Barend Graat, zugeschrieben Pieter Jacobsz. van Laer, ehemals zugeschrieben
Sitzender Bauer mit Krug und Pfeife, um 1645
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Barend Graat, zugeschrieben Pieter Jacobsz. van Laer, ehemals zugeschrieben

Sitzender Bauer mit Krug und Pfeife, um 1645

Barend Graat, zugeschrieben Pieter Jacobsz. van Laer, ehemals zugeschrieben

Sitzender Bauer mit Krug und Pfeife, um 1645

Die Zeichnung wurde wohl von der Hand des Amsterdamer Kunsthändlers Jan Pietersz. Zomer mit dem Bentnamen Van Laers („Bamboots“, für „Bamboccio“) bezeichnet.(Anm.1) Vergleichbare Beischriften finden sich auch auf je einer blaugrundigen Figurenstudie in Besançon und Amsterdam.(Anm.2) Die daraus abzuleitende Zuschreibung an Pieter van Laer würde grundsätzlich gestützt durch den Typus des Bauern mit ausgefranst breitkrempigem Hut, der zum festen Figurenepertoire des Künstlers gehört.(Anm.3)
In der Pariser École des Beaux-Arts befindet sich jedoch eine Studie nach vermutlich demselben Modell, die von Frits Lugt Barend Graat zugewiesen wurde.(Anm.4) Dessen Autorschaft sollte auch für das vorliegende Blatt – und daran anschließend für Inv.-Nr. 22096 – in Betracht gezogen werden. Ausschlaggebend ist die stilistische Nähe zu der „Studie eines Mannes mit zwei Krügen“, für die Graats Autorschaft durch den Zusammenhang mit einem Gemälde gesichert ist.(Anm.5) Verbindende Elemente sind die festen Konturen, die schmelzend-fleckigen Weißhöhungen, die sorgfältig abschattierten Volumina – gut zu erkennen in der Modellierung der Krüge –, aber auch Details wie die schwungvoll einander überlagernden Umrisse der Schuhsohlen. Die etwas süßlich wirkenden Gesichtszüge wurden mit breitem Strich kräftig markiert, ähnlich wie auf Graats Pariser „Studie eines sitzenden Mannes“.(Anm.6) Die erwähnten Figurenstudien der „Bamboots“-Gruppe hingegen sind weicher und offener modelliert, bei gleichzeitig zurückhaltenderem Einsatz der Linie.
Das zeichnerische Werk des Barend Graat ist bislang nur in Ansätzen erforscht. Vorwiegend kennt man den Künstler als Maler von Historien und Gesellschaftsszenen; diese Werke stammen in der Regel aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In seinen Anfängen beschäftigte er sich jedoch offensichtlich auch mit der „Bambocciade“ in der Nachfolge Pieter van Laers. Dies geht hervor aus zwei gemalten Darstellungen kartenspielender Soldaten bzw. Bauern, deren eine in das Jahr 1645 datiert.(Anm.7) Diesen Bildern lässt sich die vorliegende Zeichnung anschließen, gemeinsam mit der stilistisch zugehörigen Inv..-Nr. 22096.
Es wird angenommen, dass der Kunsthändler Jan Pietersz. Zomer nach Graats Tod ein großes Konvolut seiner Figurenstudien erwerben konnte.(Anm.8) Offensichtlich stachen die italianisierenden Figuren aus der Masse der übrigen Studien heraus, was Zomer zu seiner Zuweisung an „Bamboots“ im Sinne eines übergeordneten Sammelbegriffs veranlasst haben könnte.

