Caspar David Friedrich
Pforte in der Gartenmauer, um 1828
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Caspar David Friedrich

Pforte in der Gartenmauer, um 1828

Caspar David Friedrich

Pforte in der Gartenmauer, um 1828

Die unscheinbare Situation einer Mauer mit einer geöffneten Pforte taucht ähnlich schon früh im Werk Friedrichs auf (Anm. 1) doch ist hier noch der Natureindruck vorherrschend. Obwohl auf dem vorliegenden Blatt der Bildgegenstand ähnlich anspruchslos ist, sind hier die einzelnen Bildelemente in ein so ausgewogenes Verhältnis zu einander gebracht, das der Eindruck einer konstruiert-komponierten Landschaft entsteht. Die in der Mitte geöffnete Mauer durchschneidet diagonal den Bildraum und teilt die Landschaft zu gleichen Teilen in eine verschattete und beleuchtete Zone. Das Verhältnis zwischen der oberen und unteren Bildhälfte ist genau austariert und vom Gegensatz zwischen Licht und Schatten bestimmt. Dem entspricht der Einsatz der Farbigkeit und des Lichtes, die sich der Bildintention entsprechend von vorn nach hinten im Sinne einer Licht- und Farbmetaphorik vom Konkreten zum Transparenten ändert. Auch der Einsatz der zeichnerischen Mittel unterscheidet zwischen diesen beiden Ebenen, worauf Grummt hingewiesen hat: Während Friedrich im Bereich vor der Mauer auf den Bleistift verzichtet, verwendet er ihn ausschließlich im Bereich hinter der Mauer, wo der Bleistift über dem Aquarell liegt. (Anm. 2) Die in fahlen Blau- und teilweise Rottönen wiedergegebene Landschaftssilhouette, die in Teilen ohne die Stadt auch auf Inv.-Nr. 41122 im Hintergrund erscheint, wird durch den Bleistift akzentuiert und schließt sich erst so zu einem Landschaftsraum zusammen, dessen hinterste Zone nur noch mit dem Bleistift angedeutet ist.
Die zarte und nuancierte Farbigkeit legen zusammen mit der Bedeutung des Lichts eine religiös motivierte Interpretation nahe, wie sie Börsch-Supan vorgelegt hat. Demzufolge verkörpert der schmale, beschienene Streifen im Vordergrund die diesseitige Welt, auf die in Gestalt der Mauer der Schatten des Todes fällt. Das geöffnete Tor erlaubt aber den Zugang zur lichtdurchfluteten Landschaft mit der angedeuteten Silhouette von Dresden, die als Bild des Paradieses zu verstehen ist.(Anm. 3) Hilmar Frank hat jedoch auf das prinzipiell Offene der Darstellung hingewiesen, deren Charakter zwischen Naturstudie und Metapher nicht eindeutig festzulegen sei.(Anm. 4) Zusammen mit dem Himmel, der allein durch den Papierton gegeben wird, gestaltet Friedrich eine jener Ansichten, deren Blick in Landschaftsweite und Himmelsferne für Aussichten steht, „die weiter reichen“.(Anm. 5) Im Medium des transparenten Aquarells erreichte Friedrich eine die Vedute überhöhende Transzendenz.(Anm. 6)
In der Forschung besteht Einigkeit darüber, dass das Aquarell aufgrund der verhaltenen Farbigkeit und lockeren Malweise in Friedrichs Spätwerk gehört, doch bleibt eine genaue Datierung problematisch. Während Eberlein das Blatt um 1830 ansetzte (Anm. 7), schlug Dörries eine Datierung um 1824 vor.(Anm. 8) Sigrid Hinz und Werner Sumowski datieren das Blatt um 1828, dem sich Grummt angeschlossen hat. Einzig Börsch-Supan hält an einer sehr späten Entstehung erst um 1837/40 fest, doch besonders die stilistische Nähe zur „Elbquelle im Riesengebirge“ (Anm. 9), die vom dunkleren unteren bis zum oberen helleren Bildrand eine ähnlich subtile Farb- und Lichtbehandlung aufweist, lässt eine frühere Entstehung bereits um 1828/30 wahrscheinlich erscheinen.

