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Heinrich Dreber (Franz-Dreber)
Burg Naco, 1843
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Heinrich Dreber (Franz-Dreber)

Burg Naco, 1843

Heinrich Dreber (Franz-Dreber)

Burg Naco, 1843

Die Kunsthalle ist im Besitz dreier BlĂ€tter, die wĂ€hrend Drebers Aufenthalt im Sommer 1843 am Gardasee entstanden (vgl. Inv.-Nr. 47299, 47300). Am 9. Juni 1843 war Dreber ein Pass ausgestellt worden und es ist anzunehmen, dass er zeitnah nach Italien aufbrach, so dass seine Ankunft am Gardasee noch fĂŒr Juni anzunehmen ist. Dort traf er auf den sĂ€chsischen Landschaftsmaler und Architekten Alexander Herrmann (1814-1845), zu ihnen gesellten sich der dĂ€nische Landschaftsmaler Niels Frederik Martin Rothe (1816-1880) und der Hamburger Emil Schuback (1820-1902), mit dem Dreber fortan eine lebenslange Freundschaft verband. Zusammen verbrachten sie mehrere Wochen in Torbole am nordöstlichen Ufer des Gardasees (Anm. 1), bis sie gemeinsam nach Venedig aufbrachen und Dreber Mitte Oktober Rom erreichte.
Seit Albrecht DĂŒrer war der Gardasee immer wieder von KĂŒnstlern aufgesucht worden, doch gehörte er um 1840 immer noch zu den touristisch vernĂ€chlĂ€ssigten Gebieten. Besonders das Nordufer war noch schwer zugĂ€nglich und nur ĂŒber eine schmale Straße am Lago di Loppio erreichbar – eine Route, die auch Dreber nahm. Die Darstellung des Gardasees und seiner Umgebung spielte in der Kunst des 19. Jahrhunderts bis dahin nur eine sehr untergeordnete Rolle, 1824 erschien in ZĂŒrich beispielsweise mit Conrad Caspar Rordorfs Voyage pittoresque au Lac de garda ou Benaco eine Ansichtenfolge, die sich auf wenige Uferansichten beschrĂ€nkte und auf Drebers Auswahl keinerlei Einfluss hatte. Angeregt, den Gardasee zu besuchen, wurde er möglicherweise durch Goethe, der am Gardasee zeichnete und dort als Spion verhaftet wurde. Auch hatten Dichter wie Heinrich Laube den pittoresken Reiz der Landleute und der dortigen Landschaft beschrieben (Anm. 2). Wichtiger aber dĂŒrften KĂŒnstlerkollegen wie Friedrich Preller, der auf seiner ersten Italienreise 1827 den Gardasee besuchte (Anm. 3), Friedrich Nerly (Anm. 4) oder auch Louis Gurlitt gewesen sein, der 1838 an den Gardasee gereist war (Anm. 5).
Von Drebers Aufenthalt am Gardasee haben sich verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig zahlreiche Studien erhalten. Schöne waren insgesamt 39 BlĂ€tter vom Gardasee bekannt geworden (Anm. 6), doch dĂŒrfte deren Zahl noch höher gewesen sein (Anm. 7). Es handelt sich dabei durchgĂ€ngig um Federzeichnungen, zum Teil zart aquarelliert und mehr oder minder vollendet. Drebers Beschriftungen zufolge entstanden die BlĂ€tter am nördlichen und östlichen Ufer des Gardasees bzw. in seiner nĂ€heren Umgebung in