Casper Casteleyn, zugeschrieben Cornelis Saftleven, ehemals zugeschrieben
Trinkender Jüngling, 1650 - 1660
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Casper Casteleyn, zugeschrieben Cornelis Saftleven, ehemals zugeschrieben

Trinkender Jüngling, 1650 - 1660

Casper Casteleyn, zugeschrieben Cornelis Saftleven, ehemals zugeschrieben

Trinkender Jüngling, 1650 - 1660

Die zuletzt aktuelle Zuschreibung an Cornelis Saftleven geht zurück auf Wolfgang Schulz, der allerdings eine Begründung schuldig blieb.(Anm.1) Zwar lassen sich gewisse Verwandtschaften feststellen zu Saftleven-Zeichnungen wie dem „Schlafenden Jäger“ (1642) aus der Sammlung Abrams oder zwei Studien aus den Jahren 1633 bzw. 1633.(Anm.2) Doch bleiben die unruhig ondulierten Stofffalten im Zusammenspiel mit den sauber konturierten, fein abschattierten Gliedmaßen ohne direkte Parallele im gesicherten Œuvre Saftlevens. Auch in seinem deutlich größeren Format ist der „Trinkende Jüngling“ von den Figurenstudien Saftlevens abzugrenzen.(Anm.3)
Eher schon könnte Harzens Assoziation mit Jan Baptist Weenix in die richtige Richtung weisen. Im Habitus verwandt ist der junge „Kesselflicker“ auf einem datierten Gemälde von 1650; die schmelzenden Umrisslinien lassen sich grundsätzlich vergleichen mit einer Figurenstudie in Amsterdam.(Anm.4) In Gegenüberstellung mit dieser freier angelegten Skizze ist das Hamburger Blatt allerdings disziplinierter und konzentrierter gezeichnet.
Ganz ähnlich ist hingegen eine ebenfalls großformatige Figurenstudie des Casper Casteleyn gearbeitet.(Anm.5) Der geschmeidige Linienfluss in Verbindung mit geschlossenen Umrissen, sauber abschattierten Gliedmaßen und kräftig schraffiertem Hintergrund begegnet auch auf der „Studie eines sitzenden Kavaliers“.(Anm.6)
Der dem Kreis der Haarlemer Klassizisten zugehörige Casteleyn hinterließ ein über-schaubares Œuvre, doch finden sich unter seinen Gemälden und Zeichnungen weitere Bezugspunkte zu dem Hamburger Blatt. Dies betrifft eine in der Ausführung verwandte signierte Zeichnung in Amsterdam, der wohl ein vergleichbar großformatiges, ebenfalls in Amsterdam verwahrtes Blatt angeschlossen werden kann.(Anm.7) In der pastoralen Konnotation unserem Blatt verwandt ist eine gemalte Darstellung von „Granida und Daifilo“ (1653) in St. Petersburg.(Anm.8) Vielleicht ist diesem Corpus eine weitere Fassung des Themas anzuschließen, die zuletzt in Verbindung gebracht wurde mit Jan van Noordt (1623/24–nach 1676) bzw. Jan Cossiers (1600–1671).(Anm.9)
Jan van Noordt zeichnete einen ganz ähnlichen barfüßigen Jüngling in kurzen Hosen, herabgelassenen Strümpfen und bauschig zusammengebundenen Hemd, allerdings zusätzlich mit einer Jacke bekleidet.(Anm.10) Wenn diese Übereinstimmung nicht dem Zufall bzw. dem Zeitgeschmack geschuldet ist, wäre ein Studium nach demselben Modell nicht ganz auszuschließen. Jedenfalls lebte auch Casteleyn zeitweise in Amsterdam, der Heimatstadt des Jan van Noordt.(Anm.11)

