Bernardino India
Versammlung von Menschen um eine Himmelskugel,
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Bernardino India

Versammlung von Menschen um eine Himmelskugel,

Bernardino India

Versammlung von Menschen um eine Himmelskugel

Dank der Kennerschaft von Philip Pouncey und Janos Scholz konnte seit den 1960er Jahren das zeichnerische Œuvre des bis dahin relativ wenig bekannten Veroneser Malers Bernardino India besser herausgearbeitet werden.(Anm.1) So galt auch das Hamburger Blatt aufgrund einer alten Beschriftung (eines Sammlers ?) als Werk eines nicht näher nachweisbaren Torrigiano Torrigiani. Erst durch einen Hinweis von Janos Scholz, der selbst im Besitz zweier India-Zeichnungen war, wurde das Blatt diesem Künstler zugeordnet. Scholz war offensichtlich auch der erste, der das Wort „india“ auf dem Recto mit dem Veroneser Künstler in Verbindung brachte.(Anm.2)
Bernardino India hat Einflüsse von Veronese, Schiavone und Taddeo Zuccari (tätig in Verona 1552/53), aber auch von Parmigianino und Giulio Romano zu einem sehr persönlichen Zeichenstil verarbeitet. Dessen markanteste Charakteristika sind die puppenhaften Gesichter einiger Figuren und die in weiten Federschwüngen gezeichneten schlaufenförmigen Haarlocken. Typisch für Indias Zeichnungen sind auch die lebendige Skizzenhaftigkeit, die lockere Umrissbetonung und die zum Teil virtuos eingesetzte Lavierung.(Anm.3)
All dies trifft auch für das Hamburger Blatt zu. So finden sich dort die für India charakteristischen Haarlocken bei den beiden im Gespräch vertieften Figuren rechts im Bildvordergrund. Gut vergleichbar mit dieser Studie ist die „Verehrung eines Helden“ in den Uffizien (Anm.4) hinsichtlich der Leichtigkeit der Federführung und der virtuos eingesetzten Lavierung im Allgemeinen sowie der Haarlocken im Speziellen.
Bislang unklar ist die Ikonographie des Hamburger Blattes. Denkbar ist die Darstellung einer Gruppe diskutierender Menschen. Möglicherweise entstand die Zeichnung im Zusammenhang mit einer der zahlreichen Malereien, die India seit den 1560er Jahren in den Palästen und Villen Veronas und Umgebung ausgeführt hat.
Laut einer alten Verso-Notiz soll sich das Blatt ehemals im Besitz des Malers Jacopo Chimenti, genannt Jacopo da Empoli, befunden haben.

David Klemm

1 Vgl. Nicholas Turner: The Study of Italian Drawings. The contribution of Philip Pouncey, London 1994, S. 81, Nr. 95.
2 Unklar muss bleiben, ob es sich um eine Signatur handelt. Bislang sind keine weiteren Zeichnungen mit dieser Aufschrift bekannt, was eher für eine alte kennerschaftliche Notiz sprechen würde.
3 Vgl. z. B. „Anna Selbdritt“, British Museum, Inv.-Nr. 1972–5-13-1; Abb., in: Nicholas Turner: The Study of Italian Drawings. The contribution of Philip Pouncey, London 1994, S. 81, Nr. 95.
4 Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe delle Uffizien, Inv.-Nr. 125333 F; Cinque secoli di disegno veronese, bearb. v. Sergio Marinelli, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi LCCCVI, Ausst.-Kat. Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Florenz 2000, S. 54–56, Nr. 25. Beide Zeichnungen sind bis auf wenige Millimeter gleich groß.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Am unteren Rand signiert (?): "india" (Feder in Braungrau)

Auf dem Verso in der Mitte Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1233); unten rechts aufgeklebt alte Beischrift: "Disegno di mano di Torrigiano Torreg.in (?) Dono di Jacopo da Empoli pittore" (Feder in Braun)

Provenienz

Jacopo Chimenti, gen. Jacopo da Empoli [(1551-1640); laut alter verso-Notiz]; Ludwig Hermann Philippi (1848-1908), Hamburg (L. 1335); Legat Philippi an die Hamburger Kunsthalle 1908

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.208-209, Nr.282

Eckhard Schaar, David Klemm: Italienische Zeichnungen der Renaissance aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1997, S.92, Nr.24, Abb.69