Marten de Vos, Umkreis
Marten de Vos, Umkreis
Die dargestellte Szene geht zurück auf das apokryphe Jakobus-Evangelium. Aufgrund eines über Jahrzehnte unerfüllt gebliebenen Kinderwunsches hat ein Oberpriester das Opfer des Joachim abgewiesen. Später sollte ihm ein Engel die Geburt seiner Tochter, der Jungfrau Maria, verkündigen.
Aufgrund des marienzentrierten Themas kann von einer Entstehung in den südlichen Niederlanden ausgegangen werden. Die Zeichnung war bislang Maerten de Vos zugeschrieben, was indes schon von Reinsch (1967) abgelehnt wurde: Insbesondere die vom Rand beschnittenen Figuren unten rechts sind in dieser Form nicht im Werk des Künstlers zu finden. An sichere De Vos-Zeichnungen erinnern allenfalls die drahtigen, stellenweise vibrierenden Konturen und die isoliert herausgearbeiteten Locken.(Anm.1) Schematische Gesichtszüge und grob verzeichnete Partien wie der deutlich zu tief angesetzte linke Arm des stehenden Mannes links klassifizieren das Blatt als Kopie oder Werkstattarbeit. Auf eine zweckgebundene Funktion deutet auch das aufgetragene Raster:(Anm.2) Offenbar war die Zeichnung speziell zur Vergrößerung eines Originalentwurfes angefertigt worden. Ein entsprechendes Gemälde ist bislang nicht bekannt. Gewisse Verwandtschaften bestehen lediglich zu dem 1599 datierten „Tempelgang Mariä“ des Maerten de Vos.(Anm.3)
In den weich fallenden Stoffen, der etwas ungeschickten Figurenbildung, den straffen Architekturkonturen und den vereinzelt eingestreuten Schraffurgruppen lässt sich darüber hinaus eine gewisse Nähe zu Zeichnungen Gerard Groennings beobachten.(Anm.4)
Annemarie Stefes
1 Z. B. Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 19894, Inv.-Nr. 20575 und Inv.-Nr. 20573; Paris, Bibliothèque Nationale de France, Inv. Nr. B. 12 rés., Frits Lugt, J. Vallery-Radot: Bibliothèque Nationale, Cabinet des Estampes. Inventaire général des Dessins des Écoles du Nord, Paris 1936, Nr. 191.
2 Es ist schwer zu erkennen, ob die Rasterlinien vor oder nach der lavierten Federzeichnung aufgetragen wurden. Stellenweise scheinen sie unter, stellenweise über Konturen und Lavis zu liegen.
3 Flügelaltar in Antwerpen, St. Jacobskirche, Kapelle des heiligen Namens Jesu, Armin Zweite: Marten de Vos als Maler, Berlin 1980, Nr. 91.
4 Vgl. Inv.-Nr. 22250; vgl. Zeichnung in Antwerpen, Stedelijk Prentenkabinet, Museum Plantin-Moretus, Inv.-Nr. A.II.7, Mielke 1995, Nr. 8 (um 1583); vgl. auch Aukt.-Kat. Amsterdam, Sotheby Mak van Waay, 3. 5. 1976, Nr. 179, ebd. Nr. 4. Ein quadrierter Stichentwurf Groennings befindet sich in Cambridge, Pembroke College, Hans Mielke: Gerard Grönning, ein Antwerpener Künstler um 1570, in: Jahrbuch der Berliner Museen. Neue Folge 37, 1995, S. 143-157, Nr. 13, fol. 10v. Vgl. auch Zeichnungen in Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstich-Kabinett, Inv.-Nr. C 1968–216 und New York, The Pierpont Morgan Library, Inv.-Nr. III, 141 a, ebd. Nr. 17 und 18. Im Œuvre Groennings begegnen ähnliche vom Rand beschnittene Repoussoirfiguren, vgl. die von Jan Wierix nach Groenning gestochene Radierung H. 346.
Details zu diesem Werk
Beschriftung
Wasserzeichen / Kettenlinien
nicht feststellbar
nicht feststellbar
Provenienz
Giuseppe Vallardi (1784-1863) (L. 1223); Ludwig Hermann Philippi (1848-1908), Hamburg (L. 1335); Legat Philippi 1908
Bibliographie
Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog II van Musscher - Zegelaar, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.592-593, Nr.1133
Adelheid Reinsch: Die Zeichnungen des Marten de Vos. Stilistische und ikonographische Untersuchungen, Tübingen, Univ., Diss. 1967, S.231, Nr.II,1