Marco Zoppo, eigentlich Marco Antonio di Ruggero
Maria mit dem Christuskind (Fragment eines Studienblattes aus dem sogenannten Madonna-Skizzenbuch),
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Marco Zoppo, eigentlich Marco Antonio di Ruggero

Maria mit dem Christuskind (Fragment eines Studienblattes aus dem sogenannten Madonna-Skizzenbuch),

Marco Zoppo, eigentlich Marco Antonio di Ruggero

Maria mit dem Christuskind (Fragment eines Studienblattes aus dem sogenannten Madonna-Skizzenbuch)

Das Blatt mit beidseitigen Studien der „Madonna mit dem Kind“ gehörte ebenso wie das großformatige Blatt mit ähnlichen Themen zu dem sogenannten Madonna-Skizzenbuch (zur Geschichte der Rekonstruktion und zur Erforschung vgl. Inv.-Nr. 21506). Auch diese Zeichnung wurde bereits um 1860 von Georg Ernst Harzen Marco Zoppo zugeschrieben. Diese Einschätzung ist niemals bezweifelt worden. Das Blatt bildete ursprünglich den rechten unteren Teil eines großformatigen Blattes. Dieses wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt – sicher vor 1863, dem Datum der Stiftung Harzens – in drei Teile zerschnitten. Armstrong war 1963 die erste, die die drei in verschiedene Sammlungen gelangten Blätter wieder gedanklich zusammenfügte.(Anm.1) Der obere Teil mit zwei Studien der „Madonna mit dem Christuskind“ befindet sich in Turin,(Anm.2) der linke untere Teil gehört zur Sammlung des British Museum in London.(Anm.3)
Die Rekonstruktion ist überzeugend, wenn auch die Maße nicht genau übereinstimmen und dadurch die Anschlüsse nicht exakt passen. Dies liegt möglicherweise daran, dass die obere Kante des Hamburger Blattes, das in der Höhe kleiner als das Londoner Blatt ist, leicht beschnitten worden ist. Alle drei Fragmente sind stilistisch einheitlich. Fiocco war der erste, der das Turiner Fragment mit dem von ihm rekonstruierten „Madonna-Skizzenbuch“ in Zusammenhang brachte.(Anm.4) Diese Folgerung trifft demnach völlig überzeugend auch für die beiden Blätter in London und Hamburg zu. Ein Vergleich zeigt eine weitgehend übereinstimmende Strichlage und daraus resultierende Darstellung von Licht und Schatten. Eine Datierung dieser Werke ist analog zu den anderen Blättern des Skizzenbuches mit den späten 1460er und frühen 1470er Jahren anzunehmen (vgl. Inv.-Nr. 21506).
Eine vom Recto deutlich unterschiedliche Handschrift weisen alle drei Rückseiten der hier beschriebenen Blätter auf. Sie ist wesentlich freier gehalten, was z. B. durch gelockerte Umrissformen auf der Hamburger Zeichnung zum Ausdruck kommt. Zudem wird die Wirkung des Lichtes nun viel stärker durch leichte Lavierungen als durch Schraffuren charakterisiert. Diese leichteren Studien müssen in der Spätzeit des Künstlers in den 1470er Jahren entstanden sein. Bertini und Fiocco wollten in dieser veränderten Zeichenweise den Einfluss von Piero della Francesca und Filippo Lippi erkennen.(Anm.5)
Ruhmer stellte die wichtige Überlegung an, dass Marco Zoppo selbst das ursprünglich nur auf einer Seite bezeichnete Blatt zerschnitten hat, um es dann mit neuen Madonnenstudien zu versehen.(Anm.6) Tatsächlich bilden die drei späteren Zeichnungen – im Gegensatz zu den früheren Studien – keine so zwingende stilistische Einheit. Ruhmers Annahme, dass selbst die Fragmente zu unterschiedlichen Zeiten entstanden sein könnten, ist aber angesichts der weitgehenden Übereinstimmung der Zeichentechnik nicht voll überzeugend. Allenfalls ist für diese Studien ein Entstehungszeitraum von sehr wenigen Jahren anzunehmen.(Anm.7)

