Constantijn Daniel van Renesse
Blick in ein Tal zwischen hohen Felswänden,
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Constantijn Daniel van Renesse

Blick in ein Tal zwischen hohen Felswänden,

Constantijn Daniel van Renesse

Blick in ein Tal zwischen hohen Felswänden

Constantijn à Renesse nahm in der Zeit um 1650 offensichtlich nur gelegentlich Zeichenunterricht bei Rembrandt. Dabei genoss er eine bevorzugte Behandlung, denn der Meister korrigierte eigenhändig viele seiner Schülerzeichnungen.(Anm.1) Seine eigentliche Ausbildung erhielt Renesse an der Universität Leiden, wo er zunächst Sprachen und anschließend Mathematik studierte. Ab 1653 diente er hauptberuflich als Stadtsekretär von Eindhoven und widmete sich der Zeichenkunst nur mehr aus Liebhaberei – dies allerdings auf hohem Niveau.
Das Hamburger Blatt, von Harzen noch als „Hauptblatt“ Rembrandts inventarisiert, wurde von Sumowski um 1660 datiert und ist damit ein schönes Beispiel für diese späte Werkphase.(Anm.2) Charakteristisch für Renesses Landschaften ist die malerische Dichte bei schichtartig ineinander verwobenen Zeichenmitteln. Unabdingbar für diese pastose Farbwirkung ist die Verwendung der weißen Deckfarbe. In ähnlicher Weise sind die Hintergrundlandschaften seiner gezeichneten Historien gearbeitet.(Anm.3)
Bis vor kurzem galt Inv.-Nr. 22817 als einzige reine Landschaftszeichnung des Künstlers. Diesen Status verlor das Blatt durch die Zuschreibung zweier ehemals unter dem Namen Rembrandts verwahrter Landschaften an Renesse.(Anm.4) Nurmehr bleibt ihre Sonderstellung beschränkt auf den nordischen Landschaftstypus: In diesem deutlich von Werken Roelant Saverys (Anm.5) abgeleiteten Motiv steht sie recht isoliert im Œuvre des Künstlers.
In gewisser Weise ungewöhnlich sind auch die Kreidestudien auf der Rückseite des Blattes. Hier sieht man hinter dem Brustbild eines orientalischen Herrschers Kopf und Rücken einer reich gekleideten Frau, sowie einen flüchtig angelegten, dem Betrachter zugewandten Kopf mit phantastischem Schmuck. Insbesondere der Herrscher ist ausgesprochen sicher zu Papier gebracht und unterscheidet sich im Ausdruck von Renesses mitunter etwas blass wirkenden Figuren.(Anm.6) In der Intensität des forschenden Blickes aber durchaus vergleichbar ist der lauernde Jäger auf einer signierten, um 1652 angesetzten Federzeichnung in London.(Anm.7) Stilistisch erinnert die lockere Schraffur an eine Aktstudie in Amsterdam.(Anm.8)

Annemarie Stefes

1 Vgl. Bruyn 1991/92, S. 83. Das Hauptblatt dieser Gruppe befindet sich in den Staatlichen Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 2313, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 9, Ovens - Rijn, hrsg. von Walter L. Strauss, 1985, Nr. 2191 xx, Holm Bevers: Rembrandt. Die Zeichnungen im Berliner Kupferstichkabinett, Ostfildern 2006, Nr. 47; vgl. auch die Zeichnung in Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Inv.-Nr. MB 200, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 9, Ovens - Rijn, hrsg. von Walter L. Strauss, 1985, Nr. 2145, Jeroen Giltay: The Drawings by Rembrandt and his School in the Museum Boymans-van Beuningen, Rotterdam 1988, Nr. 130, deren Verso-Beischrift auf einen Besuch bei Rembrandt im Jahre 1649 verweist.
2 In seinen frühen Zeichnungen, noch vor der Kontaktaufnahme zu Rembrandt, orientierte sich Renesse an Werken des Genremalers Pieter Quast, z. B. Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 23228, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 9, Ovens - Rijn, hrsg. von Walter L. Strauss, 1985, Nr. 2158.
3 Als Byam Shaw die Zeichnung 1938 publizierte, war sie bereits Renesse zugeordnet. – James Byam Shaw: Three Drawings of Rembrandt's School, in: Old Master Drawings 13, 1938, S. 18-21 und M. D. Henkel: Catalogus van de Nederlandsche teekeningen in het Rijksmuseum te Amsterdam. Bd. 1, Teekeningen van Rembrandt en zijn school, 's-Gravenhage 1942 nennen als stilistische Anhaltspunkte die signierte „Versuchung Christi“ in London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. Oo,9.66, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 9, Ovens - Rijn, hrsg. von Walter L. Strauss, 1985, Nr. 2171 x, Martin Royalton-Kisch: Drawings by Rembrandt and His School in the Briish Museum, Online-Publikation 2009, Nr. 2 (um 1650) sowie „Mose mit Rahels Töchtern am Brunnen“, Amsterdam, Rijkspren-tenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1893-A–2782, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 5, Gelder - Horst, hrsg. von Walter L. Strauss, New York 1981, Nr. 2169 x; ebd. S. 4878 mit zusätzlichem Verweis auf „Judah und Tamar“, Haarlem, Teylers Museum, Inv.-Nr. P* 20, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 5, Gelder - Horst, hrsg. von Walter L. Strauss, New York 1981, Nr. 2169 x, Michiel C. Plomp: Jan Pietersz. Zomer's inscriptions on drawings, in: Delineavit et Sculpsit 17, 1997, S. 13-27, Nr. 345.
4 Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 5212 und Inv.-Nr. KdZ 2694, vgl. Martin Royalton-Kisch: From Rembrandt to Van Renesse: some re-attributed drawings, in: The Burlington Magazine 142, 2000, S. 157-164 und Holm Bevers: Rembrandt. Die Zeichnungen im Berliner Kupferstichkabinett, Ostfildern 2006, S. 202–203.
5 Vgl. Inv.-Nr. 22490 mit weiteren Vergleichen. Harzen deutete die nordische Landschaft als Beleg für eine späte Skandinavienreise Rembrandts.
6 Vgl. das „Urteil Salomos“, New York, Metropolitan Museum of Art, Inv.-Nr. 1975.I.806, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 9, Ovens - Rijn, hrsg. von Walter L. Strauss, 1985, Nr. 2151, Rembrandt/Not Rembrandt in The Metropolitan Museum of Art, Aspects of Connoisseurship. Bd. 1, Paintings: Problems and Issues, Bd. 2, Paintings, Drawings and Prints: Art-Historical Perspectives, Ausst.-Kat. The Metropolitan Museum of Art, New York 1995, Bd. 2, Nr. 85. Bei Sumowski wurde die Verso-Skizze nicht behandelt, weil das Blatt zu diesem Zeitpunkt noch fest aufgelegt war.
7 London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1851,0208.321,Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 5, Gelder - Horst, hrsg. von Walter L. Strauss, New York 1981, Nr. 2147, Martin Royalton-Kisch: Drawings by Rembrandt and His School in the Briish Museum, Online-Publikation 2009, Nr. 1 (um 1650).
8 Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1900-A-4446, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 5, Gelder - Horst, hrsg. von Walter L. Strauss, New York 1981, Nr. 2184 x. Im Motiv grundsätzlich verwandt ist die Verso-Skizze der unter Anm. 3 erwähnten Haarlemer Zeichnung, allerdings deutlich summarischer in der Linienführung.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Verso bezeichnet unten links: "aaT" (Bleistift); unten rechts L. 1328

