Johann Christoph Erhard, Zeichner
Landschaft bei Foligno (?), 1819
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Johann Christoph Erhard, Zeichner

Landschaft bei Foligno (?), 1819

Johann Christoph Erhard, Zeichner

Landschaft bei Foligno (?), 1819

Der von dem Sammler Georg Ernst Harzen stammenden Beschriftung zufolge handelt es sich um eine Gegend bei Foligno, möglicherweise das Flusstal des Topino. Die Zeichnung stammt aus dem in Triest auf der Überfahrt nach Ancona begonnenen Skizzenbuch (vgl. Inv.-Nr. 1915-70) und muss deshalb auf der Fahrt von Ancona nach Rom im Oktober bzw. November 1819 entstanden sein, als Erhard und Heinrich Reinhold auf halber Strecke in Foligno Station gemacht haben. Das Blatt wird für Erhard in Anspruch genommen, obwohl die Beschriftung mit den Farbangaben unten links von Reinhold stammen dürfte. Eine Zuschreibung der Skizze an ihn erschließt sich allerdings nicht auf den ersten Blick, erscheint aber angesichts der für Erhard etwas schematischen Parallelschraffuren in den Bergen, des für ihn zu gleichmäßigen Zeichenrhythmus und der freieren Behandlung der Bäume nicht unmöglich. Dies dürfte aber nur für den oberen Teil gelten, während der untere Teil, der vom Strich her unruhiger und energischer ist, von Erhard stammen dürfte.
Diese Vermutung erhält auch vor dem Hintergrund Gewicht, dass von dem Motiv auch ein im Ausschnitt etwas größeres Aquarell existiert, das sicher von Erhard stammt. Es ist, wie Rainer Schoch vermutet hat (Anm. 1), unmittelbar vor der Natur entstanden, der als wesentliches Indiz für diese Annahme den bei Erhard wiederholt auftauchenden, nicht ausgeführten Vordergrund anführt. Tatsächlich hat Erhard den Vordergrund mit der Staffage als Bleistiftskizze stehengelassen, er dient gewissermaßen als Repoussoir, um „die in nahsichtiger Klarheit wiedergegebene Landschaft auf Distanz zu halten“.(Anm. 2) Allerdings gleicht das Aquarell in Details wie der Wolkenformation im Hintergrund oder den Bäumen der Bleistiftskizze in hohem Maße, dass sie auch als Vorlage für das Aquarell in Frage kommt.

