Karel van Mander (III.), ehemals zugeschrieben
Karel van Mander (III.), ehemals zugeschrieben
Wie Inv.-Nr. 22139 wird auch diese Zeichnung dem jüngeren Karel van Mander zugeschrieben, jedoch fehlt hier der Bezug zu einer gesicherten Werkgruppe. Gleichwohl soll das Blatt als mutmaßliches Frühwerk weiter unter dem Namen des Künstlers geführt werden.
Von Inv.-Nr. 22139 unterscheiden sich die fein verriebene Modellierung und die gleichbleibend festen, drahtig wirkenden Umrisslinien. Es gibt jedoch auch verwandte Partien wie die gitterartige Schraffur zur räumlichen Einbindung der Figur. Vergleichbar harte Schraffen begegnen darüber hinaus auf einer Zeichnung, die Van Mander wohl während seines Italienaufenthaltes (1635–38) anfertigte und wo ebenfalls der unglückliche Marsyas dargestellt ist, der als Strafe für seinen Stolz und die Niederlage im musikalischen Wettbewerb von Apoll grausam durch Häutung bestraft wurde.(Anm.1) Klein proportionierte Gesichter und krause Vegetationskürzel verbinden das Blatt mit einer Zeichnung aus dem Jahre 1635, die kleinteilige Modellierung und die wellig bewegten Konturlinien – hier besonders ausgeprägt am rechten Arm Apolls – kommen einer 1632 datierten Figurenstudie recht nahe.(Anm.2) Diese Zusammenhänge sprechen für eine Entstehung in den 1630er Jahren. Karel van Mander verließ um 1631 im Alter von etwa 20 Jahren seine Heimatstadt Delft und zog nach Kopenhagen. Über sein Frühwerk ist wenig bekannt. Als Enkel des Malers und Künstlerbiographen Karel van Mander wird er sicherlich mit Werken des niederländischen Manierismus in Berührung gekommen sein, deren Einfluss sich hier im rückseitig dargestellten Thema „Sine Baccho et Cerere friget Venus“ spiegelt.(Anm.3) Auch das Recto steht in engem Bezug zu manieristischen Tendenzen. In der Verbindung von schwarzer Kreide und Rötel kommt die Darstellung von Apoll und Marsyas Zeichnungen des Joseph Heintz (1590/1600–1678) sehr nahe, und auch für die großzügig verschlungenen Konturen des Verso findet sich in dessen Œuvre Verwandtes.(Anm.4)
Aus diesem Grund wäre eine Entstehung in Delft oder den frühen Kopenhagener Jahren denkbar.5 Nicht ganz auszuschließen ist dabei die Möglichkeit, dass es sich bei der Marsyas-Schindung um eine Kopie nach gemalter Vorlage handelt. Auch die Pentimenti im Bereich der einander überschneidenden Beine charakterisieren die Arbeit als Jugendwerk.
Die fehlende Beischrift erklärt sich vermutlich aus der von Inv.-Nr. 22139 abweichenden Provenienz: Das Blatt stammt offensichtlich nicht aus der Kopenhagener Nachlassenschaft des Künstlers.
1 „Die Schindung des Marsyas“, Feder in Braun, braun laviert, bezeichnet: „Karl v Mander f. Roma.“, Kopenhagen, Statens Museum for Kunst, Kongelige Kobberstiksamling, Inv.-Nr. kksgb 4917, Corpus Gernsheim 81975, ansonsten ohne stilistische Relevanz zu unserem Blatt.
2 „Vertumnus und Pomona“, Kopenhagen, Statens Museum for Kunst, Kongelige Kobberstiksamling, Inv.-Nr. kksgb 4918, Christian IV and Europe. The 19th Art Exhibition of the Council of Europe, Ausst.-Kat. Kopenhagen 1988, Nr. 375; „Stehender Kavalier“, ebd., Inv.-Nr. kksgb 4915, ebd. Nr. 374.
3 Das Thema fand sowohl am Prager Hof Rudolfs II. großen Anklang als auch unter den Haarlemer Manieristen, vgl. Görel Cavalli-Björkman: Mythologische Themen am Hofe des Kaisers, in: Ausst.-Kat. Wien/Essen, Freren 1988, S. 61-68, S. 66 und z. B. die Stiche H. 70, H. 305 (Goltzius), H. 239 (Matham nach Goltzius).
4 Vgl. „Aristoteles und Phyllis“, 1600, Budapest, Szépmüvészeti Múzeum, Inv.-Nr. 84, Prag um 1600. Kunst und Kultur am Hofe Rudolfs II. Ausst.-Kat. Wien, Kunsthistorisches Museum, Essen, Villa Hügel, 2 Bde., Freren 1988, Nr. 204, oder die annähernd gleichformatige, ebenfalls sehr sensibel modellierte Rötel-zeichnung „Leda und der Schwan“, Prag, Národní Galerie, Inv.-Nr. K 12.069 (198 x 179 mm), Prag um 1600. Kunst und Kultur am Hofe Rudolfs II. Ausst.-Kat. Wien, Kunsthistorisches Museum, Essen, Villa Hügel, 2 Bde., Freren 1988, Nr. 209; vgl. auch das „Skizzenblatt mit weiblichen Figuren“, Budapest, Szépmüvészeti Múzeum, Inv.-Nr. 83 (Rötel und schwarze Kreide, 210 x 183 mm), ebd. Nr. 212. Auch die Verso-Studie erinnert an Arbeiten des Joseph Heintz, z. B. Wien, Grafische Sammlung Albertina, Inv.-Nr. 282, ebd. Nr. 208; Gdánsk, Muzeum Pomorski, Inv.-Nr. MNG/SD/866/R, Zimmer 1988, Nr. A 64. Dessen Autorschaft ist für unsere Zeichnung gleichwohl auszuschließen, wie von Jürgen Zimmer per E-Mail am 21. 8. 2009 mitgeteilt.
5 So gehörte die Schindung des Marsyas auch zum Repertoire der dänischen Hofkünstler, vgl. Francis Cleyn, „Apoll und Marsyas“, 1617, Kopenhagen, Statens Museum for Kunst, Kongelige Kobberstiksamling, Inv.-Nr. KKS 13097. Auch Karel van Mander (II), der Vater des Künstlers, war für einige Jahre am dänischen Hof beschäftigt (1616–21).
Details zu diesem Werk
Beschriftung
Wasserzeichen / Kettenlinien
-
26-28 mm (h)
Verso
Titel verso: Bacchus, Ceres und Venus
Technik verso: flüchtig mit Rötel skizziert
Provenienz
Wahrscheinlich zwischen 1869 und 1886 durch Schenkung oder Erwerbung aus unbekannter Quelle in den Besitz der Hamburger Kunsthalle gelangt
Bibliographie
Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog I Van Aken-Murant, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.361-362, Nr.623