Jacques de Gheyn (III.)
Sitzender Weiser, um 1616
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Jacques de Gheyn (III.)

Sitzender Weiser, um 1616

Jacques de Gheyn (III.)

Sitzender Weiser, um 1616

Der Typus des sitzenden Greises und die präzise Handhabung der Feder verbinden das Blatt mit der 1616 datierten Radierungsfolge der „Sieben Weisen von Griechenland“ (H. 4–11).(Anm.1) Besonders ähnlich ist die Darstellung des Chilon (H. 7) in Sitzmotiv, Ausdruck, Physiognomie und Gewand, bis hin zu dem über den Kopf gelegten Stoffzipfel. Es ist angesichts dieser Übereinstimmungen nicht auszuschließen, dass es sich bei unserem Blatt um einen Alternativentwurf oder eine Variation nach dem Stich handelt. In jedem Fall aber ist das Blatt durch Signatur und zeichnerische Präzision als eigenständiges Kunstwerk ausgewiesen.
Einen Hinweis auf die Identität des Dargestellten könnte die Steinplatte im schattigen Hintergrund geben, bei der es sich vielleicht um eine Gesetzestafel handelt. Denkbar wäre daher eine Identifikation mit Solon, Mose oder einem der vier Evangelisten, dem in diesem Fall die Gesetztafeln des Alten Bundes gegenübergestellt wären.(Anm.2) Ähnliche biblische Figuren, jedoch ohne Kopfbedeckung, begegnen auf De Gheyns Stichen H. 1 („Der Hl. Petrus“) und H. 2 („Der Hl. Paulus“).
Den Typus der sitzenden Gewandfigur mit auf einen Steinblock abgestützten Füßen könnte der Künstler von seinem Vater Jacob de Gheyn (II) übernommen haben.(Anm.3) Die Wirkung von Figurenstil und Lichteffekten dieser Arbeiten auf Rembrandt und seine Zeitgenossen wurde von Eckhard Schaar herausgestellt.(Anm.4)

Annemarie Stefes

1 Zu dieser Folge vgl. J. Q. van Regteren Altena: Jacques de Gheyn. Three Generations, 3 Bde., Den Haag, Boston, London 1983, Bd. 1, S. 120 und Kurt Bauch: Der frühe Rembrandt und seine Zeit. Studien zur geschichtlichen Bedeutung seines Frühstils, Berlin 1960, S. 143–144. Im Dresdner Kupferstichkabinett befindet sich eine weitere mit dieser Gruppe in Verbindung stehende Zeichnung: „Sitzender alter Mann“, Inv.-Nr. C 1967-15, Christian Dittrich: Van Eyck, Bruegel, Rembrandt. Niederländische Zeichnungen des 15. bis 17. Jahrhunderts aus dem Kupferstich-Kabinett Dresden, Ausst.-Kat. Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstich-Kabinett, Eurasburg 1997, Nr. 61.
2 J. Q. van Regteren Altena: Jacques de Gheyn. Three Generations, 3 Bde., Den Haag, Boston, London 1983, Bd. 2, S. 165.
3 Vgl. dessen Zeichnungen in Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Graphische Sammlung, Inv. Nr. Z 1342 und St. Petersburg, Staatliches Museum Eremitage, Inv.-Nr. 14833, J. Q. van Regteren Altena: Jacques de Gheyn. Three Generations, 3 Bde., Den Haag, Boston, London 1983, Nr. 573 u. 574.
4 Eckhard Schaar: Rembrandt und sein Jahrhundert, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1994.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten links signiert und datiert: "JDGhein. fec. Inv. 5 Juni 1616 [?]" (Feder in Braun)

Auf dem Verso unten links Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

Wasserzeichen / Kettenlinien

Basilisk, nicht vollständig erkennbar, vgl. Heawood 836 (Holland 1609, 1619)
ca. 24 mm (v)

Provenienz

Vielleicht Johan Aegidiusz. van der Marck (1707-1772), Leiden; vgl. dessen Auktion, Amsterdam 1773 (Lugt, Ventes 2206); Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (NH Ad:01:02, fol. 25: "J. de Gheyn. Ein Philosoph in einen weiten Mantel gehüllt, schreibend. Bez J. de Gheyn. Sauber und ausführlich mit der Feder in Bister schraffiert. 5.10.8.6 Benutzt für eine vom Künstler radierte Folge der Sieben Weisen Griechenlands [...] Nagler?"; NH Ad: 02: 01, S. 251); Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog I Van Aken-Murant, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.237, Nr.355

Thomas Ketelsen: Erigone. EIn phantasmatisches Szenario des Begehrens, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 37, 1998, S. 131-155, S.136, Anm. 17

Rembrandt und sein Jahrhundert, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1994, Nr.49, Abb.S. 56

J. Q. van Regteren Altena: The Drawings of Jacques de Gheyn, Amsterdam 1936, S.104-105

Catalogus van 't alom Bekende Kabinet zoo Gekleurde als Ongekleurde Tekeningen ... nagelaaten door Wylen den Wel Ed. Gestr. Heer en Mr. Johan van der Marck Aegidiusz. ..., 29.11. und folgende Tage, Hendrik de Winter, Jan Yver, Amsterdam 1773, S.99, Nr.612?

J. Q. van Regteren Altena: Jacques de Gheyn. Three Generations. Catalogues, Bd. 2, Den Haag, Boston, London 1983, Nr.Cat. III 7

J. Q. van Regteren Altena: Jacques de Gheyn. Three Generations. Plates, Bd. 3, Den Haag, Boston, London 1983, Abb.11

J. Q. van Regteren Altena: Jacques de Gheyn. Three Generations. Text, Bd. 1, Den Haag, Boston, London 1983, S.120-121

Hans Möhle: Drawings by Jacques de Gheyn III, in: Master Drawings 1, 1963, Nr. 2, , S.11, Anm. 6 und 10