David Klemm

1 Armstrong 1963, S. 304–310; vgl. auch Ruhmer 1966, S. 76–77.
2 Turin, Biblioteca Reale, Inv.-Nr. 16006 D. C.; Armstrong 1976, S. 408, Nr. D.10, Abb. 49.
3 London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1946–7-13-13; Armstrong 1976, S. 158, 410, Nr. D.12, Abb. 49.
4 Fiocco 1933, S. 337ff.
5 Bertini 1950, S. 501; Fiocco 1933, S. 340; Armstrong 1976, S. 408.
6 Ruhmer 1966, S. 81.
7 Ebd.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Oben rechts bezeichnet: "oferit" (Feder in Braun); rechts von der Mitte: Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

Verso

Titel verso: Madonna lactans

Technik verso: Feder in Braun

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244); NH 02 : 01, S. 223 (als Marco Zoppo): "Maria d. Kind anbetend. Halbf. M. .. säugend..."; NH Ad : 01 : 03, fol. 118 (als Marco Zoppo): "Maria sitzend mit dem Kinde an der Brust; Feder und Seppia auf röthlich grundirtem Papier auf dem Fragment einer größeren Zeichnung ausgeführt, wo Maria das schlummernde Kind in ihrem Schooße adorirt. Federzeichnung mit Schraffirungen beendigt. 3.2. 5.0." Legat Harzen 1863 an die "Städtische Gallerie" Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.369-370, Nr.566

Christian von Heusinger: Die Handzeichnungssammlung. Geschichte und Bestand. Katalog zu Tafelband I, Braunschweig 1997, S.272

From Leonardo to Rembrandt. Drawings from the Royal Library of Turin, hrsg. von Gianni Carlo Sciolla, Ausst.-Kat. Turin, Palazzo Reale 1990, S.18-21, Nr.2, Abb.18, 20

Lutz S. Malke: Städel. Italienische Zeichnungen des 15. und 16. Jahrhunderts aus eigenen Beständen, Ausst.-Kat. Städelsches Kunstinstitut Frankfurt a. M. 1980, S.22, Nr.4

Lilian Armstrong: The Paintings and Drawings of Marco Zoppo, New York/London 1976, S.409, Nr.D.11, Abb.517-518, Nr. 49-50

Hundert Meisterzeichnungen aus der Hamburger Kunsthalle 1500-1800, Bd. 5, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1967, S.20-21, Nr.3, Abb.Taf. 1

Eberhard Ruhmer: Marco Zoppo, Vicenza 1966, S.77, 81, Nr.87c, 139b, Abb.Taf. 87

Lilian Armstrong: Two Notes on Drawings by Marco Zoppo, in: Pantheon. Internationale Zeitschrift für Kunst 1963, Jg. 21, S. 298-310, S.306-307, Abb.308-309, Nr. 10-11

V. T. [nicht aufgelöst]: Amburgo: Mostra di disegni italiani dal XV al XVIII secolo, in: Emporium. Rivista mensile illustrata d'arte e di cultura 76, 1957, Nr. 126, S. 228-229, S.228

[Wolf Stubbe]: Italienische Zeichnungen 1500-1800. Ausstellung aus den Beständen des Kupferstichkabinetts, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1957, S.10, Nr.18

Arthur E. Popham, Philipp Pouncey: Italian Drawings in the Department of Prints and Drawings in the British Museum. The Fourteenth and Fifteenth Centuries, London 1950, S.163, Nr.bei Nr. 261 (iii)

Giuseppe Fiocco: Un libro di disegni di Marco Zoppo, in: Miscellanea di Storia dell` Arte in onore di Igino Benvenuto Supino, hrsg. von der Rivista d` Arte, Florenz 1933, , S.340, Abb.343,343

Gustav Pauli: Zeichnungen Alter Meister in der Kunsthalle zu Hamburg. Italiener. Neue Folge, Frankfurt am Main 1927, S.bei Nr. 2

Wilhelm Koopmann: Einige weniger bekannte Handzeichnungen Raffaels, in: Jahrbuch der Königlich Preußischen Kunstammlungen 12, 1891, S. 40-49, S.41