Wasserzeichen / Kettenlinien

-
24-26 mm (h)

Verso

Titel verso: Studien eines orientalischen Herrschers und eines Kriegers in Rüstung, Hochformat

Technik verso: Schwarze Kreide

Provenienz

Theodorus van Duijsel (gest. 1784), Den Haag; dessen Auktion, Amsterdam 1784 (Lugt Ventes 3779): „Een Landschap, en en Vrouwe Porträt, door Renesse, 2 stuks“; Georg Ernst Harzen (1790–1863), Hamburg (L. 1244); HK, KK, A, NH Ad:01:02, fol. 53 (als „Rembrant“): „Zwischen hohen mit Nadelholz bewachsenen Felswänden, ergießt sich ein See mehrere Fälle bildend in den Vorgrund wo eine hölzerne Brücke die Ufer verbindet. Jenseits des Sees zeigt sich eine Stadt, hinter welcher ein hohes Gebirge emporsteigt. Durch einige Figuren belebt. Kreide und Feder mit etwas Deckfarben schön beendigt. Auf der Rückseite flüchtige Kreideentwürfe eines Orientalen, einer Frau von hinten gesehen u a. 11.0. 7.0 Hauptblatt, welches der Annahme Vorschub leistet, daß Rembrant in vorgerückten Lebensjahren eine Reise nach Schweden unternommen habe.“; HK, KK, A, NH Ad: 02: 01, S. 266; Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Annemarie Stefes, Leonore van Sloten, Leonoor van Oosterzee: Tekenen in Rembrandts tijd. Meesterwerken uit de Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Museum Het Rembrandthuis, Amsterdam 2012, S.124, Nr.94, Abb.S. 99

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog II van Musscher - Zegelaar, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.467-468, Nr.865

Anne Röver-Kann: Rembrandt, oder nicht? Zur Sammlungsgeschichte dieser Zeichnungen in Hamburg und Bremen, in: Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000, S. 24-29, S.24, Abb.1

Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000, S.24, Nr.86 mit Abb.

Rembrandt und sein Jahrhundert, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1994, Nr.102, Abb.S. 99

Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Ovens - van Rijn, hrsg. von Walter L. Strauss, Bd. 9, New York 1985, S.4878, Nr.2172x, Abb.4879

Rembrandt als Leermeester, Ausst.-Kat. Stedelijk Museum de Lakenhal, Leiden 1956, Nr.172

Catalogus van een fraay Kabinet Met Gecouleurde en Ongecouleurde Teekeningen, Door veele Italiaansche, Fransche en Nederlandsche Meesters ... Nagelaaten door Wylen den Heer Theodorus van Duysel, Philippus van der Schley, Jan de Bosch Jeronsz. u.a., 11.10., Amsterdam, 1784, S.143, Album V, Nr.1486

M. D. Henkel: Teekeningen van Rembrandt en zijn school, Catalogus van de Nederlandsche Teekeningen in het Rijksmuseum te Amsterdam, Bd. 1, Den Haag 1942, S.101, Nr.bei Nr. 6

James Byam Shaw: Three Drawings of Rembrandt's School, in: Old Master Drawings 14, 1938, , S.18-21, Abb.19