Caspar David Friedrich
Sarg auf frischem Grab,
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Caspar David Friedrich

Sarg auf frischem Grab,

Caspar David Friedrich

Sarg auf frischem Grab

Bei dem Blatt, das entgegen der bei Ludwig Hoch zu findenden Angabe nicht auf Transparentpapier ausgeführt wurde (Anm. 1), handelt es sich um keine Naturstudie, sondern um eine komponierte Landschaft, für deren einzelne Elemente Friedrich auf frühere Naturstudien zurückgriff: Für die Hintergrundsilhouette, die Hoch als die langgestreckte Gestalt des Schneeberges in der Böhmischen Schweiz identifizierte (Anm. 2), verwendete Friedrich ein Blatt vom 19. August 1806 in Oslo (Anm. 3); die Distel rechts geht zurück auf ein Skizzenbuchblatt vom 17. Juli 1799 in Berlin (Anm. 4), die Distel in der Mitte auf ein Skizzenbuchblatt vom 26. Juni 1799, ebenfalls in Berlin (Anm. 5), für die Distel links griff Friedrich auf ein Blatt vom 18. Juli 1813 in Oslo (Anm. 6) zurück. Auch der Baum neben dem Sarg, in dem geflochtene Kränze, ein Kruzifix und ein Anker hängen, dürfte auf eine Naturstudie zurückgehen, doch ist bisher kein entsprechendes Blatt bekannt geworden.
Die Pflanzen hat Friedrich kunstvoll um einen Sarg arrangiert, der im Zentrum des Bildes über einem ausgehobenen Grab steht. Unmittelbar vor dem Sarg liegen zwei sich kreuzende Spaten, ein Indiz dafür, dass das Grab kurz vorher ausgehoben wurde. Der erste Eindruck suggeriert ein Grab in einer weiten Landschaft, doch handelt es sich um einen von einer Mauer umgrenzten Friedhof.(Anm. 7) Darauf deuten nicht nur weitere kleine Kruzifixe in der linken und rechten Bildhälfte, sondern vor allem eine zweite, in Sepia ausgeführte Version des Motivs in Moskau.(Anm. 8) Dort ist die den Friedhof begrenzende, von Pflanzen überwucherte Mauer deutlich zu erkennen, die Friedrich auf dem Hamburger Blatt links und rechts des Sargs nur andeutet. Er war sich über die endgültige Form offensichtlich noch nicht im Klaren, wofür auch die beiden, scharf mit dem Bleistift gezogenen parallelen Linien auf Höhe der Pflanzen sprechen, die auch die Disteln überschneiden. Dass Friedrich noch mit der endgültigen Bildform rang, belegen auch die vor dem Sarg liegenden Spaten, die er ursprünglich parallel zum Sarg ausgerichtet hatte. Weitere Pentimenti bzw. Ausradierungen im Bereich des Sargs belegen zudem den noch nicht abgeschlossenen Arbeitsprozess.
Sigrid Hinz (Anm. 9) datiert das Blatt früh um 1805/07, doch legt der unmittelbare Zusammenhang mit der Sepiazeichnung in Moskau, die um 1836 entstand, auch für das Hamburger Blatt eine späte Entstehung nahe. Friedrich hat sich bei der zeichnerischen Ausführung weitgehend auf den Kontur beschränkt, einzig bei den Disteln geben Parallelschraffuren eine Binnenstruktur an. Zahlreiche Konturlinien – etwa am Sarg - sind mit einem härteren Bleistift noch einmal nachgezogen worden, doch wohl weniger zum Zweck der Übertragung – wie Grummt vermutet - als zur endgültigen Festlegung der Form. Trotzdem diente das Blatt im Werkprozess zur Übertragung, worauf nicht nur die auch bei anderen Blättern mit ähnlicher Funktion zu beobachtende Beschränkung auf den Kontur spricht, sondern auch die Einschwärzung der Rückseite mit schwarzer Kreide. Es diente für das Moskauer Blatt als Karton, worauf zu Recht erstmals Sumowski hingewiesen hat.(Anm. 10)

