Anonym, Rom, 2. Drittel 18. Jahrhundert
Entwurf für einen Wandbrunnen im Hof des Palazzo del Commendatore in Rom,
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Anonym, Rom, 2. Drittel 18. Jahrhundert

Entwurf für einen Wandbrunnen im Hof des Palazzo del Commendatore in Rom,

Anonym, Rom, 2. Drittel 18. Jahrhundert

Entwurf für einen Wandbrunnen im Hof des Palazzo del Commendatore in Rom

Der auf dem Blatt dargestellte Brunnen war bislang ungedeutet. Er läßt sich aufgrund der oben erkennbaren Wappentiere Adler und Drache als Entwurfsvariante für den im Auftrag von Papst Paul V. Borghese (1605.-1621) errichteten Brunnen im Hof der Schweizergarde des Vatikan bestimmen.(Anm. 1) Der Entwerfer dieses Brunnens ist nicht überliefert, doch erinnert er - wie Fuhring betonte - an den sog. Ponte-Sisto-Brunnen von Giovanni Vansanzio (van Santen, c. 1550-1621) und Giovanni Fontana (1540-1614).(Anm. 2) Ein ähnlicher Entwurf ist in Antonio Casonis Libro di disegni von ca. 1600 überliefert. Der Borghese-Brunnen wurde bereits unter Alexander VII. Chigi (1655-1667) an seinen heutigen Standort, dem Portikus im Hof des Palazzo del Commendatore in S. Spirito in Sassia in Rom, transloziert.
Die Hamburger Zeichnung ähnelt dem ausgeführten Brunnen in zahlreichen Details. Dies betrifft vor allem die Grundformen, so die architektonische Rahmung mit Pilastern, Sprenggiebel, Halbnische usw. Auch der Brunnen selbst ist in wesentlichen Elementen ähnlich, so in der Abfolge der Becken und der Anordnung einiger Figuren.
Allerdings gibt es gegenüber den in einem Stich des 17. Jahrhunderts überlieferten Brunnen auch zahlreiche Unterschiede, vor allem in den dekorativen Details.(Anm.3) Diese lassen sich nicht schlüssig mit dem 17. Jahrhundert verbinden. So deuten die leichten Füllungen der Pilaster eindeutig ins zweite Drittel des 18. Jahrhunderts. Dies gilt auch für die Bekrönungen der Pilaster oder die seitlichen Dekorationen des Sprenggiebels. Manche Details - so z. B. die Muschel hinter der großen Brunnenfigur - sind offensichtlich im 17. Jahrhundert nicht vorhanden gewesen und Zutat des anonymen Entwerfers.
Der Hamburger Zeichnung ähnelt in manchen der angesprochenen dekorativen Details eine Zeichnung der ehemaligen Sammlung Houthakker. Sie ist dem Brunnen in seiner heutigen Gestaltung deutlich näher.(Anm.4) Ein Vergleich zeigt auf, daß das Hamburger Blatt von schwächerer Qualität ist. Dies ist z. B. an der uneinheitlichen Perspektivkonstruktion des Blattes auszumachen. Folgte man der zeichnerischen Logik, so müßten die Brunnenbecken auslaufen. Diese Vermischung von An- und Aufsicht deuten ebenso auf einen wenig versierten Zeichner hin, wie die nicht verstandene Verbindung zwischen unterem Treppenbereich und unterer Brunnenschale.Viele Details wie die Schattierungen, die Ausführung der Treppen usw. sind wenig überzeugend dargestellt.
Der Vergleich des ursprünglichen Brunnens mit der heutigen Gestalt und den beiden Zeichnungen erlaubt den Schluß, daß er im Laufe des 18. Jahrhunderts umgestaltet worden ist. Möglicherweise stellen die beiden hier erwähnten Blätter Entwurfsvarianten dar, die im Zuge eines Wettbewerbs oder von Planungen von verschiedenen Künstlern angefertigt worden sind.
Das Hamburger Blatt wurde bislang traditionell dem vornehmlich in Neapel tätigen Maler und Bildhauer Domenico Antonio Vaccaro (1678-1745) zugeschrieben, was zumindest in zeitlicher Hinsicht nachvollziehbar wäre. Allerdings läßt sich die geringe zeichnerische Qualität bislang schwerlich mit gesicherten Blättern des Künstlers in Einklang bringen.(Anm.5). Es erscheint daher sinnvoller, das Blatt einem anonymen Zeichner des 18. Jahrhunderts zuzuordnen.

David Klemm

1 Der Hinweis auf den Bezug zum Borghese-Wappen stammt von einer anonymen Notiz auf dem Verso des Blattes.
2 zur Geschichte des Brunnens vgl. Fuhring II; S. 560, Nr. 851.Fuhring publizierte eine großformatige Zeichnung der ehem. Sammlung Houthakker, auf der der Brunnen in seiner heutigen Position abgebildet ist.
3 Eine Ansicht des 17. Jahrhundert enthält das Stichwerk "Raccolta delle Principali Fontane dell'Inclitta Città di Roma dessegnate, et intagliate da Domenico Parasacchi...", Rom 1637. Eine weitere Ansicht enthält das Stichwerk: "Fontane Diverse ...." des Giovanni Maggi, Rom 1651. Vgl. auch: Georg Andreas Böckler, Architectura Curiosa Nuova, Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1964, Instrumentaria Artium, Bd. 5, Graz 1968, Tafel 31 von Teil 3.
4 Fuhring II; S. 560, Nr. 851.
5 Vgl. z. B. die Vaccaro zugeschriebene architektonische Zeichnung eines Altarhinterbaus in der Kunstbibliothek Berlin, Hdz 5471, Jacob 1975, S. 178, Nr. 903, die in der Anlage der architektonischen Details präziser und sicherer ist.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1233)

Provenienz

Ludwig Hermann Philippi (1848-1908), Hamburg (L. 1335); Legat Philippi an die Hamburger Kunsthalle 1908

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.449, Nr.729