Torbole, Storo, am Monte Baldo, in Malcesine und Naco, in Arco und am Lago di Loppio. Schöne sah sich seinerzeit außer Stande, die zahlreichen BlĂ€tter in eine chronologische Ordnung zu bringen und erkannte in den BlĂ€ttern vom Gardasee „eine starke, nicht durchaus vorteilhafte Abweichung von Drebers bisherigen Studien“ (Anm. 8). Schönes Urteil ist heute sicher zu revidieren, denn die StudienblĂ€tter vom Gardasee zeigen erstmals einen Naturalismus, der zu einer Stilisierung der Linie neigt, der wahrscheinlich die Kenntnis von BlĂ€ttern Franz Hornys voraussetzt. In jedem Fall wird hier der Beginn einer Entwicklung sichtbar, die im Verlauf seines weiteren Aufenthalts in Italien eine wichtige Rolle spielen sollte.
Die drei BlĂ€tter der Kunsthalle zeigen Motive aus den genannten Orten, Inv. Nr. 47299 das Gebirge in der NĂ€he des Lago di Loppio, ein zwischen Mori und Torbole gelegner, heute aufgrund der 1954 erbauten Galleria Adige-Garda abgelassener See, Inv. Nr. 47300 das nördlich vom Gardasee in Arco auf einem schroffen Felsen stehende Castello di Arco, und Inv. Nr. 47301 das Castello di Naco bei Torbole. Alle drei BlĂ€tter haben das gleiche Format, weshalb sie aus demselben Skizzenbuch oder –block stammen dĂŒrften. Sie stimmen auch in der Technik der reinen Federzeichnung ĂŒberein und auch stilistisch entsprechen sie einander. Sie zeigen die noch aus seinen in Deutschland entstandenen Studien bekannten parallelen Strichlagen bzw. Kreuzlagen zur Modellierung der Gesteine und OberflĂ€chen, doch besonders in den zurĂŒckliegenden GebirgszĂŒgen kommt Dreber zu einer Klarheit der Linie und Transparenz der Erscheinungen, die sich von seinen in Deutschland entstandenen Naturstudien abhebt. Besonders auf der Ansicht des Castellos di Naco (Inv. Nr. 47300) gewinnt die rĂŒckwĂ€rtige Gebirgssilhouette eine nahezu organische EigenstĂ€ndigkeit. Ihre LinienfĂŒhrung wie auch die kulissenhafte Staffelung einzelner GebirgszĂŒge erinnert an Ă€hnliche BlĂ€tter von Franz Horny, Ă€hnliches trifft auch auf das Blatt mit dem Gebirge am Lago di Loppio (Inv. Nr.47299) zu und abgeschwĂ€cht auf die Ansicht des Tales bei Arco mit dem Kastell (Inv. Nr. 47301). Ein weiterer Aspekt verbindet Dreber mit Horny, denn beide haben sich durch schriftliche Notizen und vor allem Farbangaben der momentanen atmosphĂ€rischen Erscheinung versichert. Es ist nicht bekannt, ob Dreber Kenntnis von Zeichnungen des nahezu zwanzig Jahre zuvor Gestorbenen hatte, doch dĂŒrfte die Vermittlung der Kunst Hornys durch Drebers Lehrer Ludwig Richter, auf den Horny einen großen Einfluss hatte, von statten gegangen sein. Wie nah der Zeichner Dreber Horny teilweise steht, erweist z. B. eine Baumstudie in Dresden, die motivisch und in der zeichnerischen Durcharbeitung Horny eng verwandt ist (Anm. 9).

