Johann Christoph Erhard
Der Petersfriedhof in Salzburg mit Blick auf die Festung Hohensalzburg, 1818
Zurück Bildinfos ➕ 🗖

Johann Christoph Erhard

Der Petersfriedhof in Salzburg mit Blick auf die Festung Hohensalzburg, 1818

Johann Christoph Erhard

Der Petersfriedhof in Salzburg mit Blick auf die Festung Hohensalzburg, 1818

Im Juli 1818 unternahm Johann Christoph Erhard von Wien zusammen mit den befreundeten Künstlern Johann Adam Klein, Ernst Welker sowie den Brüdern Heinrich und Friedrich Philipp Reinhold eine Reise nach Salzburg und Berchtesgaden. Während dieses Aufentahlts entstand am 25. Juli das – für Erhard ungewöhnlich - nahezu quadratische Blatt, das den Blick auf den Friedhof der Benediktinerabtei St. Peter zeigt. Links von der angeschnittenen spätgotischen Margaretenkapelle und rechts von den Felshängen des Mönchsberg begrenzt, wird der Blick über den Friedhof mit seinen zahlreichen schmideeisernen Grabkreuzen hoch zur auf dem Berg gelegenen Festung gelenkt. Mit der zeichnerisch nicht ganz vollendeten Margaretenkapelle und dem eher summarisch behandelten Vordergrund rechts gibt sich Erhards Blatt als Zeugnis unmittelbarer Naturbeobachtung zu erkennen, die keinerlei symbolischen Anspruch erweckt. Kurz zuvor hatte Carl Philipp Fohr den Petersfriedhof zum Gegenstand einer christlich-religiösen Reflexion auserkoren, als er 1815 eine mittelalterliche Prozession über den Friedhof ziehen lässt, vor der Betende niederknien.(Anm. 1) Fohrs Blatt stimmt in den Maßen und dem quadratischen Format nahezu überein und ähnlich wie bei diesem nimmt der Friedhof auch bei Erhard nur das untere Drittel des Blattes ein, doch verweigert er sich im Gegensatz zu Fohr jeder symbolischen Überhöhung; keine Staffage gibt der Darstellung einen tieferen Sinn, einzig die Rückenfigur einer über den Friedhof gehenden alten Frau mag als „romantisches“ Repoussoir eingefügt worden sein, doch sonst bleibt Erhard ein sachlicher und nüchterner Chronist. Alle Gegenstände, gleich ob tot oder lebendig, Architektur oder Vegetation, fern oder nah, erhalten die gleiche zeichnerische Aufmerksamkeit, ihre Stofflichkeit wird nicht unterschieden, genauso wie über der gesamten Darstellung ein gleichmäßiges, helles Licht liegt. Erhard dokumentiert sachlich einen Zustand, dem durch die Datumsangabe Wahrhaftigkeit verliehen wird. Nichts ist von der andächtigen Kontemplation zu spüren, die Ferdinand Oliviers 1817 entstandene Ansicht vom Petersfriedhof ausstrahlt2, die nicht nur durch die demonstrative Präsentation der Grabkreuze, sondern auch durch den abschließenden Rundbogen eine zeitlos-religiöse Dimension erhält.
Erhard hatte zunächst in einer unvollendeten, heute verschollenen Zeichnung ähnlich wie Fohr und Olivier eine Ansicht mit der Margaretenkapelle am linken Bildrand gewählt3, doch diesen Gedanken zugunsten eines Blickwinkels mit der stark angeschnittenen Kapelle verworfen. Erhard erreicht damit ein weitaus dynamischeres Bildgefüge als Olivier, mit dessen altmeisterlich-kleinteiliger Handschrift sich Erhard in seinen auf der Salzburgreise entstandenen Zeichnungen auseinandersetzt. Es ist wahrscheinlich, dass Erhard Oliviers wohl im Winter 1817/18 bildhaft ausgeführte Salzburgansichten kannte; sie müssen bei ihm einen tiefen Eindruck hinterlassen haben.

