Giambattista Piazzetta (Werkstatt)
Studie eines lesenden Jünglings, vor 1754
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Giambattista Piazzetta (Werkstatt)

Studie eines lesenden Jünglings, vor 1754

Giambattista Piazzetta (Werkstatt)

Studie eines lesenden Jünglings, vor 1754

Das Motiv des Hamburger Blattes mit dem lesenden jungen Mann findet sich seitenverkehrt auf dem Stich Nr. 17 der 40 Blatt umfassenden Serie „Teste di carattere“, die 1753 nach Zeichnungen Giambattista Piazzettas herausgegeben wurde.(Anm.1) Für die Funktion des Hamburger Blattes als Vorzeichnung spricht, dass sie gegenüber dem Druck seitenverkehrt ist; zudem weist sie zu viele kleine Unterschiede auf, um als Kopie gelten zu können.
Trotz dieser plausiblen Argumente ist nicht eindeutig festzustellen, ob das Blatt als Vorzeichnung gedient hat. Denn in Modena befindet sich eine etwas kleinere, aber motivisch weitgehend dem Hamburger Blatt entsprechende Fassung.(Anm.2) Beide Zeichnungen sind technisch sehr ähnlich auf leicht verblasstem, ehemals blauem Papier ausgeführt. Der wichtigste Unterschied, neben kleineren Abweichungen, z. B. bei den Haaren, betrifft die grundsätzliche Erscheinung der Blätter. Dabei zeigt sich, dass die Hamburger Zeichnung wesentlich konturierter ausfällt. Die auf dem Blatt in Modena erkennbare sfumatohafte Bildwirkung ist in Hamburg einer größeren, aber aufgrund der Kreide niemals harten Schärfe in den Umrissen gewichen. So sind z. B. das Ohr oder das Buch deutlich akzentuierter herausgearbeitet. Gegenüber den besten Blättern von Piazzetta erscheint die Hamburger Zeichnung zudem insgesamt weniger ausdrucksstark. Vor diesem Hintergrund ist das Blatt in Modena wohl als Vorzeichnung der Graphikserie einzuordnen, wohingegen die Hamburger Zeichnung eine qualitätvolle Wiederholung darstellt. Dabei ist es durchaus denkbar, dass diese Version von Piazzetta kontrolliert worden ist. Vielleicht entstanden derartige Wiederholungen in der Werkstatt aufgrund der Nachfrage von Sammlern.
Angesichts der hier angedeuteten Schwierigkeiten einer genauen Zuschreibung der Zeichnungen des Künstlers wäre eine Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Meister und Werkstatt wünschenswert.(Anm.3)

David Klemm

1 Vgl. L’eredità di Piazzetta. Volti e figure nell’incisione del Settecento, bearb. v. Maria Agnese Chiari Moretto Wiel, Ausst.-Kat. Venedig, Palazzo Ducale, Venedig 1996, S. 63, Nr. 113, mit Abb.
2 Modena, Galleria Estense, Inv.-Nr. 1200, 347 x 273 mm, auf verblasstem blauen Papier, am Rand Klebereste; vgl. Elisabetta Saccomani in Disegni della Galleria Estense di Modena, hrsg. v. Jadranka Bentini, Ausst.-Kat. Modena, Galleria Estense, Modena 1989, S. 260; Disegni di una grande collezione. Antiche raccolte estense dal Louvre e dalla Galleria di Modena, hrsg. v. Jadranka Bentini, Ausst.-Kat. Mailand, Palazzo Ducale di Sassuolo, Mailand 1998, S. 198, Nr. 82, Abb. S. 199.
3 Vgl. ebd.: „L’accettamento dell’autenticità di simili opere risulta quindi spesso problematico“.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Umfassungslinie (Feder in Schwarz); unten links: Stempel der Sammlung Mouriau (L. 1853); auf dem Verso in der Mitte Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1233); unten links: Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328); nummeriert: "8" (Graphit); unten in der Mitte bezeichnet: "C" oder "G" (Rötel, teilweise vom Passepartout verdeckt)

Provenienz

A. Mouriau (1. H. 19. Jh.), Belgien (L. 1853); erworben vom Kunstmakler Christian Meyer (1811-1886), Hamburg (nicht bei Lugt), von diesem verkauft am 15.03.1866 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg (Hamburger Kunsthalle, Archiv, Eingangsbuch „Inventarium der hamburgischen städtischen öffentlichen Gemälde Gallerie“, S. 77, Nr. 19 als „Gio. Batt. Piazzetta“), übergegangen 1869 in den Besitz der Kunsthalle.

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.272-273, Nr.388

Geheimster Wohnsitz. Goethes italienisches Museum. Zeichnungen aus dem Bestand der Graphischen Sammlung der Kunstsammlungen zu Weimar ergänzt durch seltene Antikenwerke der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Ausst.-Kat. Kunstsammlungen zu Weimar, Berlin 1999, S.122, Nr.bei Nr. 23

Himmel, Ruhm und Herrlichkeit. Italienische Künstler an rheinischen Höfen des Barock, hrsg. von Hans. M. Schmidt, (Kunst und Altertum am Rhein, Bd. 128), Köln 1989, S.333, Nr.94, Abb.332

[Wolf Stubbe]: Italienische Zeichnungen 1500-1800. Ausstellung aus den Beständen des Kupferstichkabinetts, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1957, S.31, Nr.168

Catalogue de la riche Collection de dessins anciens, composant le Cabinet de M. A. Mouriau, ancien Capitaine au service de Belgique, 11./12.3.1858, M. Delbergue-Cormont, Paris, Hotel des Commissaires-Priseurs 1858, S.38, Nr.208