Anonym (italienisch, 16. Jh.)
Die Heilige Familie mit dem Johannesknaben,
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Anonym (italienisch, 16. Jh.)

Die Heilige Familie mit dem Johannesknaben,

Anonym (italienisch, 16. Jh.)

Die Heilige Familie mit dem Johannesknaben

Die Zeichnung mit der „Heiligen Familie und dem Johannesknaben“ gelangte als Werk Baldassare Peruzzis in die Sammlung. Während Koopmann das Blatt 1891 noch unter den Werken Peruzzis erwähnte, wurde es später als anonyme Zeichnung nach einem römischen Gemälde der Schule Raffaels oder des Peruzzi eingeordnet. Tatsächlich lassen sich vor allem im Werk Raffaels – z. B. bei der „Madonna mit dem Fisch“ – kompositionelle Entsprechungen aufzeigen.(Anm.1) Sie sind aber eher allgemeiner Art – eine exakte Kopie von Motiven aus den späten Madonnenbildern Raffaels gibt es nicht. Vor allem die innige, kindlich-verspielte Verbundenheit von Christus und Johannes ist in dieser Anordnung ungewöhnlich. Einige Details – wie der sich über eine Brüstung beugende Joseph – finden sich im Laufe des 16. Jahrhunderts auch bei anderen Künstlern. Auf eine mögliche Kopie deuten auch die Quadrierung sowie die sichere Zeichentechnik, die keine erkennbaren Pentimenti aufweist.
Eine Entwurfszeichnung Raffaels für das Gemälde „Die Madonna mit dem Fisch“ in Edinburgh ähnelt dem Hamburger Blatt hinsichtlich der starken Verwendung von brauner Lavierung.(Anm.2) Allerdings zeigt diese Zeichnung auch, wie ungleich differenzierter der Zeichner Raffael sowohl die Gesamtkomposition als auch Details wie etwa die Drapierungen, die Körperglieder und die Haare anzulegen verstand.
Wenn auch der Einfluss der Italienischen Hochrenaissance im Allgemeinen und von Raffael im Speziellen sicher anzunehmen sind, so ist die Komposition doch von diesen Vorbildern entfernt. Hierzu tragen die asymmetrische, unausgewogene Figurenverteilung, das unmotivierte Herausschauen der Madonna sowie der zu kleine Vorhang bei. Carel von Tuyll zog unter Vorbehalt Prospero Fontana und Felice Pinasigio als mögliche Entwerfer in Erwägung.(Anm.3) So finden sich auf Fontanas Gemälde „Die Heilige Familie mit dem Johannesknaben“ in S. Maria del Baraccano in Bologna eine ähnlich innige Zuwendung von Christus sowie eine Josephsfigur im Hintergrund.(Anm.4) Allerdings sind die Positionen von Maria und Joseph vertauscht. Nach Bologna als möglichen Ursprungsort der Zeichnung weist auch ein Gemälde von Dionisio Calvaert „Die Hl. Familie mit Elisabeth und Johannes“, auf dem ebenfalls Christus und Johannes sowie Joseph in vergleichbarer, wenn auch keineswegs entsprechender Form dargestellt sind. Ausgehend von diesen Beobachtungen, könnte die Komposition in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Bologna entstanden sein.
Michael Jaffé ordnete das Blatt dagegen ohne nähere Begründung als holländische Kopie des 17. Jahrhunderts ein.(Anm.5)

David Klemm

1 Vgl. z. B. die „Madonna mit dem Fisch“ (Madrid, Prado), die „Madonna für Franz I.“ (Paris, Louvre).
2 Edinburgh, National Gallery of Scotland, Inv.-Nr. D 5342.
3 Anlässlich des Symposiums „Italienische Altmeisterzeichnungen 1450 bis 1800“ am 27. und 28.10.2005 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle.
4 Pittura Bolognese del '500, hrsg. von Vera Fortunati Pietrantonio, Bologna 1986, I, S. 356.
5 Kartonnotiz.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten rechts Stempel der Sammlung Lagoy (L. 1710); auf dem Verso Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328); unten rechts bezeichnet: "delle Vite" (Bleistift)

Wasserzeichen / Kettenlinien

WZ: Wappenschild in Form eines Ilex-Blattes, Inhalt nicht erkennbar.

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863); NH Ad : 01 : 03, fol. 120 (als Baldassare Peruzzi): "Maria sitzend unter einem Vorhange, hält das Jesuskind auf ihrem Schoosse das dem kleinen Johannes sich liebevoll entgegenneigt. Joseph erscheint im Hintergrund. Schön vollendete Feder und Bisterzeichnung. 5.9. 8.5 Mit einem Netze überzogen."; Legat Harzen 1863 an die "Städtische Gallerie" Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.414, Nr.638

Wilhelm Koopmann: Einige weniger bekannte Handzeichnungen Raffaels, in: Jahrbuch der Königlich Preußischen Kunstammlungen 12, 1891, S. 40-49, S.47