 158, Nr.bei Nr. 246 (mit Abb. der Reproduktionsgraphik von Lucas Vostermann), bei Nr. 307 (mit Abb. der Reproduktionsgraphik von Giovanni Antonio Faldoni)

Bernadette Py: Everhard Jabach Collectionneur (1618-1695). Les dessins de l'inventaire de 1695, Notes et documents des musées de France 36, Paris 2001, S.181-182, Nr.748

Eckhard Schaar, David Klemm: Italienische Zeichnungen der Renaissance aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1997, S.100, Nr.40, Abb.57

Arianne Faber Kolb: The Arundel`s Printmakers. Four approaches to the Reproduction of Drawings, in: Apollo 144, London 1996, Nr. 414, , S.58, Abb.57

Hollstein's Dutch & Flemish Etchings, Engravings and Woodcuts 1450 - 1700, Lucas Vorstermann I, hrsg. von D. De Hoop Scheffer, Bd. 43, Roosendaal 1993, S.122, Nr.bei Nr. 125 (mit Abb. der Reproduktionsgraphik von Lucas Vorsterman I)

Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Werner Hofmann, MĂŒnchen 1989 (2. erw. Aufl.), S.197, Nr.437, Abb.437

James M. Saslow: Ganymede in the Renaissance. Homosexuality in Art and Society, New Haven, London 1986, S.105-106, Abb.104, Nr. 3.6

Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Werner Hofmann, MĂŒnchen 1985, S.181, Nr.401, Abb.181

Arthur E. Popham: Catalogue of the Drawings of Parmigianino. Volume I. Introduction and Catalogue, New Haven, London 1971, S.82, Nr.150, Abb.Taf. 367