Annemarie Stefes

1 Darauf verwies erstmals Schatborn, in: Peter Schatborn: Dutch Figure Drawings from the seventeenth century, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Washington, National Gallery of Art, Den Haag 1981.
2 Besançon, Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie, Inv.-Nr. D 805, Peter Schatborn: Dutch Figure Drawings from the seventeenth century, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Washington, National Gallery of Art, Den Haag 1981, S. 63, Abb. 1; Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1905-183, ebd. Nr. 61 und Marijn Schapelhouman, Peter Schatborn: Dutch Drawings of the Seventeenth Century in the Rijksmuseum Amsterdam. Artists born between 1580 and 1600, London 1998, Nr. 222.
3 Z. B. auf dem „Kleinen Kalkofen“, Budapest, Szépmüvészeti Múzeum, Inv.-Nr. 269, David A. Levine, Ekkehard Mai (Hrsg.): I Bamboccianti. Niederländische Malerrebellen im Rom des Barock, Ausst.-Kat. Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Utrecht, Centraal Museum, 1991/92, Nr. 19.2; vgl. auch eine „Szene um einen römischen Kalkofen“, Valtice, Schloss, Inv.-Nr. 724/597, ebd. Nr. 19.12.
4 Paris, École Nationale Supérieure des Beaux-Arts, Inv.-Nr. Mas.1673, Frits Lugt: École hollandaise, École nationale Supérieure des Beaux-Arts Paris. Inventaire génerale des Dessins des Écoles du Nord, Bd. 1, Paris 1950, Nr. 247. Schatborn publizierte die Zeichnung, in: Peter Schatborn: Dutch Figure Drawings from the seventeenth century, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Washington, National Gallery of Art, Den Haag 1981, S. 138, bei Nr. 61 unter ihrer alten Zuschreibung an Van Laer, hielt kürzlich aber die Autorschaft Graats ebenfalls für möglich (mündlich, Oktober 2009).
5 „Junger Mann mit zwei Krügen“, Privatbesitz Den Haag (240 x 108 mm), De verzameling van Mr. Chr. P. van Eeghen: Nederlandse en buitenlandse tekeningen, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Amsterdam 1958, Nr. 65, verwendet für die „Gesellschaft im Garten“, 1661, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. SK-A-3932.
6 Paris, Fondation Custodia, Inv.-Nr. 303, Peter Schatborn: Dutch Figure Drawings from the seventeenth century, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Washington, National Gallery of Art, Den Haag 1981, Nr. 55; diese Studie wurde für ein 1660 datiertes Gemälde in Wien verwendet, Akademie der bildenden Künste, Inv.-Nr. 1398, ebd. S. 96, Abb. 2.
7 Aukt.-Kat. Stuttgart, Nagel, 4. 12. 1978, Nr. 1040, monogrammiert und datiert „B.G. 1645 f.“; Aukt.-Kat. Wien, Dorotheum, 2./3. 12. 1993, Nr. 18, monogrammiert „BG f.“.
8 Vgl. Schatborn, in: Peter Schatborn: Dutch Figure Drawings from the seventeenth century, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Washington, National Gallery of Art, Den Haag 1981, S. 96.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Bezeichnung unten links: "Bamboots" (schwarze Kreide); auf dem Verso unten links Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

Wasserzeichen / Kettenlinien

-
ca. 25-27 mm (v) (unregelmäßig)

Provenienz

Wohl Jan Pietersz. Zomer (1641-1724), Amsterdam; Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (NH Ad:01:02, fol. 35: "Pieter de Laer genannt Bamboots n. 1613 Ein sitzender {Italien} Römischer Bauer, einen Krug haltend bez Bamboots. Kreidestudie auf blau Papier, gehöht 5.3.8.3"; NH Ad: 02: 01, S. 256); Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog I Van Aken-Murant, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.251-252, Nr.388

Marijn Schapelhouman, Peter Schatborn: Dutch Drawings of the Seventeenth Century in the Rijksmuseum Amsterdam. Artists born between 1580 and 1600, London 1998, S.105, bei Nr. 222

Michiel C. Plomp: Jan Pietersz. Zomer's inscriptions on drawings, in: Delineavit et Sculpsit 17, 1997, S. 13-27, S.17

Anne-Charlotte Steland-Stief: Zu Graphik und Zeichnungen der 'Bamboccianti', in: I Bamboccianti. Niederländische Malerrebellen im Rom des Barock, Ausst.-Kat. Köln/Utrecht 1991/1992, S. 94-112, S.101

Dutch Figure Drawings from the seventeenth century, Ausst.-Kat. Rijksprentenkabinet, Amsterdam u.a. 1981, S.138, bei Nr. 61