Meister der Apostelwunder, zugeschrieben Aert Claesz., (?)
Szene aus dem Alten Testament: Daniel vor Belsazar?, um 1530
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Meister der Apostelwunder, zugeschrieben Aert Claesz., (?)

Szene aus dem Alten Testament: Daniel vor Belsazar?, um 1530

Meister der Apostelwunder, zugeschrieben Aert Claesz., (?)

Szene aus dem Alten Testament: Daniel vor Belsazar?, um 1530

Format, Thematik und Figurentypen erinnern an die zwischen 1530 und 1550 verbreiteten Grisaillescheiben, die als Dekorationselemente in die Fenster von Wohnhäusern, Rathäusern oder Gildegebäuden eingefügt wurden. Die Motive waren in der Regel biblischen oder historischen Erzählungen mit moralischer Aussage entnommen.(Anm.1)
Unserem Blatt verwandt sind je eine Glasscheibe in Amsterdam und Utrecht.(Anm.2) Beide gehen zurück auf Entwürfe des sogenannten „Meisters der Apostelwunder“. Dieser war ehemals gleichgesetzt mit Aertgen Claesz. van Leyden (1498–1564),(Anm.3) und auch zu dessen Zeichnungen bestehen enge stilistische Bezüge: Dies betrifft vor allem eine Darstellung von „Saphira vor den Aposteln“ in Paris, vergleichbar im Aufbau der Szene und der aufwändigen Rahmenarchitektur, aber auch in der Ausführung mit breiten Pinselstrichen und kringeligen Federkonturen für die Wiedergabe von Ornamentik und Details.(Anm.4) Die für diesen Künstler charakteristische Pinselschraffur kommt auf unserem Blatt allerdings zurückhaltender zum Einsatz, vorwiegend in der Modellierung der Gliedmaßen.(Anm.5)
In der Komposition verwandt ist eine ebenfalls Aertgen van Leyden zugeschriebene Zeichnung in Amsterdam, die zwischenzeitlich Nicolaas Hogenberg (1498/1502–1538/39) zugewiesen war.(Anm.6) An Hogenberg dachte vielleicht Harzen, wenn er die Hamburger Zeichnung einem „Meister mit dem Zeichen des Krebses“ zuordnete.(Anm.7)
Ungeklärt ist bislang die Ikonographie. Der an zentraler Stelle positionierte Kelch könnte als eucharistisches Symbol auf neutestamentlichen Hintergrund deuten. Enger scheinen jedoch die Zusammenhänge mit dem alttestamentlichen Buch Daniel, wie schon von Harzen vorgeschlagen wurde. Bei einer Interpretation im Sinne von Daniel 5 („Daniel vor Belsazar“) stünde der Kelch stellvertretend für die von Belsazar aus dem Jerusalemer Tempel geraubten Gefäße (Daniel 5, 3), und der offensichtlich einen Griffel oder eine Schreibfeder in der Hand führende Engel würde das warnende „Menetekel“ an die Wand schreiben. In diesem Fall wäre die schwer zu identifizierende Hintergrundszene – ein Engel ringt (auf Geheiß des Propheten?) im Himmel mit einem Teufel – mit dem in Daniel 10, 13 erwähnten Kampf zwischen dem Erzengel Michael und dem dämonischen Engelfürsten des Königreichs Persien gleichzusetzen.

