Anonym, 1. Hälfte 16. Jahrhundert (italienisch)
Lünette mit sieben Phantasiegestalten und zwei Eulen, um 1500/30
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Anonym, 1. Hälfte 16. Jahrhundert (italienisch)

Lünette mit sieben Phantasiegestalten und zwei Eulen, um 1500/30

Anonym, 1. Hälfte 16. Jahrhundert (italienisch)

Lünette mit sieben Phantasiegestalten und zwei Eulen, um 1500/30

Die Zeichnung stellt eine weitgehend freie Adaption von Dekorationselementen dar, die seit ihrer Aufdeckung in der römischen Domus Aurea im späten 15. Jahrhundert als sogenannte Grotesken in vielen Ländern Europas Verbreitung fanden. Dies bezieht sich auf die geflügelten oder mit gespreizten Beinen sitzenden Tier-Menschwesen und auf die heftig kämpfenden Gestalten.(Anm.1) Allerdings ist die Anverwandlung hier offensichtlich sehr weit reichend, da sich weder für die Lünettenform noch für viele Details direkte Übernahmen von römischen Vorbildern nachweisen lassen. So erinnern die beiden auf Blütenkelchen sitzenden Eulen an ähnliche Lösungen der Peruzzi-Schule bzw. im Codex Escurialensis, ohne aber als direkte Übernahmen angesprochen werden zu können.(Anm.2) In der spielerischen Verwendung antiker Formen stellt das Blatt ein charakteristisches Beispiel für den kreativen künstlerischen Umgang mit den in der Renaissance wiederentdeckten Werken des Altertums dar. Die Lünettenform könnte auf eine geplante Verwendung für die Gestaltung eines Wandfeldes hindeuten.
Das Blatt gelangte durch Georg Ernst Harzen ins Kabinett und blieb bislang ohne nähere Bestimmung. Christel Thiem schlug per Kartonnotiz den Umkreis Nicoletto da Modenas (nachweisbar 1500–1512) vor. Auf einem seiner Kupferstiche findet sich auch im unteren Bereich die Anordnung von geflügelten Frauengestalten und Satyrn.(Anm.3) Eine direkte Übereinstimmung besteht aber nicht, wie auch Nicoletto da Modena noch kleinteiliger ist und zudem die Bildflächen wie in einer Art horror vacui füllt. Demgegenüber ist die Hamburger Komposition übersichtlicher gestaltet.

David Klemm

1 Vgl. allg. Nicole Dacos: La Découverte de la Domus Aurea et la Formation des Grotesques à la Renaissance, Studies of the Warburg Institute, hrsg. v. Ernst H. Gombrich, Bd. 31, London 1969.
2 Vgl. Nicole Dacos: La Découverte de la Domus Aurea et la Formation des Grotesques à la Renaissance, Studies of the Warburg Institute, hrsg. v. Ernst H. Gombrich, Bd. 31, London 1969, Taf. XXVII, Abb. 46–47.
3 The Illustrated Bartsch 25 (13), 57 (286).

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso unten links bezeichnet: "8.0 4.7" (Bleistift); unten in der Mitte Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

Verso

Titel verso: Figurenstudien, u. a. Studie des Paris-Urteils

Technik verso: Feder in Braun

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244); NH Ad : 02 : 01, S. 226 (als anonym); NH Ad : 01 : 03, fol. 124 (als anonym): "Ein Ornament von Sphingen und Satyrn in Blattverzierung, für Boiserien bestimmt. Lünette. Kehrseite Paris Urtheil, nebst andern Skizzen von Figuren. Feder. 8.0. 4.7."; Legat Harzen 1863 an die "Städtische Gallerie" Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.393, Nr.596