Annemarie Stefes

1 Wolfgang Schulz: Cornelis Saftleven 1607-1681. Leben und Werke. Mit einem kritischen Katalog der Gemälde und Zeichnungen, Berlin u. a. 1978, S. 88–89, Nr. 76.
2 Boston, Sammlung Maida und George Abrams (163 x 240 mm), Schulz 1978, Nr. 56 bzw. William S. Robinson, Peter Schatborn: Seventeenth-Century Dutch Drawings - A Selection from the Maida and George Abrams Collection, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Wien, Graphische Sammlung Albertina, New York, The Pierpont Morgan Library, Cambridge (Mass.), The Fogg Art Museum 1991, Nr. 70 mit Verweis auf das Gemälde in gleicher Sammlung (Wolfgang Schulz: Cornelis Saftleven 1607-1681. Leben und Werke. Mit einem kritischen Katalog der Gemälde und Zeichnungen, Berlin u. a. 1978, Nr. 646); St. Gilgen, Sammlung F. C. Butôt (248 x 174 mm), Wolfgang Schulz: Cornelis Saftleven 1607-1681. Leben und Werke. Mit einem kritischen Katalog der Gemälde und Zeichnungen, Berlin u. a. 1978, Nr. 137; Edinburgh, Sammlung Keith Andrews (320 x 170 mm), ebd., Nr. 69.
3 Zu den im Format größten Saftleven-Studien gehört der „Flöhe suchende Junge“ (1626) in Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1948-411 (385 x 307 mm), Peter Schatborn: Dutch Figure Drawings from the seventeenth century, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Washington, National Gallery of Art, Den Haag 1981, Nr. 88. Dieser ist aber als in Ölkohle gearbeitete Teilstudie einer anderen Gattung zugehörig. Nicht direkt vergleichbar ist auch der deutlich kompakter gearbeitete „Stehende Mann mit Buch“ (1652) in gleicher Sammlung, Inv.-Nr. RP-T-1902-A-4569 (304 x 196 mm), Wolfgang Schulz: Cornelis Saftleven 1607-1681. Leben und Werke. Mit einem kritischen Katalog der Gemälde und Zeichnungen, Berlin u. a. 1978, Nr. 30.
4 Das 1650 datierte Bild befindet sich in der Sammlung des Viscount Allendale, Waterhouse 1951, Abb. 16; die Zeichnung im Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1899-A-4239, Peter Schatborn: Dutch Figure Drawings from the seventeenth century, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Washington, National Gallery of Art, Den Haag 1981, Nr. 99.
5 „Rastender Jäger“, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 1400 (Rötel und weiße Kreide, 391 x 291 mm), Elfried Bock, Jakob Rosenberg: Die niederländischen Meister. Beschreibendes Verzeichnis sämtlicher Zeichnungen, Staatliche Museen zu Berlin. Die Zeichnungen alter Meister im Kupferstichkabinett, 2 Bde., Berlin 1930, Bd. 1, S. 168, Corpus Gernsheim 49 543.
6 Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 13030 (schwarze und weiße Kreide, 389 x 288 mm), Elfried Bock, Jakob Rosenberg: Die niederländischen Meister. Beschreibendes Verzeichnis sämtlicher Zeichnungen, Staatliche Museen zu Berlin. Die Zeichnungen alter Meister im Kupferstichkabinett, 2 Bde., Berlin 1930, Bd. 1, S. 168. Die Berliner Casteleyn-Zeichnungen unterscheiden sich von unserem Blatt lediglich in der stärker ausgeprägten Gitterschraffur.
7 Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1881-A-101 (204 x 253 mm) und Inv.-Nr. RP-T-1900-A-4427 (190 x 349 mm); letzteres gilt als „Abraham van den Tempel“, wird aber in einer Passepartoutnotiz versuchsweise mit Casteleyn assoziiert. Auf beiden Zeichnungen ist jeweils ein Hirtenpaar dargestellt.
8 St. Petersburg, Staatliches Museum Eremitage, Inv.-Nr. 7647. Ein in Proportion und Physiognomie verwandter junger Mann begegnet auf einem Gemälde in Warschau: „Minerva besucht einen jungen Mann im Gefängnis“, 1659, Warschau, Muzeum Kolekcji im Jana Pawła II. Fundacja Zbigniewa i Janiny Porczynskich, ohne Inv.-Nr.
9 „Granida und Daifilo“, ehemals Kunsthandel Hoogsteder & Hoogsteder, Den Haag, Het Gedroomde Land. Pastorale schilderkunst in de Gouden Eeuw, hrsg. von Peter van den Brink, Jos de Meyere, Ausst.-Kat. Centraal Museum Utrecht u.a. 1993, Nr. 46 (Jan van Noordt), David A. de Witt: Jan van Noordt. Painter of History and Portraits in Amsterdam, Montreal & Kingston, London, Ithaca 2007, Nr. R33 (eher Umkreis des Jan Cossiers); der kniende „Daifilo“ dieses Gemäldes hat eine ähnlich kräftige Nase, das selbe schulterlange Haar und die selben breiten, ebenmäßig geschwungenen Augenbrauen wie der Jüngling der Hamburger Zeichnung.
10 Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1977-31 (schwarze und weiße Kreide auf blauem Papier, 324 x 232 mm), David A. de Witt: Jan van Noordt. Painter of History and Portraits in Amsterdam, Montreal & Kingston, London, Ithaca 2007, Nr. D5.
11 Einen Amsterdam-Aufenthalt für Casteleyn verzeichnet die Künstlerdatenbank des RKD, auf die sich auch Uta Römer: Casteleyn, Casper, in : AKL, Bd. 17, München und Leipzig 1997, S. 167, S. 167 bezieht. Ein ähnlich gekleideter trinkender Mann begegnet im Vordergrund eines „Herbergsinterieurs“ von Frans van Mieris: Leiden, Stedelijk Museum De Lakenhal, Inv.-Nr. 527, Otto Naumann: Frans van Mieris (1635-1681) The Elder. 2 Bde., Doornspijk 1981, Nr. 15.

Details zu diesem Werk

Wasserzeichen / Kettenlinien

-
23-28 mm (v)

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (NH Ad:01:02, fol. 81 als „Jan Bapt. Weeni[x]“: „Ein Bauer sitzend auf einem Erdhügel thut einen Zug aus einer Feldflasche. Treffliche Naturstudie, Kreide auf gr. Pap gehöht 10.8.16.0“; NH Ad: 02: 01, S. 276); Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Annemarie Stefes, Leonore van Sloten, Leonoor van Oosterzee: Tekenen in Rembrandts tijd. Meesterwerken uit de Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Museum Het Rembrandthuis, Amsterdam 2012, S.121, Nr.20, Abb.S. 35

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog I Van Aken-Murant, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.161-162, Nr.200

Wolfgang Schulz: Cornelis Saftleven 1607-1681. Leben und Werke. Mit einem kritischen Katalog der Gemälde und Zeichnungen, Berlin u. a. 1978, Nr.76