Peter Prange

1 Landschaft mit Strohhütte und Pforte, 1802, Bleistift, Pinsel und Feder in Braun, Standort unbekannt, vgl. Grummt 2011, S. 348-349, Nr. 348, Abb.
2 Es handelt sich also um keine Vorzeichnung, wie etwa noch im Ausst.-Kat. Heidelberg 1964, Nr. 175, gemutmaßt wurde.
3 Börsch-Supan 1973, S. 477.
4 Frank 2004, S. 132.
5 Frank 2004, S. 127.
6 Hinrich Sieveking: Von Füssli bis Menzel. Aquarelle und Zeichnungen der Goethezeit aus einer Münchner Privatsammlung, Ausst.-Kat. Kunstsammlungen zu Weimar, München-New York 1997, S. 78, Nr. 21.
7 Eberlein 1940, Abb. 64.
8 Dörries 1950, S. 6.
9 Die Elbquelle im Riesengebirge, Aquarell, 250 x 344 mm, Privatbesitz, vgl. Grummt 2011, S. 615-618, Nr. 636, Abb. Grummt datiert das Blatt um 1810.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso in der Mitte bezeichnet: "a" (Bleistift)

Provenienz

Erworben 1906 von der Kunsthandlung F. A. C. Prestel, Frankfurt am Main

Bibliographie

Christina Grummt: Caspar David Friedrich. Die Zeichnungen. Das gesamte Werk, Bd. 2, München 2011, S.27, 840-841, Abb., Nr.927

Richter, Frank: Caspar David Friedrich. Spurensuche im Dresdner Umland und in der Sächsischen Schweiz, Verlag der Kunst Dresden Ingwert Paulsen jr., Husum 2009, S.137, Abb., Nr.197

Caspar David Friedrich. Die Erfindung der Romantik, hrsg. von Hubertus Gaßner, Ausst.-Kat. Museum Folkwang, Essen; Hamburger Kunsthalle 2006, S.372, Abb.S. 242

Hilmar Frank: Aussichten ins Unermessliche. Perspektivität und Sinnoffenheit bei Caspar David Friedrich, Berlin 2004, S.132, Abb.70 auf S. 133

William Vaughan: Friedrich, London 2004, S.305, Abb.174

Elke Tangelder: Metaphern für Gefangenschaften in der Malerei des 19. Jahrhunderts, Berlin 1993, S.80, Abb.24 nach S. 203

Caspar David Friedrich. Pinturas y dibujos, Ausst.-Kat. Museo del Prado, Madrid 1992, S.238, Nr.83, Abb., Abb.S. 239

Hilmar Frank: Die mannigfaltigen Wege zur Kunst. Romantische Kunstphilosophie in einem Schema Caspar David Friedrichs, in: Idea. Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle 10, 1991, S. 165-196, S.191, Abb., Abb.11

Caspar David Friedrich - seine Zeichnungen in der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Hamburg 1990, S.o. S., Nr.54, Abb.29 auf S. 30

Helmut Börsch-Supan: Caspar David Friedrich. Landschaft als Sprache, München 1987, S.204, Nr.67, Abb.

Gisela Helbig: Die alte Elbbrücke von Meißen. Zur Bestimmung von Bildmotiven von Caspar David Friedrich, in: Sächsische Heimatblätter 1, Chemnitz 1986, S. 1-3, S.2

Otto von Simson: Über die symbolische Bildstruktur einiger Gemälde von Caspar David Friedrich, in: ars auro prior/ studia Ioanni Bialostocki sexagenario dicata Warschau 1981, S. 597-605, S.604, Abb.11

Before Photography. Painting and the Invention of Photography, hrsg. von Peter Galassi, Ausst.-Kat. The Museum of Modern Art, New York 1981, S.125, Nr.17, Abb.S. 43

Dahls Dresden, Ausst.-Kat. Nasjonalgalleriet, Oslo 1980, S.110, Nr.193, Abb.S. 101

Romantiken i Dresden. Caspar David Friedrich och hans samtida 1800-1850, Ausst.-Kat. Nationalmuseum, Stockholm 1980, S.72-74, Nr.107, Abb.