1 Vgl. K. Berserik, in: Kunst voor de Beeldenstorm. Noordnederlandse kunst 1525-1580, hrsg. von Jan Piet Filedt Kok, W. Halsema-Kubes, Wouter Th. Kloek, 2 Bde., Ausst.-Kat. Rijksmuseum, Amsterdam, 's-Gravenhage 1986, S. 167; vgl. auch Josua Bruyn: Tekeningen uit de werkplaats van Pieter Coecke van Aelst voor een serie glasruitjes met de 'Trionfi', in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek 38, Houten 1987, S. 73-86.
2 „Hohepriester mit Kind“, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. BK-10175, Kunst voor de Beeldenstorm. Noordnederlandse kunst 1525-1580, hrsg. von Jan Piet Filedt Kok, W. Halsema-Kubes, Wouter Th. Kloek, 2 Bde., Ausst.-Kat. Rijksmuseum, Amsterdam, 's-Gravenhage 1986, Nr. 55; „Hohepriester mit Kind vor einem Altar“, Utrecht, Centraal Museum, Inv.-Nr. 4316, ebd. Abb. 55 a.
3 Vgl. zu der Claesz.-Gruppe J. Q. van Regteren Altena: Aertgen van Leyden, in: Oud Holland 56, 1939, S. 16-25, 74-87, 129-138, 222-235 und Josua Bruyn: Twee St. Antonius-panelen en andere werken van Aertgen van Leyden, in: Nederlands Kunsthistorisch Jaerboek 11, 1960, S. 37-119. Die Händescheidung zwischen dem „Meister der Apostelwunder“ und dem „Meister von 1527“ wurde exemplarisch erörtert von Marijn Schapelhouman, Kunst voor de Beeldenstorm. Noordnederlandse kunst 1525-1580, hrsg. von Jan Piet Filedt Kok, W. Halsema-Kubes, Wouter Th. Kloek, 2 Bde., Ausst.-Kat. Rijksmuseum, Amsterdam, 's-Gravenhage 1986, Nr. 51–52, 54; dieser hielt auf dem Symposium „Niederländische Altmeisterzeichnungen 1500 bis 1800“ am 21. und 22. 2. 2008 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle eine Zuschreibung unserer Zeichnung an den „Meister der Apostelwunder“ für denkbar.
4 Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 18891 (242 x 180 mm).
5 Vgl. ebenfalls mit einer Zeichnung in Oxford, Ashmolean Museum, Inv.-Nr. WA 1863.139, Kunst voor de Beeldenstorm. Noordnederlandse kunst 1525-1580, hrsg. von Jan Piet Filedt Kok, W. Halsema-Kubes, Wouter Th. Kloek, 2 Bde., Ausst.-Kat. Rijksmuseum, Amsterdam, 's-Gravenhage 1986, Nr. 54. Etwas weiter von unserem Blatt entfernt sind die Zeichnungen in Paris, Fondation Custodia, Inv. 3513, Karel G. Boon: The Netherlandish and German Drawings of the XVth and XVIth Centuries of the Frits Lugt Collection, 3 Bde., Paris 1992, Nr. 135; Aukt.-Kat. Amsterdam, Sotheby’s, 13. 11. 1991, Nr. 287, Karel G. Boon: The Netherlandish and German Drawings of the XVth and XVIth Centuries of the Frits Lugt Collection, 3 Bde., Paris 1992, Abb. 74; Frankfurt am Main, Städel Museum, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 13600, ebd. Abb. 73; Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 11993.
6 „Petrus heilt den Lahmen im Tempel“, Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-00-519, Karel G. Boon: Netherlandish Drawings of the Fifteenth and Sixteenth Centuries, Catalogue of the Dutch and Flemish Drawings in the Rijksmuseum, 2Bde. Den Haag 1978, Nr. 122.
7 Alternativ könnte Harzens Verweis auch mit Frans Crabbe, Wouter Pietersz. Crabbe oder dem „Monogrammisten NH“ in Verbindung gebracht werden.

Details zu diesem Werk

Wasserzeichen / Kettenlinien

Einhorn, vgl. Heawood 3962, (1595) aber Füße noch stärker artikuliert, Ohren nach vorne gerichtet, klarer und schöner)
21-22 mm (v)

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (NH Ad:01:04, fol. 140 als "Meister mit dem Zeichen des Krebses": "Der Prophet [Auslassung wohl für den Namen] einen Weihwedel in der Hand richtet drohende Worte an den König [wie oben] der in einer prächtigen Halle von seinen Räthen umgeben auf einem Thronsessel ruht. Feder und Tusche. 7.2.10.1"; NH Ad: 02: 01, S. 235: "Der Prophet Daniel vor König Belsazar"); Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog I Van Aken-Murant, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.366-367, Nr.633