Johann Christoph Erhard
Italienischer Bauern auf einem Esel sitzend, in Dreiviertelansicht, um 1820
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Johann Christoph Erhard

Italienischer Bauern auf einem Esel sitzend, in Dreiviertelansicht, um 1820

Johann Christoph Erhard

Italienischer Bauern auf einem Esel sitzend, in Dreiviertelansicht, um 1820

Neben den Landschafts- und topographischen Studien befinden sich in der Hamburger Kunsthalle auch ca. sechzig Figurenstudien von Erhard. Das Studium der menschlichen Figur betrieben die deutschen Künstler im privaten Rahmen, am bekanntesten sind die die Modellstudien der Nazarener im Kloster San Isidoro oder etwas später im Palazzo Caffarelli. Während bei ihnen Fragen der Anatomie im Mittelpunkt standen, weshalb auch nach dem nackten Modell gezeichnet wurde, stand bei Erhard das Interesse an der volkstümlichen Bevölkerung und an Landleuten aus Rom und der Umgebung im Vordergrund. In diesem Interesse traf er sich mit seinem Nürnberger Kollegen Johann Adam Klein, der ebenfalls kurz vor dem Weihnachtsfest 1819 in Rom eingetroffen war. In seiner kurzen, 1833 verfassten Selbstbiographie berichtet Klein, dass ihm „über alles interessant […] doch das römische Volk und ihre vielen Kirchenfeste und Volksfeste [waren], zu welchen die Landleute in großen Karawanen mit ihren Packpferden und Lasttieren herbeiziehen.“1 Klein berichtet weiter, dass er auf den Rat von Franz Ludwig Catel und Joseph Rebell anfing, seine Studien auch in Öl zu malen, „und da Rebell ein günstiges Lokal auf der Villa Malta dazu hatte, so ließen wir uns in den Morgenstunden Modelle von Landleuten, Pilgern und andern, so auch verschiedenen Tieren dahin bringen, wozu es in Rom die beste Gelegenheit gibt. Da aber diese Leute den Wert solcher Studien zu gut kennen, so mußten wir oft teuer bezahlen. Wir trugen daher die Kosten gemeinschaftlich“ 2, neben Erhard hatte sich auch der holländische Maler Abraham Alexander Teerlink angeschlossen.
Klein plante offensichtlich die Verwendung seiner Modellzeichnungen für kolorierte Drucke. In einem Brief an den Wiener Verleger und Kunsthändler Dominik Artaria vom 27. Oktober 1820 bot Klein ein Heft im Quartformat mit sechs kolorierten Zeichnungen an, auf denen jeweils zwei Personen pro Blatt abgebildet werden sollten.(Anm. 3) Ob Erhard Ähnliches plante, ist nicht bekannt, doch ist auffallend, das Erhard seine Modellstudien häufig in der von Klein beschriebenen Weise präsentiert – zumeist paarweise auf einem Blatt. Klein erwähnt in seinem Brief an Artaria als Beispiel ein Blatt mit einer Fravolara (Erdbeerverkäuferin) neben einer spinnenden Frau, auch dies entspricht Erhards Auffassung, der auf seinen Modellstudien oft zwei Personen zeigt, die verschiedenen Tätigkeiten nachgehen. Während Klein seine Modellstudien zumeist durch Schattierungen, die Angabe von Landschaftsgründen oder Hinzufügung anderer Personen belebte und einen szenischen bzw. erzählerischen Zusammenhang herstellte, verzichtet Erhard zumeist auf die Angabe solcher pittoresker Elemente. Bei ihm ist eine Tendenz zur Isolierung der Einzelfigur zu beobachten bzw. zur Präsentation zweier Figuren, die in keinem erzählerischen Zusammenhang stehen.(Anm. 4)
Erhard hat seine Modellstudien mit einem eher harten Bleistift ausgeführt bzw. nachgearbeitet, um verschiedene Grade von Schwärze zu erzielen, die die räumliche Tiefe und Plastizität der Darstellung bestimmen. Einige Blätter sind vollendet ausgearbeitet (vgl. z. B. Inv.-Nr. 23080, 23101, 23106), andere bleiben unvollendet oder sind nur auf die Ausarbeitung einer Person fokussiert (z. B. Inv.-Nr. 23087, 23089). Seine Modellstudien dienten als Motivvorrat für spätere Arbeiten, doch sind auch einzeln Blätter bereits zu Kompositionen ausgearbeitet (Inv.-Nr. 23086); einige der Blätter sind aquarelliert, doch häufig nur einzelne Figuren bzw. nur Teile von ihnen, nur wenige (Inv.-Nr. 23110, 23117, 23121 und 23124) sind nahezu vollständig als Aquarell ausgearbeitet.
Der Vergleich mit Kleins Modellstudien ergibt, dass auch Erhards Zeichnungen in der Villa Malta entstanden sind. Klein hat seine Modellstudien wiederholt mit der Ortsbezeichnung „Villa Malta“ versehen und da beide häufig dieselben Modelle – die einzelnen Nachweise finden sich bei der jeweiligen Katalognummer - etwas abgewandelt oder in anderer Pose bzw. von einem anderen Standort aus zeichneten, sind auch Erhards Zeichnungen für die Villa Malta belegt. Klein datierte in der Regel seine Modellstudien, solche Angaben fehlen bei Erhard hingegen vollkommen, doch zeigen Kleins Angaben, dass Erhard Modellstudien im Frühjahr 1820, besonders in den Monaten Mai und Juni entstanden sind.
Erhard ging es wie Klein um die Darstellung der Kleidung der Landbevölkerung, die aus verschiedenen Landstrichen nach Rom kam, die Gesichter dagegen sind weitgehend typisiert. Insofern haben die einzelnen Darstellungen Beispielcharakter für die Trachten einzelner Regionen in der Umgebung von Rom, jedoch keinen porträthaften Anspruch. Charakteristische Motive sind neben den Kostümdarstellungen verschiedener Regionen wie den Frauen aus Sonnino auch verschiedene volkstümliche Berufsgruppen, die das Stadtbild in Rom prägten, z. B. der Gioncataro (Käse- bzw. Quarkverkäufer), die Fravolara, der Jakobspilger oder spinnende Frauen. Vorbildlich waren für diese Art von volkstümlichen Darstellungen die radierten Folgen von Bartolomeo Pinelli, der seit 1810 in mehreren Graphikfolgen Trachten- und Sittenbilder aus dem römischen Volksleben veröffentlicht hatte (Anm. 5), die auch Klein und Erhard gekannt haben dürften.
Der weitaus größte Teil der Figurenstudien stammt aus einem oder mehreren Skizzenbüchern, das ehemals die Maße von ca. 121/126 x 175/181 mm aufwies. Heute weichen die Maße der einzelnen Blätter aufgrund von nachträglichen Beschneidungen voneinander leicht ab, dies gilt insbesondere für Inv.-Nr. 23074 und Inv.-Nr. 23107-23110, die stärker beschnitten wurden. Die Frage, ob es sich um ein Skizzenbuch oder mehrere gleichen Formats handelt, lässt sich nicht ohne weiteres entscheiden, da die einzelnen Blätter unterschiedliche Verbräunungsgrade aufweisen. Dieselben Maße weisen auch mehrere Blätter mit Landschaftsstudien auf (Inv.-Nr. 1915-56, 1915-61, 23205-23206, 23215-23218, 23220, 23222-23223, 23225-23229), die zu 24 Zeichnungen aus einem 1820 entstandenen Skizzenbuch gehören, das Harzen in seinem handschriftlichen Inventar auf fol. 696-697 extra aufführt (vgl. dazu ausführlicher die entsprechenden Inv.-Nr. Nrn.). Es handelt sich zwar um dasselbe Papier wie bei den Figurenstudien, doch ist wahrscheinlich, dass Erhard mehrere Skizzenbücher gleichzeitig benutzte.