La peinture allemande à l' époque du Romantisme, Ausst.-Kat. Orangerie des Tuileries, Paris, Paris 1976, S.69, Abb., Nr.78, Abb.

William Turner und die Landschaft seiner Zeit. Kunst um 1800, hrsg. von Werner Hofmann, München 1976, S.262, Nr.241, Abb.

Caspar David Friedrich und sein Kreis, Ausst.-Kat. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Neue Meister 1974, S.237-238, Nr.222

Caspar David Friedrich 1774-1840, hrsg. von Werner Hofmann, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, München 1974, S.64, 284, Nr.200, Abb., Abb.Taf. XX auf S. 108

Marianne Bernhard, Hans H. Hofstätter: Caspar David Friedrich. Das gesamte graphische Werk, München 1974, S.813, Abb.S. 759

Helmut Börsch-Supan, Karl Wilhelm Jähnig: Caspar David Friedrich. Gemälde, Druckgraphik und bildmäßige Zeichnungen, München 1973, S.477, Nr.496, Abb., Abb.Taf. 40 auf S. 165

Deutsche Romantik. Handzeichnungen. Band 1: Carl Blechen (1798-1840) bis Friedrich Olivier (1791-1859), hrsg. von Marianne Bernhard, München 1973., S.1965, Bd. 2, 1989, Abb.S. 385

Caspar David Friedrich 1774-1840. Romantic Landscape painting in Dresden, Ausst.-Kat. Tate Gallery, London 1972, S.71, 92, Nr.111, Abb.S. 41

Werner Sumowski: Caspar David Friedrich-Studien, Wiesbaden 1970, S.159, Anm. 958

Sigrid Hinz: Caspar David Friedrich als Zeichner. Ein Beitrag zur stilistischen Entwicklung und ihrer Bedeutung für die Datierung der Gemälde, Bd. 2, Greifswald, Univ., Diss. 1966, S.121, Nr.754

Kunst in Dresden 18.-20. Jahrhundert. Aquarelle - Zeichnungen - Druckgraphik. Ausstellung zur Erinnerung an die Gründung der Dresdner Kunstakademie 1746, Ausst.-Kat. Kurpfälzisches Museum, Heidelberg 1964, S.56, Nr.175

Deutsche Aquarelle von der Romantik bis zur Gegenwart, Ausst.-Kat. Kunsthalle zu Kiel, Kiel 1960, Nr.25, Abb.o.S. Taf.

Bernhard Dörries: Zeichnungen der Frühromantik, München 1950, S.6, 18, Abb.S. 62

Kurt Karl Eberlein: Caspar David Friedrich, der Landschaftmaler. Ein Volksbuch deutscher Kunst, Bielefeld/ Dresden 1940, Abb.64

Meisterwerke der Romantik, Ausst.-Kat. Kunsthalle Hamburg 2. November- 31. Dezember, Hamburg 1935, Nr.32

Meisterwerke der deutschen Romantik. Sonderausstellung der Freunde der Kunsthalle e. V., Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1935, Nr.32

Willi Wolfradt: Caspar David Friedrich und die Landschaft der Romantik, Berlin 1924, Abb.81 auf S. 205

Gustav Pauli: Kunsthalle zu Hamburg. Ausstellung von Aquarellen aus dem Besitz des Kupferstichkabinetts, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1921, S.12, Nr.30

Andreas Aubert: Caspar David Friedrich. "Gott, Freiheit, Vaterland", Berlin 1915, Abb.8

Alfred Lichtwark: Kunsthalle zu Hamburg. Verzeichnis der Geschenke und Erwerbungen des Jahres 1906, Hamburg 1906, S.43, Nr.110