Domenico Tintoretto
Die Eroberung Konstantinopels durch die Venezianer, um 1598
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Domenico Tintoretto

Die Eroberung Konstantinopels durch die Venezianer, um 1598

Domenico Tintoretto

Die Eroberung Konstantinopels durch die Venezianer, um 1598

Teilentwurf zu dem zwischen 1598 und 1605 entstandenen Gemälde „Die Eroberung von Konstantinopel durch die Venezianer im Jahre 1204“, das sich an der Fensterwand der Sala del Maggior Consiglio im Dogenpalast in Venedig befindet. Der Auftrag war zunächst an Jacopo Tintoretto ergangen, der jedoch während der Arbeiten verstarb. Dessen Sohn Domenico übernahm die Aufgabe und bereitete das Gemälde sorgfältig vor.
Der Entwurf nähert sich dem später fast quadratischen Gemälde in einzelnen Gestaltungselementen. So sind der eine Leiter aufrichtende Krieger links unten und der Armbrustspanner rechts bereits in der räumlichen Platzierung und Körperhaltung gut erkennbar. Auch die andrängenden Galeeren mit Riemen und Rahen, die Leiterschrägen sowie die rautenförmig herabhängende Fahne oder die im Hintergrund angedeutete Prozession vor einem Torbogen sind allesamt bereits vorhanden, jedoch seitenverkehrt entworfen.
Diese Abwandlungen und zahlreiche noch nicht angelegte Figuren sprechen für eine Vorstudie. Mit äußerst schneller Handschrift vermittelt der Künstler aus „unzentrierten, gleichmäßig über die Fläche verteilten Bewegungen von Figur und Ding“ (Anm.1) wirkungsvoll die Lebendigkeit des Kampfes. Es ist bemerkenswert, dass es Tintoretto weder hier noch im späteren Gemälde darauf ankam, die Hauptakteure des Ereignisses, den Dogen und den Klerus, kompositionell angemessen herauszuarbeiten.
Domenico ist einer der wenigen Künstler seiner Zeit, der bei der Vorbereitung eines Gemäldes Kompositionsstudien in Tempera ausführte, „wobei die Skizzen fast den Charakter selbständiger kleiner Bildfassungen annahmen“.(Anm.2) Unsere gute Kenntnis seines Zeichenstils gründet sich auf einen heute aufgelösten Klebeband mit 90 Zeichnungen aus dem Jahre 1682. Dieser stammt aus dem Besitz des berühmten spanischen Zeichnungssammlers Don Gaspar Mendéz de Haro y Guzmán und befindet sich seit 1907 im British Museum.(Anm.3) Neben dem Hamburger Entwurf können auch zwei Blätter in der Sammlung Ratjen in Washington als Vorstudien für das Gemälde im Dogenpalast benannt werden.(Anm.4)
Die Darstellung der Eroberung Konstantinopels war Teil eines umfangreichen Raumprogramms, mit dem eine 1577 verbrannte Ausstattung der Sala del Maggior Consiglio ersetzt wurde. Unter der Regie des Antonio da Ponte schilderten neben Domenico Tintoretto u. a. auch Paolo Veronese und Palma il Giovane den Aufstieg der Stadt zur europäischen Großmacht und die Geschichte des IV. Kreuzzuges.(Anm.5) Tintorettos virtuose Studie diente somit der Beschwörung einer politischen Größe, von der Venedig um 1600 jedoch bereits weit entfernt war. Dass dabei die aus heutiger Sicht verwerfliche Zerstörung und Plünderung der christlichen Stadt Konstantinopel als eigene Ruhmestat gefeiert wurde, wirft ein bezeichnendes Licht auf das Selbstverständnis der venezianischen Auftraggeber.

David Klemm

1 Vgl. Wolf Stubbe: Zu den Erwerbungen der Graphischen Sammlung, in: Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen 2, 1952, S. 23-47, S. 28.
2 Vgl. Lachenmann in Fünfzig italienische Zeichungen des 16.-19. Jahrhunderts aus der Sammlung Ratjen, bearb. v. David Lachenmann, Ausst.-Kat. Vaduz, Liechtensteinische Staatliche Kunstsammlungen, Bern 1995, o. S., bei Nr. 8.
3 Zum Klebeband in London siehe: Sydney Colvin: Tintoretto in the British Museum, in: The Burlington Magazine 16, 1909-1910, S. 189-200, S. 254-261, S. 189–200, S. 254–261, Farbtafel vor S. 309; Rosanna Tozzi: Disegni di Domenico Tintoretto, in: Bollettino d’Arte 31, 1937, S. 19-31, S. 19–31.
4 Ehem. Sammlung Ratjen (R 908, R 909); ein Blatt befindet sich jetzt in Washington, National Gallery of Art , Wolfgang Ratjen Collection, Inv.-Nr. 2007.111. 175; vgl. Lachenmann in Fünfzig italienische Zeichungen des 16.-19. Jahrhunderts aus der Sammlung Ratjen, bearb. v. David Lachenmann, Ausst.-Kat. Vaduz, Liechtensteinische Staatliche Kunstsammlungen, Bern 1995, o. S., Nr. 8, Nr. 9.
5 Vgl. ausführlich Wolfgang Wolters: Der Bilderschmuck des Dogenpalastes. Untersuchungen zur Selbstdarstellung der Republik Venedig im 16. Jahrhundert, Wiesbaden 1983.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso in der Mitte: aufgeklebter Papierstreifen mit Bemerkung von alter Hand: "Domenico del maggior consiglio (Feder in Braun, die letzten Worte durchgestrichen]; unterhalb davon bezeichnet: "Domenico Tintoretto italiano quadro re[a]lta in sala del maggior consiglio" (Feder in Braun); ((Stempel der Hamburger Kunsthalle fehlt noch))

Provenienz

Arthur Haseloff (1872–1955), Kiel (nicht bei Lugt); erworben 1950 aus Mitteln der Cam-pe’schen Historischen Kunststiftung

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.347-348, Nr.530, Abb.Farbtafel S. 45

David Klemm: Von Leonardo bis Piranesi. Italienische Zeichnungen von 1450 bis 1800 aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Hubertus Gaßner, David Klemm und Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Bremen 2008, S.124-125, Abb, S. 229, Nr.55

Petra Roettig, Annemarie Stefes, Andreas Stolzenburg: Von Dürer bis Goya. 100 Meisterzeichnungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2001, S.42-43, Nr.16, Abb.

William R. Rearick: Il disegno veneziano del Cinquecento, Mailand 2001, S.236

Eckhard Schaar, David Klemm: Italienische Zeichnungen der Renaissance aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1997, S.109, Nr.60, Abb.S. 80

David Lachenmann: Fünfzig italienische Zeichungen des 16.-18. Jahrhunderts aus der Stiftung Ratjen, Vaduz, Ausst.-Kat. Vaduz, Liechtensteinische Staatliche Kunstsammlungen, Bern 1995, S.o.S., Nr.bei Nr. 8

Die Campe'sche Historische Kunststiftung. Erwerbungen seit 1945, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle; Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Hamburg 1964, S.30, Nr.353, Abb.2

[Wolf Stubbe]: Italienische Zeichnungen 1500-1800. Ausstellung aus den Beständen des Kupferstichkabinetts, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1957, S.19-20, Nr.81

Wolf Stubbe: Zu den Erwerbungen der Graphischen Sammlung, in: Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen 2, 1952, S. 23-47, S.25-28, Abb.S. 27

Peter Wilhelm Meister, Carl Georg Heise, Erich Meyer: Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, 2, 1952, , S.25-28, Abb.