Peter Prange

1 Carl Philipp Fohr, Prozession auf dem Petersfriedhof in Salzburg, 1815, Feder in Braun, Aquarell, 340 x 342 mm, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstich-Kabinett, Inv.-Nr. C 1908-118, vgl. "... ein Land der Verheissung". Julius Schnorr von Carolsfeld zeichnet Italien, Ausst.-Kat. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Köln 2000, S. 274, Nr. 108, Abb. S. 255.
2 Ferdinand Olivier, Der Petersfriedhof in Salzburg, 1817/18, Bleistift, 511 x 422 mm, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstich-Kabinett, Inv.-Nr. C 1908-508, vgl. Ausst.-Kat. Dresden 2000, S. 282-283, Nr. 123, Abb. S. 258.
3 Der Petersfriedhof und die Veste Hohensalzburg, 1818, Bleistift, 282 x 396 mm, Ehemals Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstich-Kabinett, Inv.-Nr. C 1908-102, vgl. Gärtner 2012, S. 342, Nr. V 3.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten rechts datiert: "den 25. July" (Bleistift); zahlreiche Farbangaben

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (Lugt 1244); dessen Legat 1863 an die Stadt Hamburg für ein zukünftiges Museum, 1869 der neu eröffneten Kunsthalle übergeben (Archiv der Hamburger Kunsthalle, Inventar Ad: 01: 28, Fol. 777: „Die Veste Hohen-Salzburg vom Gottesacker aus gesehen den 25 July. Wie obiges [Inv.-Nr. 23177] Br u H. 12.5“)

Bibliographie

Marleen Gärtner: Johann Christoph Erhard (1795-1822). Sein Leben und seine Zeichnungen, Marburg 2013 (sic; 2012), S.87, 270, Nr.310, Abb.17 auf S. 374

Peter Prange, Petra Roettig, Andreas Stolzenburg u. a.: Von Runge bis Menzel. 100 Meisterzeichnungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2003, S.114, Nr.52, Abb.S. 115

Peter Prange, Petra Roettig, Andreas Stolzenburg u.a.: Ideas on Paper. 100 Masterdrawings from the collections of the Hamburger Kunsthalle (in griech. Sprache), hrsg. von Marilena Cassimatis, Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Athen, Nationalgalerie 2003, S.62, Nr.19, Abb.

Johann Christoph Erhard (1795-1822). Der Zeichner, Ausst.-Kat. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg 1996., S.154-155, Nr.42, Abb.

Marleen Gärtner: Johann Christoph Erhards "malerische Reise" ins Salzkammergut, in: Julius Schnorr von Carolsfeld und die Kunst der Romantik., VII. Greifswalder Romantikkonferenz in Schneeberg 1994, hrsg. von Helge Vogel, Greifswald 1996, S.90, Anm. 7, Abb. 2

Von Dürer bis Baselitz. Deutsche Zeichnungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1989, S.126-127, Abb., Nr.57

De Dürer à Baselitz. Dessins allemandes de la Kunsthalle de Hamburg Paris 1988, S.126, Nr.57, Abb.S. 127

Heinrich Schwarz: Salzburg und das Salzkammergut. Eine künstlerische Entdeckung der Stadt und der Landschaft in Bildern des 19. Jahrhunderts, Salzburg 1977, Abb.Taf. 79

Deutsche Romantik. Handzeichnungen. Band 1: Carl Blechen (1798-1840) bis Friedrich Olivier (1791-1859), hrsg. von Marianne Bernhard, München 1973., S.1989, Abb.S. 249

Schlösser, Burgen, Ruinen in der Malerei der Romantik. Gemälde, Aquarelle und Graphik deutscher, österreichischer und schweizer Künstler 1770-1860, Ausst.-Kat. Kurpfälzisches Museum im Ottheinrichsbau des Heidelberger Schlosses, Heidelberg 1965., S.40, Nr.83

Romantik in Österreich. Malerei und Graphik, Ausst.-Kat. Residenzgalerie, Salzburg 1959., S.26, Nr.18

Heinrich Schwarz: Salzburg und das Salzkammergut. Die künstlerische Entdeckung der Stadt und der Landschaft im 19. Jahrhundert, Wien, München 1957, Abb.Taf. 66