Peter Prange

1 Johann Adam Klein, Handschriftliche Autobiographie aus dem Jahre 1833, in: Jutta Tschoeke: Romantische Entdeckungen. Johann Adam Klein 1792-1875. Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphik, Ausst.-Kat. Stadtmuseum Fembohaus Nürnberg, Nürnberg 2006, S. 319.
2 Zitiert nach Tschoeke 2006, S. 319.
3 Vgl. Renate Freitag-Stadler: Johann Adam Klein 1792-1875. Zeichnungen und Aquarelle, Bestandskatalog der Stadtgeschichtlichen Museen Nürnberg, Nürnberg 1975, S. 220, bei Nr. 367.
4 Vgl. etwa Kat. 23096, Kat. 23101 und Kat. 23106.
5 Nuova Raccolta di cinquanta motivi piitoreschi, e costumi di Roma, incisi all’aqua forte da Bartolomeo Pinell Romano, Rom 1810.

Details zu diesem Werk

Verso

Titel verso: Baumskizze

Technik verso: Bleistift

Provenienz

Nachlass des Künstlers, Rom, 1822; Johann Benjamin Erhard d. J., Nürnberg (Bruder des Künstlers); von dort erworben durch Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (Lugt 1244); dessen Legat 1863 an die Stadt Hamburg für ein zukünftiges Museum, 1869 der neu eröffneten Kunsthalle übergeben (Archiv der Hamburger Kunsthalle, Nachlass Harzen, Inventar Ad: 01: 20, Fol.

Bibliographie

Marleen Gärtner: Johann Christoph Erhard (1795-1822). Sein Leben und seine Zeichnungen, Marburg 2013 (sic; 2012), S.323, Nr.563

Wolf Stubbe: Italienreise um 1800. Aquarelle und Zeichnungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1958, S.27, Nr.125c