Anonym (italienisch, um 1700)
David mit dem Haupt des Goliath,
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Anonym (italienisch, um 1700)

David mit dem Haupt des Goliath,

Anonym (italienisch, um 1700)

David mit dem Haupt des Goliath

Die Zeichnung wurde in der Sammlung von der Hellen unter Vorbehalt als Werk Leonard Bramers (1596–1674) geführt. Da diese Zuordnung wenig Zwingendes hat, wurde 1963 bei der Inventarisation im Kupferstichkabinett ein anonymer italienischer Künstler des 17. Jahrhunderts in Erwägung gezogen. Diese Einschätzung wurde bislang lediglich durch eine anonyme Kartonnotiz – ohne weitere Präzisierung – in Frage stellt.
Unbestritten ist, dass das Thema in der italienischen Kunst des 17. Jahrhunderts relativ häufig nachweisbar ist. In der Grundkomposition lassen sich Bezüge zu Caravaggios berühmtem Gemälde in der Villa Borghese herstellen. Doch wird auf der Zeichnung das bei Caravaggio stärker differenzierte Raumgefüge verdichtet. Zudem wird dessen Schockelement – der den Betrachter anstarrende Schädel – auf dem Blatt durch das Wegdrehen zur Seite abgeschwächt. In der räumlichen Anordnung dem Hamburger Blatt ähnlicher ist eine Kreidezeichnung im Louvre, die dort ebenfalls einem anonymen Italiener des 17. Jahrhunderts zugeschrieben wird.(Anm. 1) Den italienischen Bezug des Pariser Blattes betonte auch Julien Stock, der hierin eine Kopie nach Francesco Furini (1603–1646) sehen wollte.(Anm. 2) So gibt es eine David-Darstellung Furinis in römischem Privatbesitz, die einen ähnlichen Typus des Helden mit Federhut und eine vergleichbare Konzentration auf David und das Haupt des Riesen aufweist.(Anm. 3) Dennoch bestehen auch deutliche kompositionelle Unterschiede, sodass nicht von einer Kopie gesprochen werden kann. Im Zusammenhang mit Furini ist von Interesse, dass sich der auffallend feminine Gesichtstypus des David in einer schönen Frauenzeichnung dieses Künstlers findet.(Anm. 4)
Kompositionell steht die Szene Gemälden von Lorenzo Pasinelli in Bologna (Anm. 5) und Simon Vouet in Genua nahe, die sich in ähnlicher Form auf das Halbporträt Davids und den Kopf des Getöteten beschränken.(Anm. 6) Ein möglicher Bezug zur französischen Kunst findet eine Stütze in einer Zeichnung Claude Vignons im Louvre mit einer Konzentration auf den dort im Dreiviertelporträt wiedergegebenen David und das Haupt Goliaths.(Anm. 7)

David Klemm

1 Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques. Inv.-Nr. 14626 r.
2 Undatierte Kartonnotiz.
3 Rom, Sammlung Busiri Vici. Vgl. Anna Barsanti: Ancora sul Furini, in: Paragone 25, 1974, Nr. 293, S. 54-72, S. 65 und Abb. 49 a.
4 Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 1158 F; Disegni di Francesco Furini, bearb. v. Giuseppe Cantelli, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi XXXVI, Ausst.-Kat. Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Florenz 1972, S. 36, Nr. 27. Zeichentechnisch lassen sich aber keine überzeugenden Bezüge zu Furini herstellen, sodass in dieser Hinsicht Stocks Annahme, dass es sich um eine Kopie handelt, zutreffend wäre.
5 Bologna, Sammlung Cremonini Tamburi, Inv.-Nr. CG 162573.
6 Genua, Palazzo Bianco, Inv.-Nr. PB 2201. Vergleichbar ist auch die Haltung des linken Arms, das am Schopf fassen, die Position des Goliath-Hauptes am rechten Bildrand. Vgl. Pracht und Pathos. Meisterwerke der Barockmalerei aus dem Palazzo Bianco in Genua, Ausst.-Kat. Berlin, Staatliche Museen, Gemäldegalerie, Mailand 2003, S. 114–115. Sehr ähnlich zur Hamburger Komposition ist auch ein Gemälde im Nationalmuseum Warschau, das als mögliche Arbeit nach Nicolas Tournier diskutiert worden ist. Vgl. Arnauld Brejon de Lavergnée: Pour Nicolas Tournier sur son sejour romain, in: Paragone 25, 1974, Nr. 287, S. 44-55, Abb. 34.
7 Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques. Inv.-Nr. 33275.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso im unteren linken Bereich bezeichnet: "Hellen 361" (Bleistift); unterhalb davon: Stempel der Sammlung Böhm (L. 1442); rechts davon Stempel der Sammlung Böhm (L. 271); unterhalb davon bezeichnet: "n" (Feder in Braun, unterstrichen); rechts davon bezeichnet: "J D Böhm" (Bleistift); am unteren Rand: Aufkleber mit der Aufschrift: "Coll. W. v. d. Hellen."; unten rechts bezeichnet: "CF[?] (Bleistift); in der Mitte rechts Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1233)

Wasserzeichen / Kettenlinien

WZ (Fragment): Drei kleiner werdende Mondsicheln hintereinander.

Provenienz

Johann Daniel Böhm (1794-1865), Wien (L. 1442 u. L. 271); Washington von der Hellen (1834-1900), Hamburg (nicht bei Lugt); Gustav von der Hellen (1879-1966), San Isidro/Argentinien (nicht bei Lugt); Schenkung von der Hellen 1962 an die Hamburger Kunsthalle

(Nr. 361)

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.431, Nr.681