Peter Prange

1 Hoch 1987, S. 92.
2 Hoch 1987, S. 91.
3 Blick auf die Böhmische Schweiz, Bleistift, 118 x 182 mm, Oslo, Nasjonalmuseet for kunst, arkitektur og design, Inv. Nr. NG. K & H B. 16069-031, vgl. Grummt 2011, S. 431-432, Nr. 454, Abb.
4 Distel und zwei Baumstudien, Bleistift, Feder in Schwarz, 238 x 189 mm, Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. SZ 66, vgl. Grummt 2011, S. 151-152, Nr. 126, Abb., dort auch die weiteren Verwendungen im Werk Friedrichs aufgeführt.
5 Pflanzenstudien, Bleistift, Feder und Pinsel in Grau, 237 x 190 mm, Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. SZ 61, vgl. Grummt 2011, S. 146-147, Nr. 121 verso, Abb.
6 Pflanzenstudie und Bergmassiv, Bleistift, 189 x 120 mm, Oslo, Nasjonalmuseet for kunst, arkitektur og design, Inv. Nr. NG. K & H B. 16043, vgl. Grummt 2011, S. 656, Nr. 695, Abb.
7 Rewald 1990, S. 82, nahm aufgrund der kargen Vegetation an, dass es sich um einen ländlichen Friedhof in Norddeutschland handelt.
8 Sarg am Grab, Bleistift, Pinsel in Braun, 392 x 394 mm, Moskau, Staatliches Puschkin-Museum der bildenden Künste, Inv. Nr. 6241, vgl. Grummt 2011, S. 877-878, Nr. 971, Abb.
9 Hinz 1966, S. 56, Nr. 363.
10 Sumowski 1970, S. 62.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso oben rechts nummeriert: "13"; unterhalb davon: "4" (Bleistift)

Wasserzeichen / Kettenlinien

J. WHATMANN

Verso

Technik verso: geschwärzt

Provenienz

Erworben 1906 von Harald Friedrich, Hannover

Bibliographie

Christina Grummt: Caspar David Friedrich. Die Zeichnungen. Das gesamte Werk, Bd. 2, München 2011, S.876-877, Abb., Nr.970

Hans Dickel: Caspar David Friedrich in seiner Zeit. Zeichnungen der Romantik und des Biedermeier, hrsg. von Manfred Fath, Die Zeichnungen und Aquarelle des 19. Jahrhunderts der Kunsthalle Mannheim, Bd. 3, Weinheim 1991, S.80, Nr.bei Nr. 23, Anm. 5

The romantic Vision of Caspar David Friedrich. Paintings and Drawings from the U.S.S.R., hrsg. von Sabine Rewald, New York 1990, S.82, Abb., Abb.43

Caspar David Friedrich - seine Zeichnungen in der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Hamburg 1990, S.o. S., Nr.56, Abb.26 auf S. 28

Karl-Ludwig Hoch: Caspar David Friedrich und die böhmischen Berge, Dresden 1987, S.13, 16, 91, Abb., Abb.39

Karl-Ludwig Hoch: Caspar David Friedrichs Frömmigkeit und seine Ehrfurcht vor der Natur, Leipzig 1981, S.151, 188

Marianne Bernhard, Hans H. Hofstätter: Caspar David Friedrich. Das gesamte graphische Werk, München 1974, Abb.S. 372

Caspar David Friedrich 1774-1840, hrsg. von Werner Hofmann, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, München 1974, S.303, Nr.225, Abb.

Helmut Börsch-Supan, Karl Wilhelm Jähnig: Caspar David Friedrich. Gemälde, Druckgraphik und bildmäßige Zeichnungen, München 1973, S.462, Nr.bei Kat. Nr. 461

Werner Sumowski: Caspar David Friedrich-Studien, Wiesbaden 1970, S.62, 155, Abb.330

Sigrid Hinz: Caspar David Friedrich als Zeichner. Ein Beitrag zur stilistischen Entwicklung und ihrer Bedeutung für die Datierung der Gemälde, Bd. 2, Greifswald, Univ., Diss. 1966, S.56, Nr.363

Alfred Lichtwark: Kunsthalle zu Hamburg. Verzeichnis der Geschenke und Erwerbungen des Jahres 1906, Hamburg 1906, S.43, Nr.114