Peter Prange

1 Erhard 1996, S. 202.
2 Erhard 1996, S. 202.


Auf der Überfahrt von Triest nach Ancona benutzte Erhard ein kleinformatiges Skizzenbuch aus hellbraunem Velin, in dem er die Eindrücke der Schiffsreise festhielt. Insgesamt elf Blätter aus diesem Skizzenbuch befinden sich im Besitz der Hamburger Kunsthalle. Die Reise ging entlang der Küste zunächst nach Pirano, das er neben einem benachbarten Küstenabschnitt auf dem Verso von Inv.-Nr. 23330 festhielt, und von dort nach Ancona.
Erhard zeichnete auf der Überfahrt aber vor allem Mitglieder der Schiffsmannschaft, die er bei verschiedenen Tätigkeiten beobachtete. Diese detailreichen, genau beobachteten Studien reichen von einem auf einem Anker sitzenden, dabei ein Huhn rupfenden Schiffsjungen (Inv.-Nr. 23072) bis zur Studie eines sich nachdenklich aufstützenden Passagiers (Inv.-Nr. 23070), die Erhard für eine Radierung verwandte, auf der er sich selbst darstellte.(Anm. 1) Die als Neujahrsgruß zum Jahr 1820 verwandte Radierung zeigt den Künstler, den Kopf aufgestützt, in einer sinnend-nachdenklichen Pose im Typus des Melancholikers.
Neben der Besatzung widmete Erhard der Schiffsausrüstung besondere Aufmerksamkeit, die er teilweise sehr detailliert registrierte. Marleen Gärtner hat darauf hingewiesen, dass eine Anregung zu diesen Studien von ähnlichen Zeichnungen Thomas Enders ausgegangen sein kann, der 1817 auf seiner Überfahrt nach Brasilien auf der Fregatte Austria eine Vielzahl von Matrosengruppen gezeichnet hatte, und die nach Enders Rückkehr 1818 Erhards Bewunderung erregt hatten.(Anm. 2)
Erhard hat das Skizzenbuch auch noch auf dem Weg nach Rom benutzt, wie zwei Studien aus Foligno (Inv.-Nr. 23210) und Otricoli (Inv.-Nr. 23209) erweisen und danach auch noch in Rom, wo er den Ponte Salara (Inv.-Nr. 23208) und das Grabmal Neros (Inv.-Nr. 23207) aufnahm und später ebenfalls für Radierungen verwandte. Erhard benutzte das Skizzenbuch von der Abfahrt in Triest bis in die erste Zeit nach seiner Ankunft in Rom im November 1819. Während es sich zeitlich relativ genau bestimmen lässt, bleibt der Umfang des Skizzenbuchs unklar. Es lassen sich bisher nur elf Seiten diesem Skizzenbuch zuordnen, die bis auf ein um 1909 aus unbekannter Quelle erworbenes Blatt (Inv.-Nr. 43932) alle aus dem Besitz Harzens stammen. Harzen führt in seinem handschriftlichen Inventar, das sich im Archiv des Kupferstichkabinetts befindet, auf fol. 693-694 insgesamt 14 Zeichnungen auf(Anm. 3), doch lassen sich nur zehn identifizieren. Neben den aufgelisteten Blättern führt Harzen vier weitere Blätter auf, von denen sich eines identifizieren lässt: „Vier Männer in einem Boot unter einem Molo. Auf der Rückseite die Ansicht einer Kirche zwischen Capo d`Istria und Pirano“; "der Monte [Auslassung Harzen] bey Foligno an dessen Fuße der Fluß in […] Lauf erscheint“; "Gebirgslandschaft aus derselben Gegend Bey Belfonte“(Anm. 4) und eine „Wald- und Felsengegend, Gebirge im Hintergrund Bey Otricoli“. Sie lassen sich momentan nicht nachweisen; es ist darüber hinaus anzunehmen, dass sie nicht mehr in Harzens Bestand waren, als dieser 1863 sein Legat an die Stadt Hamburg machte kam.
Ein weiteres Blatt (Inv.-Nr. 43392) mit einer Darstellung von der Überfahrt nach Ancona konnte 1909 aus unbekannter Quelle erworben werden
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1 Johann Christoph Erhard, Radierung, vgl. Alois Apell: Das Werk von Johann Christoph Erhard, Maler und Radirer, Dresden 1866, S. 99, Nr. 178.
2 Gärtner 2012, S. 116.
3 „14 Bl. sorgfältiger Bleistiftstudie auf gelblichem Papier ausgeführt, während der Reise über Triest und Ancona nach Rom. Br. 5.10 H. 4.0“, Archiv der Hamburger Kunsthalle, Nachlass Harzen, Inventar Ad: 01: 20, fol. 693-694.
4 Landschaft bei Belfonte, Bleistift, 105 x 156 mm, Hamburg, Hauswedell & Nolte, Auktion 281, 7.6.1990, Nr. 213, Taf. 31, vgl. Gärtner 2012, S. 354, Nr. N 55.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten links bezeichnet: "dunkelgraugrün(?) G[...?]" (Bleistift)

Auf dem Verso unten links von G. E. Harzen bezeichnet: "5.10 / 4.0 / bey Foligno ? 1819" (Bleistift)

Verso

Titel verso: Skizze einer Baumkrone (?)

Technik verso: Bleistift

Provenienz

Nachlass des Künstlers, Rom, 1822; Johann Benjamin Erhard d. J., Nürnberg (Bruder des Künstlers); von dort erworben durch Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (Lugt 1244); dessen Legat 1863 an die Stadt Hamburg für ein zukünftiges Museum, 1869 der neu eröffneten Kunsthalle übergeben (Archiv der Hamburger Kunsthalle, Nachlass Harzen, Inventar Ad: 01: 20, Fol. 693: "[ Dritte Periode während des Aufenthaltes in Italien. 14 Bl. sorgfältiger Bleistiftstudie auf gelblichem Papier ausgeführt, während der Reise über Triest und Ancona nach Rom. Br. 5.10 H. 4.0] Gebirgslandschaft im Hintergrund der Monte .Bey Foligno.“

Bibliographie

Marleen Gärtner: Johann Christoph Erhard (1795-1822). Sein Leben und seine Zeichnungen, Marburg 2013 (sic; 2012), S.292, Nr.406