Friedrich Olivier
Franca Schnorr von Carolsfeld (1829-1846) auf dem Totenbett, 1846
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Friedrich Olivier

Franca Schnorr von Carolsfeld (1829-1846) auf dem Totenbett, 1846

Friedrich Olivier

Franca Schnorr von Carolsfeld (1829-1846) auf dem Totenbett, 1846

Dargestellt ist Franca, die älteste Tochter des Malers Julius Schnorr von Carolsfeld, die am 2. Februar 1846 mit nur sechzehn Jahren überraschend verstarb. Friedrich Olivier, der die Verstorbene einen Tag später auf dem Totenbett zeichnete, konzentrierte sich auf die Wiedergabe des Kopfes. Franca, im Profil nach links gezeigt, scheint ruhig zu schlafen. Ihr Gesicht zeigt entspannte, friedliche Züge, wirkt jedoch bereits wächsern und bleich. Das Antlitz wird von einem Tuch umhüllt und ist mit einem üppigen Blütenkranz aus Rosen geschmückt. Wohl schon vorher, direkt am Todestag, wird Olivier eine erste, noch erhaltene Zeichnung von Franca angefertigt haben. Sie zeigt die Verstorbene mit einer Kinnbinde, was auf einen Zeitpunkt unmittelbar nach dem eingetretenen Tod hindeutet. (Anm.1)
Friedrich Olivier und Julius Schnorr von Carolsfeld waren verschwägert; sie waren mit den Schwestern Fanny und Maria Heller verheiratet. (Anm.2) Zusammen mit der Familie des Bruders Ferdinand Olivier lebten sie ab 1832 in München in einem von Schnorr erbauten Haus Ecke Brienner- und Arcisstraße zusammen. Friedrich Olivier assistierte seit 1831 Schnorr bei dessen von Ludwig I. von Bayern erhaltenen Aufträgen zu den Monumentalfresken in der Münchner Residenz. Aus diesen engen familiären Verhältnissen resultierte eine ganze Reihe von gegenseitigen Bildnissen der jeweiligen Kinder, so hat z.B. Olivier neben den Porträts seiner eigenen Kinder Johanna und Julius von 1846, bereits 1836 auch bereits Franca (im Alter von sieben jahren) und ihren Bruder Carl gezeichnet. (Anm.3)
Schnorr selbst hatte 1823 schon seine Schwester Louise (1807-1823) beinahe im selben Alter wie die eigene Tochter Franca verloren, deren Aussehen ebenfalls auf dem Totenbett durch eine anrührende Zeichnung des Vaters Veit Hans Schnorr von Carolsfeld (1764-1841) der Nachwelt überliefert wurde. (Anm.4)
Zum engeren Freundeskreis gehörte auch Moritz von Schwind, der 1828 nach München gekommen war und 1839/40 ein Gruppenbildnis der Kinder fünf ältesten Kinder Schnorrs begann, aber nicht vollendete. Das in Schnorrs Münchner Haus gemalte Bild befindet sich in der Hamburger Kunsthalle. (Anm.5) Neben den Söhnen Carl (1830-1895), Ludwig (1836-1865) und Eduard (1838-1910) sind die beiden Töchter Marie (1831-1919) und als zweite von links im klassischen Profil nach rechts ist auch Franca im Alter von ca. elf Jahren porträtiert worden.
Durch die zahlreichen freundschaftlichen Kontakte im Hause Schnorr und Olivier kam es, dass noch weitere, meist tief betroffene Künstlerkollegen Bildnisse der verstorbenen Franca anfertigten. Bekannt sind bislang eine Zeichnung des Bildhauers Hanns Gasser (1817-1868), der später auch eine heute verschollene Skulptur mit dem Titel «Herzeleid» schuf, die den Abschied der jüngeren Schwestern Marie Schnorr und Emilie Schnorr (1832-1864) von Franca symbolisierte (Anm.6) sowie des Leipziger Malers Gustav Jäger (1808-1871), der sie, wie Karl-Heinz Mehnert schrieb, «engelsgleich in sanftem Schlummer ruhend» wiedergab. (Anm.7)
Das Thema des Totenbildnisses spielte im 19. Jahrhundert eine große Rolle, erwähnt sei in diesem Zusammenhang u. a. das beeindruckende Bildnis der Sophia Sieveking, das Philipp Otto Runge 1810 schuf und das sich im Kupferstichkabinett befindet. (Anm. 8)
Auf der Rückseite befindet sich eine weitere Bildniszeichnung Oliviers, die wahrscheinlich eine seiner Töchter – möglicherweise Gabriele Olivier – zeigt (Abb.). Das Rechteck des Porträts ist durch nachträgliche Beschneidung derart an den Rand des Papiers gerückt, dass man vermuten kann, dass es vor der auf dem Papier zentrierten Zeichnung der Franca entstanden sein muss.