FĂŒr Dreber bedeutete das Erlebnis des SĂŒdens eine vollkommen neue kĂŒnstlerische Herausforderung, der er in den drei Hamburger BlĂ€ttern erstmals gegenĂŒber steht, wĂ€hrend sich andere BlĂ€tter in Dresden (Anm. 10), Kiel und NĂŒrnberg (Anm. 11) oder auch die 1912 auf der Auktion Alexander Flinsch und 1914 auf der Auktion Arnold Otto Meyer versteigerten von diesen allein schon durch ihr grĂ¶ĂŸeres Format unterscheiden. Dies stimmt mit Schönes Beobachtung ĂŒberein, dass Drebers Zeichentechnik in Italien zunĂ€chst die gleiche blieb, er sich allerdings zunehmend auch grĂ¶ĂŸeren Formaten zuwandte (Anm. 12). Auch stilistisch sind die grĂ¶ĂŸeren Formate mit ihrer großflĂ€chigen Lavierung bereits naturalistischer und malerischer in einem Sinne aufgefasst, den Dreber erst in seinen aquarellierten Bleistiftzeichnungen seit der Mitte der 40er Jahre voll ausgebildet hat.

Peter Prange

1 Richard Schöne: Heinrich Dreber, Berlin 1940, S. 30-31.
2 Heinrich Laube: Begegnung am Gardasee, in: Italien – Dichtung I. ZĂ€hlungen, Stuttgart 1988, S. 106-107.
3 Vgl. Prellers Skizzenbuch in Heidelberg, KurpfÀlzisches Museum, Inv. Nr. 5073.
4 Zu Nerlys Aufenthalt am Gardasee vgl. Franz Meyer: Friedrich von Nerly. Eine biographisch-kunsthistorische Studie, Erfurt 1908, S. 16.
5 Vgl. Louis Gurlitt 1812-1897. PortrĂ€ts europĂ€ischer Landschaften in GemĂ€lden und Zeichnungen, Ausst.-Kat. Altonaer Museum Hamburg, MĂŒnchen 1998, S. 53-56.
6Vgl. die Auflistung bei Schöne 1940, S. 198, IX.
7 Vgl. etwa das nicht bei Schöne erwĂ€hnte, mit „Malcesine“ bezeichnete Blatt, Feder in Braun, ca. 270 x 480 mm, vgl. Karl & Faber, MĂŒnchen, Auktion 75, 17-19.11.1960, S. 53, Nr. 252.
8 Schöne 1940, S. 31.
9 Baumstudie, Bleistift, Feder und Pinsel in Braun, 223 x 159 mm, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. C 1910-115.
10 Allein das Kupferstich-Kabinett in Dresden verwahrt neun vom Gardasee stammende BlÀtter: Baumstudie bei Torbole, Feder in Braun, Pinsel in Braun und Grau, 486 x351 mm, Inv. Nr. C 4677; Naco, Feder und Pinsel in Braun, 257 x 359 mm, Inv. Nr. C 4676; Torbole, Feder in Braun, Pinsel in Blau, 262 x 350 mm, Inv. Nr. C 4675; Lago di Loppio, Feder in Braun, Pinsel in Blau und Braun, 327 x 474 mm, Inv. Nr. C 4674; Felsenstudie am Lago di Loppio, Feder in Braun, 308 x 258 mm, Inv. Nr. C 4672; Burg Naco, Feder in Braun, 259 x 362 mm, Inv. Nr. C 4670; Naco, Feder in Braun, 258 x 362 mm, Inv. Nr. C 4671; Naco Lago di Loppio, Feder in Braun, Pinsel in Blau und Grau, 267 x 493 mm, Inv. Nr. C 4669; Riva, Bleistift, Feder in Braun, 303 x 472 mm, Inv. Nr. C 1918-39.
11 Felsmassiv am Lago di Loppio, Feder in Braun, Pinsel in Braun und Blau, 302 x 496 mm, NĂŒrnberg, Germanisches Nationalmuseum, Graphische Sammlung, Hz 5838, vgl. In den hellsten Farben, Ausst.-Kat. Germanisches Nationalmuseum, NĂŒrnberg 2003, Nr. 49, Abb.
12 Schöne 1940, S. 195, I.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten links bezeichnet: "Felsen im Mittelgrund rothbrĂ€unlich / grau[?] grĂŒn. / [...?] braungrĂŒn röthlich s[...?] / Grundfrisch[?] / Lange [...]luftig[?] † / Wolkenschatten ĂŒber dem großen[?] Mittelgrund / [...?]fall" (Feder in Braun) ; unten rechts bezeichnet: "Burg Naco." (Feder in Braun)

Unten rechts Nachlassstempel Heinrich Franz Dreber (L. 683a); unten links nummeriert: "III." (Bleistift)

Provenienz

Alexander Flinsch (1834-1912), Berlin; erworben 1912 bei C. G. Boerner, Leipzig, Auktion 111

Bibliographie

Schlösser, Burgen, Ruinen in der Malerei der Romantik. GemĂ€lde, Aquarelle und Graphik deutscher, österreichischer und schweizer KĂŒnstler 1770-1860, Ausst.-Kat. KurpfĂ€lzisches Museum im Ottheinrichsbau des Heidelberger Schlosses, Heidelberg 1965., S.38, Nr.67

Richard Schöne: Heinrich Dreber, hrsg. von Deutscher Verein fĂŒr Kunstwissenschaft, Forschungen zur deutschen Kunstgeschichte, Bd. 34, Berlin 1940, S.198

Handzeichnungssammlung Alexander Flinsch Berlin. Ludwig Richter / Schwind / Chodowiecki / Steinle / Feuerbach. Deutsche KĂŒnstler des 19. Jahrhunderts, Auktion 111, 29. u. 30.11.1912, C. G. Boerner, Leipzig 1912, S.32, Nr.214