Andreas Stolzenburg

1 Bremen, Kunsthalle, Graphische Sammlung; Ludwig Grote: Die Brüder Olivier und die deutsche Romantik, Berlin 1999 (1. Ausgabe: Berlin 1938), S.383, Abb. 247
2 Grote 1999, S. 319, Abb.202 (Doppelbildnis von Theodor Rehbenitz).
3 Grote 1999, S. 321, Abb. 204 und S. 320, Abb. 203.
4 Karl-Heinz-Mehnert, Stephan Seeliger: Die Schenkung Ursula Schnorr von Carolsfeld, in: Museum der bildenden Künste Leipzig. Jahresheft 1995, Leipzig 1996, S. 25, Nr. 4, Abb.
5 Inv.-Nr. HK-1238; Moritz von Schwind. Meister der Spätromantik, Ausst.-Kat.Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Museum der bildenden Künste Leipzig, Ostfildern-Ruit 1996, S. 151-152, Nr. 180, Abb.
6 Mehnert/Seeliger 1996, S. 26, Nr. 6, Abb.
7 Gemälde Alter und Neuerer Meister, Zeichnungen des 15. – 19. Jahrhunderts, Aukt.-Kat. Berlin, Galerie Gerda Bassenge, Auktion 95, 4. 6. 2010, S. 239, Nr. 6374, Abb. S.238. Zitat nach Mehnert/Seeliger 1996, S. 26, bei Nr. 6.
8 Kosmos Runge. Der Morgen der Romantik, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München 2011, S. 290-293, Nr. 217

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unterhalb der Darstellung in der Mitte bezeichnet: "Franka Schnorr v. Carolsfeld" (Bleistift); rechts daneben datiert: "d 3 Febr 1846" (Bleistift); rechts daneben Reste einer Signatur: "Olivier[?]" (Bleistift; verwischt)

Verso

Titel verso: Bildnis der Gabriele Olivier (?)

Technik verso: Bleistift, 117 x 103 mm (Bild; durch spätere Beschneidung des Blattes ganz links an den Rand gerückt)

Provenienz

Friedrich Olivier (1791-1859); dessen Tochter, Gabriele Loth, geb. Olivier (1832-1899); deren Tochter, Johanna Emilie Friederike Herbst, geb. Loth (1852-1934); deren Tochter Clara (Ami) von Harten, geb. Herbst (1879/97?-1954); deren Sohn, Herbert Waldemar von Harten (1904-1974); dessen Ehefrau, Helene (Nelly) von Peetz (1921-2006); beider Tochter, Beate von Harten; Auktion Neumeister, München, 2. 12. 2009; bis 2010 H. W. Fichter, Kunsthandel, Frankfurt am Main; erworben 2010 mit Mitteln des Fördervereins "Die Meisterzeichnung. Freunde des Hamburger Kupferstichkabinetts e.V."

Bibliographie

Ersehnte Welten (Gezeichnete Kunst XVII), H. W. Fichter Kunsthandel, Frankfurt am Main 2010, S.79-80, Abb. (Recto und Verso)

Neumeister. Alte Kunst, Neumeister, Auktion 346 2. 12. 2009, München, 2009, S.273, Nr.551, Abb. (Recto und Verso)